Ich mag alles Maritime. Egal ob zivil oder militärisch. Hier möchte ich mich um die zivile Schifffahrt kümmern. Wichtige technische Meilensteine, bedeutende Reedereien und ihre Schiffe sowie allgemeine Entwicklungen in der Schifffahrt von den Anfängen, über die Gegenwart bis zur Zukunft. Hoffe, dass dies durchaus Gefallen findet.
REEDER, SCHIFFE UND REKORDE:
Eine kleine Geschichte der modernen Seeschifffahrt von 1819 bis heute.
Teil 1: Erste Erfolge, erste Niederlagen:
Als 1819 der kleine Seitenraddampfer "Savannah" (320 BRT) den Nordatlantik querte, da hätte sicherlich niemand darauf Wetten angenommen, dass ausgerechnet das Dampfschiff das wichtigste maritime Transportmittel werden würde. Zu zaghaft waren die ersten Versuche. Die "Savannah" machte dann auch nur eine Reise als Dampfschiff, noch dazu legte sie den größten Teil der Strecke auch nur unter Segeln zurück. Kurz darauf wurde sie wieder in ein Segelschiff zurückverwandelt. Der Spuck schien vorbei, bevor auch nur richtig begonnen hatte.
Es dauerte dann auch bis zum Jahr 1831, bis der nächste Dampfer, die mit 540 BRT vermessene "Royal William" der Quebec & Halifax Steam Navigation Company auf dem Nordatlantik erschien. Aber wie die "Savannah", so fuhr auch dieser Dampfer die Strecke größtenteils noch unter Segeln. Aber mit sieben zahlenden Passagieren an Bord, war dies die erste kommerzielle Atlantiküberquerung mit einem Dampfschiff. Die Weltmeere waren allerdings noch immer die Ägide der Segelschiffe, doch entlang der Küstenlinien und auf den Flüssen drängten sich die Dampfschiffe verstärkt in den Vordergrund.
1836 startete in Großbritannien die neue Reederei Peninsular Steam Navigation Company. Bei der Gründung hatte noch niemand die erstaunliche Geschichte im Blick, die diese Reederei noch hinlegen sollte. Jetzt eröffnete sie einen Liniendienst von London nach Spanien und Portugal. Und weil diese beiden Länder auf der iberischen Halbinsel liegen, gab sich die Reederei auch den engl. Namen für Halbinsel: Peninsular.
In Frankreich formierte sich indes die Compagnie des Messageries Maritimes (MM), die damals mit diversen Mittelmeer-Diensten begann. Hauptverbindung war die Linie zu den neuen franz. Territorien in Nordafrika. Später wurde das gesamte Mittelmeer mit Frankreich verbunden. Ebenfalls im Mittelmeer operierte von 1836 an der Österreichische Lloyd (Lloyd Austriaco) mit Heimathafen Triest. Wie die MM, würde auch der Lloyd eine beeindruckende Geschichte aufzeigen.
Unterdessen arbeiteten 1837 in Großbritannien gleich drei Reedereien daran, einen dauerhaften Transatlantikdienst von Großbritannien nach New York zu etablieren, der noch dazu vollständig unter Dampf erfolgen sollte. Die in London beheimatete British & American Steam Navigation Company (B&A) hatte eigens dazu den Seitenraddampfer "British Queen" (1.862 BRT) bei der Werft Curling & Young aus London in Auftrag gegeben. Die Great Western Railway (GWR) hatte zum gleichen Zweck die Great Western Steamship Company (GW) gebildet, die von Bristol aus New York ansteuern sollte. Für diesen Dienst hatte man die "Great Western" (1.340 BRT) bei der Werft von William Patterson in Bristol in Auftrag gegeben, die von dem genialen Ingenieur Isambard K. Brunel konstruiert worden war, der für die GWR unter anderen bereits mehrere eiserne Eisenbahnbrücken gebaut hatte. Dritter Bewerber war die Transatlantic Steamship Company, die von Liverpool aus operieren wollte. Sie hatte mit der "Liverpool" (1.150 BRT) den ersten Dampfer mit zwei Schornsteinen in Bau gegeben.
