Für viele Spieler war es früher schon ein Graus, wenn spannende Spiele, die grafisch oder inhaltlich zum Besten gehörten, das der Spielemarkt zu bieten hatte, für lange Zeit - oder sogar für immer - ausschließlich auf Konsolen erschienen. Nicht nur, dass man die Entscheidung treffen musste, ob man sich für nur dieses eine Spiel eine Konsole zulegen sollte (und wenn ja welche), auch die Frage, ob denn ein Spiel fehlerfrei war, konnten einen in den Wahnsinn treiben. Ich denke, auch hier im Forum dürfte es einige Leute geben, die sich mit diesen Fragen herumgeschlagen haben - und es heute noch tun, siehe dazu die jüngsten Beiträge zu "The Last of Us".
Eine ähnliche Frage ergab sich 2018, als mit dem EPIC Store ein selbsternannter Feind von Valve anfing namhafte Spieleentwickler "abzuwerben", indem man ihnen bessere Konditionen versprach, sofern sie denn einem ganz bestimmten Punkt in den Vertragsverhandlungen zustimmten: Der Exklusivität des Spiels für mindestens 12 Monate. Im Folgenden möchte ich kurz das Geschäftsmodell erläutern, das hinter der aggressiven Vorgehensweise des EPIC Stores steckt und die damit einhergehenden Konsequenzen für die "besten Menschen auf der Welt": Dem zahlenden Kunden.
Wer oder Was ist EPIC
Zunächst einmal, EPIC ist in erster Linie ein Unternehmen, das sich mit der Entwicklung von Software einen Namen gemacht hat. Die bekannte Unreal Engine stammt aus den Entwicklungsstudios von EPIC und dürfte den meisten hier bekannt sein. Sein Geld verdiente EPIC also nicht von Anfang an mit seinem Store, sondern mit dem Vertrieb von Lizenzen seiner Software. Des Weiteren ist EPIC der Entwickler des Spiels "Fortnite", das sich vor einigen Jahren größter Beliebtheit erfreute (und es offenbar noch immer tut) und das EPIC eine Unmenge an Geld in die Kassen gespült hat bzw. spült. Im Grunde ist EPIC also mit Valve durchaus vergleichbar - zumindest was das zur Verfügung stehende Kapital angeht.
Das Geschäftsmodel des EPIC Store
Für uns Spieler stellt der EPIC Store so etwas wie das Paradies dar, denn wie die allermeisten bestimmt wissen werden dort in aller Regelmäßigkeit neue Spiele verschenkt, zumeist am Tag der allgemeinen Veröffentlichung. Ein Beispiel dafür ist der neue TW-Titel, den sich einige Leute hier ja auch "unbedingt holen wollen". Die Frage die man sich stellen muss ist hier aber: Wieso gibt es das Spiel im EPIC Store umsonst und auf Steam nicht? Die Antwort darauf ist einfach: Den Entwicklern würden auf Steam Verluste entstehen, würden sie es dort verschenken, im EPIC Store bekommen sie hingegen Geld dafür.
Der Vertrag, den ein Entwickler mit dem EPIC Store abschließt, unterscheidet sich - abgesehen vom Aspekt der Exklusivität - in zwei wesentlichen Punkten von dem Vertrag, den Valve (Steam) anbietet. Zum einen erhält der Entwickler im EPIC Store 85% des Umsatzes (15% gehen an EPIC als Vertriebsplattform), bei Valve erhält der Entwickler nur 70% des Umsatzes (30% gehen an Valve). Dieser gravierende Unterschied allein wäre ein guter Grund sein Produkt in den EPIC Store zu verschieben, der zweite Grund ist aber noch sehr viel besser. Der EPIC Store stellt dem Entwickler eine garantierte Summe in Aussicht, sollte er sein Spiel für 12 Monate exklusiv im EPIC Store veröffentlichen. Diese Summe ist im Grunde nichts anderes als eine garantierte Anzahl Verkäufe, die durch den EPIC Store selbst getätigt werden. Das heißt, EPIC kauft eine definierte Anzahl an Lizenzen (Aktivierungscodes, wenn man so will) und der Entwickler erhält am Releasetag die entsprechende Summe auf sein Konto. Wie hoch die Anzahl der garantierten Verkäufe ist, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse bei EPIC, Statistiken, die durch Spieleentwickler aus rechtlichen Gründen veröffentlicht werden müssen (manche sind schließlich Aktiengesellschaften) legen aber den Schluss nahe, dass es sich bei manchen Spielen um mehrere 100.000 Kopien handeln muss.
