Ich habe diesen Text bereits im Historik-Forum gepostet und mute ihn nun auch euch zu. Ich habe versucht, die Schlacht von Agincourt nachzuerzählen. Viel Spass (oder Ärger, wenns euch nicht gefällt )
Agincourt – eine mittelalterliche Schlacht
Oktober 1415, Nordfrankreich: Die englische Armee, die sich auf der verzweifelten Suche nach einer unbewachten Furt der Somme entlang quält, bietet einen erbärmlichen Anblick. Mit stumpfem Blick stapfen die von den Franzosen so gefürchteten und verhassten Langbogenschützen über vom Regen aufgeweichte Böden. Hunger, Müdigkeit und Krankheit zeichnen die Soldaten. In diesen Tagen kennen die Engländer nur noch ein Ziel: Calais. Die englische Bastion im Norden verspricht Sicherheit vor den ständigen Nadelstichen der französischen Soldaten. Calais ist das Tor zur Heimat.
Dabei hatte alles so verheissungsvoll begonnen. Im August 1415 war der englische König Heinrich V. in Harfleur, mitten in der Normandie gelandet. Der ehrgeizige Regent war zu diesem Zeitpunkt erst zwei Jahre im Amt. Als Spross des Hauses Anjou-Plantagenet verlor er allerdings keine Zeit, die alte Blutfehde zu den Franzosen wieder aufflammen zu lassen. Heinrich beanspruchte die französische Krone ganz in der Tradition seiner Vorväter.
Heinrich V. hatte für seinen Feldzug ein professionelles Heer von erfahrenen, von ihm direkt bezahlten, gut ausgerüsteten und ergebenen Soldaten angeworben. Kein Vergleich also zu den feudalen Heeren der Franzosen mit ihren hitzköpfigen und disziplinlosen Rittern und dem wankelmütigen Lumpenpack, welches sich Infanterie nennt. Heinrichs Heer war schlagkräftig, die Aussichten des Feldzugs vielversprechend. Dies vor allem auch deshalb, weil auf französischer Seite weit und breit kein ernstzunehmender Widersacher auszumachen war. König Karl VI ist geisteskrank. Seine Reichsverweser, die Herzöge von Burgund, Orléans und Valois bekämpfen sich in ihrer Kleingeistigkeit gegenseitig.
Harfleur
Doch dann kam Harfleur. Was eine einfache und schnelle Eroberung hätte werden sollen, entwickelte sich zur Tortur. Wochenlang lieferten sich die Engländer blutige Scharmützel mit der französischen Garnison, welche das Städtchen verbissen verteidigte. Heinrich bekam immer wieder Tobsuchtsanfälle angesichts der unbefriedigenden Situation. Wegen ihrer Zerstrittenheit hatten die französischen Herzöge kein grösseres Heer nach Harfleur geschickt; dennoch fiel die Stadt erst am 22. September.
Nach der Eroberung drängte Heinrich zur Eile. Er schickte die Verwundeten mitsamt der Kriegsbeute auf Schiffen zurück nach England. Mit den verbliebenen Truppen setzte er sich auf dem Landweg nach Calais in Bewegung. Im flachen Marschland des Pay de Caux, einem idealen Nährboden für Krankheiten, wurden die Engländer im Oktober von der Ruhr heimgesucht. Heinrich verlor Tag für Tag Soldaten. Hinzu kamen weitere Hiobsbotschaften. Nach dem Fall Harfleurs war es in den französischen Provinzen zu einer Mobilmachung gekommen. Das alleine wäre noch zu verkraften gewesen, da Heinrich wusste, wie chaotisch französische Generalmobilmachungen in der Regel endeten. Meist plünderten die aufgestellten Heeresverbände ihr eigenes Land.
Doch dummerweise lief es diesmal anders ab. Der königliche Stallmeister Charles I. d’Albret, ein junger Ritter, kommandiert das französische Heer. Im Wissen um die tödliche Feindschaft, die vor allem zwischen den Herzögen von Orléans und Burgund herrscht, hat der junge Stallmeister schlichtweg auf eine der beiden Parteien verzichtet: Johann Ohnefurcht von Burgund nimmt nicht am Feldzug teil.
Charles I. d’Albret ist clever. Er kennt die Stärke und Wirkung der englischen Bogenschützen. So tut er alles, um die Konfrontation so lange wie möglich hinauszuzögern – ganz zum Missfallen der französischen Lances, also der adligen Ritterschaft. Die Lances, allen voran der Herzog von Alençon, sind begierig darauf, im Kampf Ruhm und Ehre zu erlangen. Als sie hören, in welchem Zustand das englische Heer sich befindet und dass es darüber hinaus noch viel kleiner ist als das französische, sind sie kaum noch zu bändigen.
Agincourt
Die Engländer finden schliesslich eine Brücke über die Somme. Sie ist unbewacht. Ende Oktober 1415 überqueren sie den Fluss und marschieren nordwärts, Richtung Calais. Als sie sich dem Ort Agincourt nähern, kommt plötzlich Aufregung auf. Späher berichten von einem grossen französischen Heer, welches sich ganz in der Nähe befindet. Heinrich verfügt zu diesem Zeitpunkt noch über knapp 6000 Soldaten, davon 5000 Bogenschützen und nur sehr wenig Kavallerie. Als er schliesslich die französischen Truppen in ihrer Stellung zum ersten Mal selber sieht, wird ihm seine nominelle Unterlegenheit schmerzhaft bewusst. Das französische Heer ist mindestens doppelt so gross wie sein eigenes. Und die Franzosen verfügen über Panzerreiter – viele Panzerreiter. Die Banner und Wappen der Herzöge und ihrer Kontingente sind schon von weitem her sichtbar, genauso wie das blitzen und glänzen der schweren Rüstungen und tödlichen Waffen aus Eisen. Die Lances sind die militärische Elite der damaligen Zeit: Sie sind vollständig in schützende Eisenplatten gehüllt. Auf dem Haupt tragen sie den klassischen Helm der damaligen Zeit, den Bascinet. Manche ergänzen den Helm mit einem markanten Hundsschädel-Visier. Lanzen, Schwerter und Schilder dienen ihnen als Waffen.
Doch die furchterregende Erscheinung der Lances vermag die englischen Bogenschützen kaum mehr aus der Fassung zu bringen. Sie kennen die Stärken der Ritter – aber sie kennen auch deren Schwächen. Ihre Disziplinlosigkeit beispielsweise. Und die Langbogenschützen wissen auch, wo die Schwachstellen der schweren Rüstung liegen: Bei Visier, Leiste und Achseln. Und natürlich beim Reittier.
Die Engländer nehmen eine defensive Position ein. Heinrich V. weist sein Heer in eine Formation ein, welche den Männern von der Insel schon zuvor Siege gegen die Ritter eingebracht hat. In der Mitte konzentriert sich das Fussvolk sowie die wenigen Berittenen. An den Flanken beziehen die Langbogenschützen Stellung. Sie rammen angespitzte Pfähle in den Boden – ein bewährtes und effektives Mittel um den Schwung von Kavallerieattacken zu bremsen. Die Schützen legen ihre Ausrüstung zurecht. Der fast zwei Meter lange Langbogen mit seiner Zugkraft von bis zu 85 Kilogramm ist die vielleicht gefährlichste Fernkampfwaffe ihrer Zeit. Bis zu 400 Meter weit kann damit geschossen werden. Die Langbogenschützen tragen jeweils etwa 50 Pfeile bei sich, die eine schmale Eisenspitze haben. Ideal, um jedwelche Panzerung zu durchschlagen.
Ende Teil 1