Wie bei der "British Queen", handelte es sich auch bei "Great Western" und "Liverpool" um Seitenraddampfer.
1838 sollten alle drei Dampfer den Nordatlantikdienst eröffnen, allerdings verzögerte sich die Fertigstellung der "British Queen", weswegen die B&A kurzerhand den kleinen Seitenraddampfer "Sirius" (703 BRT) charterte. Man wollte sich die werbewirksame Wirkung der ersten vollständigen Atlantikquerung unter Dampf nicht entgehen lassen. Am 4. April 1838 legte die "Sirius" in Richtung New York ab, um am 22. April am Ziel anzukommen. Die "Sirius" war der erste Dampfer, der den Atlantik ausschließlich mit Dampfkraft überquert hatte. Man musste dafür sogar große Teile der Inneneinrichtung verfeuern. Nur wenige Stunden später erreichte auch die "Great Western" New York. Und da die "Great Western" einige Tage nach der "Sirius" losgefahren war, war sie auch die Schnellere gewesen. Die Überfahrt der "Great Western" hatte 15 Tage und 12 Stunden gedauert, was einem Mittel von 8,66 Knoten entsprach. Sie gilt als die erste Inhaberin des sogenannten Blauen Bandes. Der Trophäe für das Schiff mit der schnellsten Transatlantiküberfahrt. Im Herbst desselben Jahres nahm auch die "Liverpool" der Transatlantic S.S. Co. den Dienst auf und 1839 konnte auch die B&A mit ihrer "British Queen" den regulären Liniendienst endlich aufnehmen.
Die Übersee-Passagierdienste mit Dampfschiffen waren eröffnet. Wenn vorerst auch nur auf der Transatlantikroute zwischen Europa und Nordamerika.
Zeitgleich plante im brit. Kanada der Geschäftsmann Samuel Cunard die Einrichtung einer eigenen Dampferlinie. Es gelang ihm die brit. Admiralität zu überzeugen, und mit Postsubventionen versehen, gründete er 1840 die British & North American Royal Mail Steam Packet Company, die als Cunard Line weltweite Bekanntheit erlangen sollte, und auch heute noch existiert. Cunard und seine Partner gaben auch gleich ein Quartett von Seitenraddampfern bei mehreren schottischen Werften in Auftrag, die als "Britannia", "Acadia", "Caledonia" und "Columbia" (je 1.175 BRT) in Dienst gehen sollten. Die "Britannia" und die "Columbia" stellten dann auch neue Rekorde auf, und verkürzten die Überfahrt auf 14 Tage und 8 Stunden, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 Knoten entsprach. Namenstradition der Cunard Line war, dass alle Schiffsnamen meist auf "…ia" endeten. Die Schornsteine waren rot und wiesen drei schmale schwarze Ringe auf sowie eine schwarze Kappe, was sich bis heute nicht geändert hat.
Mit der weiteren Zunahme des Schiffsverkehrs mit Dampfschiffen, geschahen unterdessen auch die unvermeidlichen Schiffskatastrophen. 1841 blieb der Raddampfer "President" (2.366 BRT), das zweite Schiff der B&A mit 136 Passagieren an Bord verschollen. Die Passagiere verloren das Vertrauen in die Reederei und die B&A ging in Konkurs. Im Jahr zuvor hatte bereits die Transatlantic S.S. Co. aufgegeben. Die "President" war der erste Dampfer, der auf dem Nordatlantik gesunken war. Auch die Cunard Line hatte einen frühen Verlust zu beklagen, die "Columbia" strandete bei Kap Sable (Nova Scotia, Kanada). Menschen kamen dabei nicht ums Leben, und der gute Ruf der Cunard Line blieb unangetastet.