Im Grunde passiert also Folgendes: Der EPIC Store kauft, nehmen wir mal Creative Assembly bzw. SEGA als aktuelles Beispiel, 300.000 Kopien des neuen Total War Titels. Die Entwickler erhalten dafür rund 15 Millionen Euro, EPIC erhält 300.000 Lizenzen, die sie am Tag der Veröffentlichung an Leute wie Euch verschenken. Die Strategie dahinter ist, dass mit solchen Aktionen Kunden in den EPIC Store gelockt werden, die dann hoffentlich neben den vielen Gratisspielen auch das eine oder andere kostenpflichtige Spiel kaufen. Gleichzeitig erhofft sich EPIC davon einen Kundenrückgang bei Valve (Steam), dem Branchenprimus und erklärten Feind des EPIC Stores. Die Frage, die sich an dieser Stelle stellt ist: Geht die Rechnung auf - und wenn ja, für wen - und wenn nein, für wen nicht?
Die Folgen des EPIC-Plans
In diesem Machtkampf gibt es keinen klaren Gewinner und keinen klaren Verlierer. Valve als Betreiber von Steam hat das Problem, dass viele namhafte Entwickler ihre Titel zuletzt - auch kurzfristig, und das heißt nur Tage vor dem geplanten Veröffentlichungstermin, in den EPIC Store ausgelagert haben, und das in Teilen für bis zu 12 Monaten. Der damit einhergehende Einnahmenverlust war und ist erheblich, denn gerade Titel wie "METRO Exodus", "Borderlands 3" oder der neue TW-Titel sind vorhersehbare Verkaufsschlager. Allerdings: Anstatt dem Entwickler zu EPIC zu folgen wartet scheinbar die große Mehrheit der Spieler lieber die 12 Monate ab, um das Spiel dann eben erst ein Jahr später zu deutlich geringeren Kosten zu kaufen. Für Valve werden so zwar die Verluste letztlich doch noch begrenzt (schließlich erzielen die meisten Spiele ihre größten Umsätze in einem Sale), es fehlen aber die Umsätze aus der Release-Woche. Und das merkt auch Valve. Außerdem, mit jedem Spiel, das dem Ruf des EPIC Stores folgt, steigt die Zahl der Spieler, die sich dann doch ein EPIC Konto anlegen, langfristig könnte der Plan von EPIC also aufgehen.
Bei EPIC sieht das Ergebnis vollkommen anders aus. Mit den garantierten Ankäufen von Lizenzen macht EPIC zunächst einen gigantischen Verlust, der sich aufgrund der geringeren Beteiligung an den regulären Verkäufen nicht ohne weiteres auffangen lässt. Wirtschaftlich stellt das für EPIC kein Problem dar, schließlich kommt das große Geld ohnehin aus anderen Quellen, allerdings hat sich gezeigt, dass die regulären Verkaufszahlen weit hinter den garantierten Ankäufen durch EPIC zurückbleiben. In anderen Worten, viele Spieler kaufen ihr Spiele eben doch bei Valve (zumindest jetzt noch), sobald dort ein angemessener Rabatt angeboten wird. Die Gründe dafür sind übrigens ganz interessant. Der EPIC Store bieten nur wenige der auf Steam bekannten Features, was den meisten Spielern bitter aufstößt. So fehlt unter anderem der auf Steam für jedes Spiel angelegte Community Hub, wo sich die Spieler austauschen oder technische Hilfe erfragen können. Das gipfelte in mehr als nur einem Fall darin, dass Leute ein Spiel über EPIC spielten, im betreffenden Community Hub auf Steam aber die Diskussionen dazu geführt wurden. Ein anderes Problem ist zudem, dass die Konten im EPIC Store nicht sicher sind, was unzählige Berichte belegen. Manchen Spielern wurde ein und das selbe Konto bis zu 5 Mal in einem Monat gestohlen (gehackt). Wieso EPIC hier nicht das Niveau von Steam erreicht ist nicht nur mir schleierhaft, schließlich ist die Kontosicherheit inzwischen in allen Bereichen des Lebens ein essenzielles Thema.
