Saudi Arabien

  • Ich wundere mich schon seit längerem über die jüngste Saudische Politik. Während das Königreich lange als verhältnismäßig moderat nach Außen hin auftrat, hat sich das im vergangenen Jahr spürbar geändert. Saudi Arabien engagiert sich plötzlich massiv direkt im Kampf gegen Iranische Verbündete in Arabien. Bisher tat man das eher indirekt. Saudi Arabien engagiert sich massiv im jemenitschen Bürgerkrieg und bekämpft dort die schiitischen Rebellen. Dieser Krieg verläuft bisher keineswegs erfolgreich für Saudi Arabien.


    Zudem ist irritierend, dass die Saudis nach außen hin sehr schlecht koordiniert vorgehen und eigentlich ständig diplomatisches Porzelan zerschlagen. So z.B. als sie einseitig eine muslimische Allianz gegen den Terror gründeten, und die beteiligten Staaten wie z.B. Pakistan oder Indonesien davon gar nichts wussten und eine Beteiligung nachträglich öffentlich abstritten. Im Grunde sehr peinlich für die Saudis und insbesondere für deren jungen Verteidigungsminister, der damit vor die Presse getreten war.


    Und nun die medienwirksame Hinrichtung von 47 Gefangenen, darunter einem schiitischen Geistlichen, die sowohl im Westen sehr schlecht ankommt, als auch die Schiiten weiter völlig unnötig provoziert. Die Reaktionen ließen auch nicht lange auf sich warten:


    Die saudische Botschaft in Teheran wurde erstürmt und in Brand gesetzt. Das Iranische Geistliche Oberhaupt Ajatollah Ali Khamenei droht: "Das zu Unrecht vergossene Blut dieses Märtyrers wird sehr bald Konsequenzen haben und die Hand Gottes wird Rache an der saudi-arabischen Führung nehmen" Die Fragen über die Saudis und die Kritik am "Bündnis" mit Saudi Arabien nehmen auch im Westen stark zu.


    Zudem wird bekannt, dass die Saudis langsam aber sicher finanzielle Probleme bekommen. In diesem Jahr betrug das Staatsdefizit bereits 90 Milliarden Euro. Trotzdem halten sie an der Strategie des niedrigen Ölpreises fest, um die Konkurrenten v.a. in den USA (Fracking) und Russland in die Pleite zu treiben. Erfolgsaussichten langfristig ungewiss. Indes warnt der IWF, dass bei gleichbleibender Entwicklung Saudi Arabien ohne Reformen in fünf Jahren seine Devisenreserven aufgebraucht haben könnte. Dabei ist nach wie vor völlig unbekannt, wie teuer der Krieg im Jemen für Saudi Arabien aktuell ist. Aber eins ist klar, Saudi Arabien muss Geld sparen und das Königshaus könnte in einer ohnehin schwierigen Situation langfristig dazu gedrängt sein, auch Sozialausgaben usw. zurückzufahren, was die Beliebtheit des Königshauses weiter untergraben würde.


    Warum das Ganze? Warum scheint Saudi Arabien plötzlich einen so riskanten und kurzsichtigen Kurs zu fahren, wo es doch bisher als relativ verlässlicher internationaler Partner galt, der vor allem seine Stabilität durch Reichtum und dessen Verteilung erkaufte? Mich wunderte das Ganze wirklich ziemlich, bis ich Folgendes auf Wikipedia lesen konnte, was aus meiner Sicht eine Erklärung liefern könnte, die ich so in den Medien noch nicht gelesen habe.