Die Reederei expandierte unterdessen schnell weiter. 1843/45 stellte sie die Schwesterschiffe "Hibernia" und "Cambria" (je 1.422 BRT) in Dienst. 1848 folgte dann das Quartett "America", "Canada", "Niagara" und "Europa" (je 1.834 BRT). 1850 dann die Schwestern "Asia" und "Africa" (2.226 BRT) und 1853 die "Arabia" (2.402 BRT). Viele dieser Schiffe stellten neue Rekorde auf und verkürzten die Reisedauer von Liverpool zur nordamerikanischen Ostküste auf 10 Tage und 8 Stunden. Cunard beherrschte den Nordatlantikverkehr.
An Konkurrenz war mittlerweile nur noch die Great Western S.S. Co. mit ihrer "Great Western" aktiv. Die GW musste aktiv werden, wenn sie nicht völlig in das Hintertreffen geraten wollte. So gab die GW mit der "Great Britain" (3.270 BRT) eine Antwort in Auftrag. Wieder von Brunel konstruiert, wurde die "Great Britain" ein epochales Schiff. Sie war der erste Überseedampfer mit eisernen Rumpf sowie Schraubenantrieb. Noch dazu war sie das bis dahin größte Passagierschiff der Welt. Ein revolutionäres Design. Doch leider zu langsam, um den Cunard-Schiffen das Blaue Band abjagen zu können. Die Great Western S.S. Co. gab schließlich auf.
Die "Great Britain" kann heute in ihren Heimathafen Bristol als Museumsschiff besichtig werden.
Aber auch auf den anderen Weltmeeren erschienen inzwischen verstärkt neue Raddampfer. 1845 bekam die Peninsular S.N.Co. den Kontrakt für eine Verbindung zur wichtigsten engl. Kolonie nach Indien (British Raj). Um das neuen Fahrtgebiet auch im Namen anzuzeigen, änderte die Reederei ihren Namen in Peninsular & Oriental Steam Navigation Company; kurz P&O. Sie sollte bald zur größten Reederei der Welt avancieren. Neben den Diensten zur iberischen Halbinsel, richtete die P&O eine Verbindung nach Port Said in Ägypten ein. Über Land wurden die Passagiere dann nach Suez verbracht, von wo aus sie von weiteren P&O-Dampfern nach Indien transportiert worden. Eine weitere Route verlief über das Kap der Guten Hoffnung nach Indien. Hier waren besonders große Dampfer im Einsatz, wie die 1854 in Dienst gestellte "Himalaya", die mit 3.438 BRT vermessen war, und bei Indienststellung das größte Schiff der Welt war. Allerdings schon ein Jahr später an die Royal Navy verkauft wurde, die dringend Transporter für den Krimkrieg benötigte. Für die Bedürfnisse der P&O war das Schiff aber ohnehin zu groß gewesen. Einheiten von rund 2.000 BRT waren wesentlich wirtschaftlicher.
Von Großbritannien aus, startete 1841 die Royal Mail Steam Packet Company (Royal Mail Line) mit ihren Liniendiensten in die Karibik und nach Mittelamerika. Kurz darauf verlängerte sie 1850 ihre Dienste bis in die La Plata-Region. Traditionell waren alle Royal-Mail-Liner nach Flüssen benannt, die nicht unbedingt dem Fahrtgebiet entsprechen mussten. Den Anfang machte eine Serie von zwölf Seitenraddampfern von rund 1.800 BRT, die zwischen 1841/42 alle in Dienst gingen und nach englischen Flüssen benannt waren. 1847 übernahm die Royal Mail sogar die "Great Western" und betrieb sie bis zu ihren Abbruch 1856 weiter.
Bereits seit 1840 operierte entlang der Westküste Südamerikas die von William Wheelwright und George Peacock gegründete Pacific Steam Navigation Company. Ab 1868 verband die PSNC auch Großbritannien direkt mit Chile, Peru und Ecuador, wobei die Route um Kap Hoorn führte, aber auch die La Plata-Häfen wurden unterwegs angelaufen. Royal Mail und die PSNC unterhielten stets große Flotten in Dienst.