Für die Entwickler ist der Deal mit EPIC wohl am schwierigsten zu bewerten. Zum einen erhalten sie bei EPIC einen garantierten Umsatz, auf der anderen Seite werden sie nicht nur auf Steam massiv angefeindet. Letzteres hat übrigens dazu geführt, dass Entwickler auf Steam inzwischen die Möglichkeit haben Reviews aus den Bewertungen herausrechnen zu lassen, sollten diese sich nicht objektiv auf ein Spiel beziehen. Anlass dafür war der "Puputsturm" gegen Deep Silver, die bekanntlich die ersten waren, die mit ihrem spontan geschlossenen Vertrag mit EPIC die Spieler gegen sich aufbrachten (METRO EXODUS). Der damit verbundene Image-Schaden war enorm und dürfte Deep Silver auch zukünftig einige Probleme einbringen, denn wenn man sich die Hubs auf Steam ansieht, wird noch immer gegen dieses Unternehmen Stimmung gemacht. Und sie sind nicht die Einzigen, denen es so geht. Man muss daher hier feststellen, dass zumindest im Moment die Entscheidung "Geld" oder "Ansehen" heißt, wobei beide Optionen den Schlüssel zum Untergang in sich tragen können.
Abschließend die Frage: Was ist mit uns, den Spielern? Profitieren wir von Unternehmen wie EPIC? Die Antwort ist wohl auch hier "Ja" und "Nein". Denn während mancher dem Lockruf des kostenlosen Angebots folgt, sind andere eher (etwas) verstimmt über solche Vorgänge, wollen sie sich doch nicht vorschreiben lassen, wo sie ihre Spiele kaufen (die Frage, wieviele Launcher man sich installieren muss, ist bekanntlich auch hier im Forum ein wiederkehrendes Thema und zeigt eines der entscheiden Probleme auf). Beide Standpunkte bzw. Sichtweisen sind legitim, allerdings muss hier bedacht werden, was langfristig aus dem beschriebenen Konflikt resultieren könnte. Einerseits könnte es nämlich passieren, dass ganze Spieleserien bzw. Veröffentlichungen eines Entwicklers nur noch über einen Store vertrieben werden, eine Strategie die EPIC vor einigen Wochen als mögliche Option in den Raum gestellt hat, anderseits könnte es aber auch dazu führen, dass Spiele über Aktionen - wie jene im EPIC Store - grundsätzlich kostenlos sind, zumindest wenn man schnell genug ist und am entscheidenden Tag seinen Computer hochfahren kann. Beides hat nicht nur Vorteile.
Der Hoffnungsschimmer
Dass EPIC nicht der einzige Store ist, der Titel exklusiv vertreibt, ist hoffentlich bekannt. Andere Beispiele sind Google Stadia oder der Origin Store von EA. Letzterer hat, wie ich an anderer Stelle schon mal schrieb, neulich sein gesamtes Sortiment an Spielen in den Steam Shop übertragen. Zwar gibt es noch immer die Notwendigkeit sich den Origin Launcher zu installieren, aber immerhin kann man seinen Einkauf dort tätigen wo man es persönlich bevorzugt - verbunden mit allen Vor- und Nachteilen (Community Hub, Rabatte in einem Sale, etc.). Das ist grundsätzlich also ein guter Schritt, schließlich muss man davon ausgehen, dass ein regelrechter Krieg zwischen den Vertriebsplattformen zu einem Problem für uns Spieler werden kann, sollte eine dieser Plattform Konkurs gehen. In einem solchen Fall wären nämlich alle Spiele weg, und das wäre für manche von uns wohl eine größere Katastrophe, als ein Rohrbruch in der Abwasserleitung im Keller. Umso erfreulicher ist es da, dass selbst der unsägliche CEO von EPIC (Tim Sweeney - den Namen sollte man mal Googlen, und auch seine Tweets sind echte Offenbarungen) angekündigt hat, das Konzept der Exklusivität neu überdenken zu wollen. Sollte er seine jüngste Bekanntmachung ernst machen, und nicht wieder wie der Zwillingsbruder des Ronald Dumb auftreten und alles leugnen, sobald jemand nachhakt, könnte es schon bald wieder (fast) alle Spiele am selben Tag in allen Stores zu kaufen geben. Wir Spieler erhielten so unsere Mündigkeit zurück, sofern wir uns diese haben abnehmen lassen.