1850 startete die Liverpooler Bibby-Familie, die bereits seit 1805 mit Segelschiffen arbeitete, ihre Frachtlinien zum Mittelmeer mit Dampfschiffen. Die Masse ihrer Frachter bestellte die Reederei bei der 1851 gegründeten weltberühmten Werft von Harland & Wolff im nordirischen Belfast. Zur gleichen Zeit gründete In den USA William Aspinwall 1848 die Pacific Mail Steamship Company (PMSSCo), die von der Ostküste Panamas aus Liniendienste nach San Francisco mit Dampfern anbot. Später erweiterte die Reederei ihr Routennetz um die Transpazifikdienste nach Japan, China sowie Australien und Neuseeland.
Ein Jahr zuvor hatte sich in Deutschland die Hamburg-Amerika-Packetfahrt-AG (HAPAG; auch Hamburg-Amerika Linie; HAL) formiert, die Hamburg mit New York verband. Zuerst nur mit Segelschiffen, begann sie ab 1854 auch mit Dampfern die Liniendienste zu versehen. Die Schwestern "Hammonia" und "Borussia" (je 2.259 BRT) brauchten sich vor der Konkurrenz nicht zu verstecken. Allerdings waren sie auch von der schottischen Werft Caird & Co. aus Greenock gebaut worden, die in der Folgezeit die Mehrzahl der Hapag-Schiffe bauen sollte. 1857 nahm mit dem Bremer Norddeutschen Lloyd (NDL) eine weitere deutsche Reederei den Atlantikdienst auf, wofür sie gleich vier Dampfer in Dienst stellte. Nämlich die Schiffe "Bremen", "Newyork", "Hudson" und die "Weser". Die ersten beiden waren mit 2.674 BRT vermessen, und die beiden letzteren mit 2.266 BRT. Zwischen Hapag und Lloyd sollte es zu einer tiefen Rivalität kommen.
Zwischen 1861/69 stellte der Lloyd mit den neun Schiffen der Hansa-Klasse (2.992 BRT; Hansa, America, Hermann, Deutschland, Union, eine zweite Weser, Rhein, Main und Donau) die bis dahin größte Serie von Passagierschiffen in Dienst.
Vom schottischen Glasgow aus nahmen unterdessen ab 1850 die Anchor Line und 1854 die Allan Line (offiziell Montreal Ocean S.S. Co.) ihre Liniendienste nach Kanada auf. Beide Reedereien sollten zu wichtigen Transatlantikreedereien im Kanada-Geschäft werden. Wie bei der Cunard Line endeten die Namen der Anchor-Schiffe alle auf "…ia", während die die Allan Line auf "…ian" bzw. "…ean" endeten.
1856 formierte sich die British-India Steam Navigation Company (BI), die von Indien aus, Afrika und Ostasien verband. Ab 1862 nahmen BI-Schiffe auch Verbindungen von Großbritannien aus nach Indien auf. Die Firma sollte sich im Indischen Ozean zur führenden Reederei entwickeln, wobei sie mit der P&O in Konkurrenz geriet.
Die franz. Messageries Maritimes weitete unterdessen auch ihre Liniendienste aus. Ab 1860 liefen die MM-Schiffe die La Plata-Häfen an. 1862 folgten die ersten Dienste nach Indochina. 1869 wurde der neueröffnete Suezkanal in das Liniennetz eingefügt und von Saigon aus Dienste nach Australien sowie China und Japan angeboten. Hier geriet die Reederei wie die British-India auch in Konkurrenz zur mächtigen P&O Line, die praktisch ohne Unterbrechung stetig Neubauten in Dienst nahm.
Ein weiteres Fahrtgebiet in dem sich zahlreiche britische Reedereien zu tummeln begannen, war Afrika. 1852 nahm die African Steamship Company den Liniendienst nach Westafrika auf. Ihr folgte 1862 die von John Dempster und Alexander Elder ins Leben gerufene British & African Steam Navigation Company Ltd. Zur wichtigen Kapkolonie fuhr ab 1862 die bereits 1857 gegründete Union Steamship Company Ltd., der in Form der von Donald Currie 1862 gegründeten Castle Mail Packet Company Ltd. ernste Konkurrenz erwuchs. Das fehlende Steam zeigt schon an, dass diese Reederei zu Beginn eine reine Segelschifflinie war. Erst 1872 stellte die Castle Line mit den Schwestern "Windsor Castle" und "Edinburgh Castle" (2.678 BRT) ihre ersten Dampfschiffe in Dienst. Alle Schiffe der Castle Line wurden traditionell nach Schlössern benannt. Zu Beginn nur nach britischen, später dann auch nach südafrikanischen.
Auf der Nordatlantikroute wurde unterdessen die Luft für die Cunard Line dünner. In Form der bereits erwähnten Reedereien Anchor Line und Allan Line erwuchs dem Marktführer Konkurrenz auf der Kanada-Route. Auf der prestigeträchtigen New York-Route musste sich Cunard ab 1850 der Liverpool, New York & Philadelphia Steamship Company erwehren, die nach ihren Firmengründer William Inman, einfach Inman Line genannt wurde. Die Inman-Schiffe waren leicht an ihren Namen zu erkennen, die stets mit dem Suffix "City of …" begannen, gefolgt von einem Städtenamen. Charakteristisch war auch, dass alle Inman-Schiffe einen Klipperbug wie Segelschiffe besaßen, was die Inman-Schiffe gerade in der Spätphase etwas anachronistisch aussehen ließ. Zukunftsorientiert waren alle Inman-Schiffe von Anfang an Schraubendampfer, während alle Cunard-Schiffe noch immer Seitenraddampfer waren.
Anders als Cunard, konnte Inman zu Beginn nicht auf Postsubventionen hoffen, weswegen er sich eine andere Einnahmequelle erschließen musste. Sein Blick fiel auf die Auswanderer, die bis dahin eine Ägide der Segelschiffe gewesen waren. Für Inman zahlte sich diese Strategie aus, denn die Inman Line wuchs schnell. Hatte allerdings auch einige frühen Schiffsverluste zu beklagen. So war unter anderem das erste Schiff der Reederei, die "City of Glasgow" (1850; 1.610 BRT), mit 480 Menschen an Bord auf dem Atlantik verschollen. Ihr Schicksal ist bis heute nicht geklärt.
An Geschwindigkeitsrekorden war Inman vorerst nicht interessiert, aber 1848 griffen die US-Amerikaner in Form der New York & Liverpool United States Mail Steamship Company in das Geschehen ein. Nach ihren Firmengründer Edward Collins, wurde diese Reederei auch schlicht Collins Line genannt. Von Seiten des US-Kongresses wurde die Reederei mit umfangreichen Subventionen in Millionenhöhe versehen, die es Collins erlaubten, besonders große und schnelle Schiffe bauen zu lassen. 1850 stellte die Reederei gleich vier Raddampfer in Dienst: "Baltic", "Pacific", "Atlantic" und "Arctic" (je 2.856 BRT). Das neue an den Collins-Dampfern war, dass sie keinen Klipperbug mehr hatten wie Segelschiffe, sondern einen geraden, senkrechten Bug (Bilgenbug), wie er in Zukunft für alle Dampfer noch stilprägend werden würde.