Meine persönliche Meinung
Für mich ist diese ganze Geschichte um die Exklusivität ein problematisches Thema. Einerseits verstehe ich, dass Entwickler ein wirtschaftliches Interesse daran haben am Tax X eine definierte Summe zu erhalten, und ich verstehe auch, dass der sogenannte "Cut" von 85-15 (EPIC) zu 70-30 (Valve) mehr Geld für die Entwickler bedeutet, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sich das langfristig zu unseren Gunsten auswirkt. Wie sich zeigt haben es manche Hersteller mit Exklusivvertrag nämlich nicht mehr sehr eilig, wenn es darum geht ihr fehlerhaftes Produkt nachzubessern (z.B. Phoenix Point), da es bei EPIC zwar inzwischen ein rudimentäres Bewertungssystem gibt, allerdings können die negativen Reviews dort sehr viel einfacher unterdrückt werden, als es beispielsweise bei Steam der Fall ist. Auch die Erstattungen sollen im EPIC Store wohl nicht so einfach sein, wie auf Steam. Es besteht also das Risiko, dass langfristig die Qualität der Spiele sinken könnte, sollte sich die derzeit angewandte Praktik dauerhaft etablieren. Es scheint daher durchaus sinnvoll zu sein, sofern man der Qualität eines Spiels den entscheidenden Stellenwert beimisst bzw. die Qualität als entscheidendes Kriterium für einen Kauf anwendet, sich auf die Spiele im Steam Store zu beschränken. Und sofern sich an den Umständen nichts ändert, werde ich auch genau das tun.
Übrigens: Ich habe hier irgendwo gelesen, dass man sich erhofft Valve könnte an seinem 70-30 Prinzip etwas ändern. DAS wird nicht geschehen. Valve hat bereits vor Monaten erklärt, dass der Betrieb des Steam Shops und der anderen Inhalte, die damit verbunden sind Kosten verursachen, die sich mit einem anderen Aufteilungsverhältnis nicht decken lassen. Ob das stimmt kann ich nicht beurteilen, daran zweifeln darf man aber wohl schon (allein der Community Markt ist eine Geldruckmaschine). Nichtsdestotrotz verstehe ich aber auch hier den Gedankengang: Solange man der Marktbeherrschende Anbieter ist, der dazu auch noch die größte, zuverlässigste und sicherste Plattform zur Verfügung stellt, und mit dem "Early Access" Programm gerade kleineren Studios eine existenzielle Option bietet, kann man es sich auch erlauben "kostendeckend" zu arbeiten. Die Schwierigkeiten bei EPIC Kunden dauerhaft an sich zu binden - und vor allem zu Käufen zu animieren - sprechen zudem ebenfalls für Steam. Langfristig wird die Marktbeherrschende Dominanz von Valve vermutlich aufgebrochen werden, aber ob Exklusivverträge da der richtige Weg sind, darf angemessen bezweifelt werden.
Eine letzte Bemerkung noch: Auf Steam wurde vor 1 1/2 Jahren die Gruppe "Fuck EPIC" gegründet. Die Administration der Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht regelmäßig über Entwicklungen zu diesem Thema zu berichten, wobei man sich nicht nur auf EPIC beschränkt. Inzwischen erscheint an jedem Freitag ein "News Roundup", in dem mal mehr mal weniger relevante Online Beiträge von Spielezeitschriften, Entwicklern und Vertriebsplattformen gesammelt und aufgearbeitet werden. Sofern man sich nicht dazu verleiten lässt die häufig wenig qualifizierten Kommentare der Gruppenmitglieder zu lesen, erhält man hier doch einen guten Überblick zu Entwicklungen zu diesem Thema - manchmal sogar bevor Bob sie hier im Forum kund tut oder Valve eine entsprechende News platziert. In jedem Fall aber erfährt man, welche Spiele für wie lange Exklusiv in einem anderen Store veröffentlich werden, bzw. wann sie auch auf Steam zu erwarten sind. Wer sich also regelmäßig zu diesem Thema informieren möchte, kann das dort tun.