Die "Pacific" erfüllte dann auch gleich die Erwartungen und eroberte das Blaue Band. Die Schwestern "Baltic" und "Arctic" stellten weitere Rekorde auf. Die Collins-Dampfer verkürzten die Überfahrt erstmals auf unter zehn Tage. Genauer: 9 Tage, 17 Stunden und 15 Minuten, was einem Mittel von 13,03 Knoten entsprach. Die Geschäfte liefen für Collins zwar gut, aber ohne die Subventionen kaum wirtschaftlich. Der Unterhalt der vier schnellen Schiffe war enorm.1854 ereilte ihn eine katastrophale persönliche wie wirtschaftliche Tragödie. Die "Arctic" kollidierte bei Nebel nahe Kap Race mit dem kleinen französischen Dampfer "Vesta" und sank. Dabei fanden 351 Menschen den Tod, darunter seine Ehefrau und seine beiden Kinder. 1856 blieb dann auch die "Pacific" mit 286 Menschen an Bord auf dem Atlantik verschollen. Der US-Kongress strich die Subventionen und die Collins Line ging 1858 in Konkurs. Die mit 4.145 BRT vermessene "Adreatic" konnte die Dinge nicht zum Besseren wenden. Sie und die beiden anderen verbliebenen Dampfer wurden verkauft und zu Segelschiffen umgebaut.
Eine weitere eher glücklose US-Gründung war die ebenfalls 1850 ins Leben gerufene New York & Le Havre Steam Navigation Company. Sie startete mit den beiden Raddampfern "Franklin" und "Humboldt" (je 2.184 BRT), die aber bereits 1854 bzw. 1853 verloren gingen. Danach machte sie noch mit den beiden neuen Dampfern "Arago" und "Fulton" (je 2.307 BRT) mehr schlecht als recht weiter, bis die Gesellschaft 1867 aufgeben musste. Kurzlebig war auch die United States Mail Steamship Company. Mehr Elan besaß hingegen die vom Eisenbahnkönig Cornelius Vanderbilt ins Leben gerufene gleichnamige Vanderbilt Line, die immerhin bis zum US-Bürgerkrieg arbeitete.
Den US-Amerikanern fehlte zu Beginn einfach das nötige Glück, was sich noch bei weiteren Reedereien zeigen sollte. Man befand sich einfach am falschen Ende der Liniennetze, denn die Auswanderer wollten ja nach Amerika, wodurch die Europäer im Umkehrschluss die günstigere Ausgangsposition innehatten.
Cunard hatte indes die vergangenen Jahre von der Seitenlinie aus zusehen müssen, aber 1856 holte der Seitenraddampfer "Persia" (3.300 BRT) das Blaue Band endlich zur Cunard Line zurück. Die "Persia" benötigte für die Transatlantiküberquerung 8 Tage, 23 Stunden und 19 Minuten. 1863 unterbot ein weiterer Cunard-Liner, der Seitenraddampfer "Scotia" (3.871 BRT), den Persia-Rekord, wobei sie die Überfahrt auf 8 Tage und 9 Stunden verkürzte. Die "Scotia" war gleichzeitig der letzte Seitenraddampfer als Rekordhalter auf der Nordatlantikroute.
Teil 2: Die "Great Eastern" – Ein Riese unter Zwergen:
Isambard K. Brunel hatte sich mit der überaus gelungenen "Great Western" und der revolutionären "Great Britain" bereits einen Eintrag in die ewigen maritimen Analen gesichert. Doch der rastlose wie geniale Ingenieur hatte viel weitreichendere Pläne, deren Ergebnis alles in den Schatten stellen sollte, was es bis dahin gegeben hatte – und die nächsten 50 Jahre in der Seefahrt geben sollte.
Ursprünglich sollte das zu bauende Schiff nach Australien verkehren, daher auch der Namen "Great Eastern". Um die Tour um das Kap der Guten Hoffnung herum nach Australien ohne Zwischenbunkern zurücklegen zu können, benötigte das Schiff einen gewaltigen Stauraum für die zu bunkernde Kohle. Mit ein Grund für das gewaltige Größenwachstum. Noch dazu sollte es 4.000 Menschen an Bord nehmen können. Eine unglaubliche Zahl, denn das Passagieraufkommen nach Australien / Neuseeland konnte dies kaum abdecken. Das muss den Verantwortlichen noch während des Baus klargeworden sein, denn bald legten sie die Transatlantikroute nach New York als anversierte Linie fest. Nur hier bestand überhaupt die Aussicht genügend Passagiere für so ein großes Schiff zu finden.
Die "Great Eastern" war gewaltig. Bei einer Länge von 211 Metern erreichte sie eine Tonnage von 18.915 BRT mit der sie problemlos alle anderen zeitgenössischen Schiffe um ein Vielfaches überragte. Die größten Schiffe der Zeit erreichten gerade mal 3.000 BRT. Die Masse lag eher bei zwischen 1.000 und 2.000 BRT – oder noch weniger. Ihr Antrieb war nicht weniger ausgefallen, neben zwei riesigen Schaufelrädern von je 17 Metern Durchmesser, sorgte auch eine am Heck angebrachte Schiffsschraube von 7,30 Meter Durchmesser für eine projektierte Maximalgeschwindigkeit von 18 Knoten. Hinzu kamen fünf Schornsteine und sechs Masten mit umfangreicher Takelung. Die "Great Eastern" als Superlativ zu bezeichnen wird dem Schiff kaum gerecht. Aufgrund von Brunels Intentionen erhielt das Schiff erstmals einen doppelten Rumpf, wie man ihn heutzutage bestenfalls bei Tankern vorfindet, sowie eine Unterteilung in Zellen, die die wasserdichten Schotten späterer Jahrzehnte bereits vorweg nahmen
Doch trotz aller Großartigkeit, schien das Schiff von Pech verfolgt zu sein. Die Liste an zum Teil tödlichen Missgeschicken war daher lang. Schon der Stapellauf missglückte, weil das Schiff zu schwer für den Untergrund war. Der Bau und die zuletzt verzögerte Indienststellung trieb die Eigentümergesellschaft, die Eastern Steam Navigation Company, in den Bankrott. Nur die erste Firma, die von der "Great Eastern" beerdigt wurde.
Auch die Werft von John Scott Russell in London überstand dieses Desaster nicht.
Eine neue Gesellschaft, die Great Ship Company, trieb die Fertigstellung voran. Doch kam es zu weiteren Verzögerungen und Unglücksfällen, die schließlich auch an Brunel nicht spurlos vorbei gingen. Er verstarb 1859 an einem Herzinfarkt.
Zwischen 1860 und 1864 nahm sie dann endlich den kommerziellen Liniendienst zwischen England und New York auf. Doch war das Schiff von weiteren Zwischenfällen geplagt, und auch von den Passagieren her, bestand kein wirkliches Interesse nach so einem großen Schiff.
1865 wurde sie zu einem Kabelleger umgebaut. Endlich waren die enorme Größe und der damit verbundene große Stauraum von Nutzen. Von 1865 bis 1866 verlegte sie das über 4.000 Kilometer lange erste Transatlantische Seekabel. Auch zwischen Suez und Bombay (Mumbai) verlegte sie ein unterseeisches Kabel. Doch das Aufkommen von zweckgebauten Kabellegern bedeutete für die "Great Eastern" das Ende dieser glücklichen Zeit. In der Folge lag sie auf und wurde schließlich von 1889 bis 1890 abgewrackt.
Die "Great Eastern" war ein visionäres Schiff, doch ihrer Zeit um mindestens 50 Jahre voraus. In den 1860er Jahren bestand einfach kein Bedarf nach einem Schiff mit solchen Möglichkeiten. In der Länge sollte die "Great Eastern" daher erst 1899 von dem White Star-Liner "Oceanic" (17.274 BRT) übertroffen werden. Und in der Tonnage erst 1902 von einem weiteren White Star-Liner, der "Celtic", die mit 21.035 BRT vermessen war.
Quellen:
H.-J. Rook – Die Jagd ums Blaue Band
Duncan Haws - Merchant Fleets 1 - 48
Bechtermünz - Die großen Passagierschiffe
Arnold Kludas – Das Blaue Band des Nordatlantiks