    Seit dem 23. Januar 2015 ist Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud König von Saudi Arabien. Er regierte das Land faktisch auch schon zu Zeiten des vorherigen Königs als Kronprinz, weil sein Bruder der König, offenbar nicht mehr dienstfähig war. Er selbst ist 79 Jahre alt und gehört angeblich zum gemäßigt konservativen Flügel des Königshauses, was der jetzigen Politik eigentlich widerspricht. Interessant ist nun, dass unter Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud kurz nach seiner Thronbesteigung die Erbreihenfolge geändert wurde. Eigentlich sollte auf ihn zukünftig sein jüngerer Halbbruder Muqrin ibn Abd al-Aziz folgen. Dieser wurde jedoch am 29. April 2015 durch seinen Neffen, Innenminister Mohammed ibn Naif ersetzt. In der Welt ist dazu zu lesen:

    Zitat

    "Dies ist ein politisches Erdbeben größten Ausmaßes", sagte Khalil Jahshan, Direktor des Arab Centre of Washington dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira. "Das Saudi-Arabien, was wir vor ein paar Stunden kannten, gibt es nicht mehr." Auch der Korrespondent des Senders sprach von einem bedeutsamen Wechsel.

    Quelle: Welt.de


    Zusätzlich, und das scheint mir die wichtigste Information, ernannte der neue König seinen eigenen damals 29-jährigen Sohn Mohammed ibn Salman zum jüngsten Verteidigungsminister der Welt und Vize-Kronprinzen. Also zur Nummer 2 in der Thronfolge. Und nun steht dazu auf Wikipedia Folgendes:

    Zitat

    Ob König Salman überhaupt amtsfähig ist, daran bestand seit seiner Ernennung Zweifel, denn er litt unter den Folgen eines Schlaganfalls, möglicherweise auch unter beginnender Alzheimer-Erkrankung.[17][18][19] König Salman ernannte als erste Amtshandlung seinen damals 29-Jährigen Sohn Mohammed ibn Salman zum neuen Verteidigungsminister, dem wichtigsten Posten zur Absicherung der Königsmacht sowie zum Chef des Hofes, womit der Sohn den Zugang zum König kontrolliert.


    Am 6. Oktober 2015 wurde König Salman auf die Intensivstation des King Faisal Specialist Hospitals in Riad eingeliefert.[20][21]

    Quelle: Wikipedia.de Das heißt doch nichts anders, als dass der aktuelle Saudische König seinen eigenen 29-jährigen Sohn in eine ganz entscheidende Position für die Nachfolge versetzt hat. Wenn der Sohn den Zugang zum König kontrolliert und die Armee unter seinem Befehl hat, der König selbst aber unter Demenz leidet, dann kontrolliert doch faktisch der 29-jährige Sohn, der nun als Zweiter in der Thronfolge steht, zur Zeit das Land. Wer ist nun dieser Sohn?


    Zitat

    Laut der Zeit galt Mohammed vor seiner Ernennung „als extrem korrupt, raffgierig und arrogant. Niemand in den politischen oder diplomatischen Kreisen Saudi-Arabiens [wusste] irgendetwas Positives über den neuen starken Mann in der Regierung zu sagen.“[1] Am 29. April 2015 ist Mohammed ibn Salman nach Mohammed ibn Naif, einem Neffen des Königs, zum Vize-Kronprinzen bestimmt worden.[2]

    Quelle: Wikipedia.de


    Zitat

    Doch genau dieses Bild ist längst überholt. Denn wer aufmerksam hinsieht, wird auf den Fernsehbildern hinter Salman einen jungen Mann entdecken. Auf den kommt es an, er hält die Strippen in der Hand. Auf ihn setzt der König für die Zukunft. Der Mann ist dreißig Jahre alt, Salmans Sohn, und heißt Mohammed bin Salman al-Saud. Mit ihm ist in die saudische Außenpolitik eine ungestüme Unberechenbarkeit eingezogen, die dem Westen viel mehr Kopfschmerzen bereiten könnte als die altbekannte Gerontokratie.


    Mohammed bin Salman, kurz auch MbS genannt, gehört zu den jungen Männern der Königsdynastie, die in einem Luxusambiente aufgewachsen sind und in ihrem Leben kaum je an Grenzen gestoßen sind. Sein Vater ist die letzte Schranke. Als Salman im vergangenen Jahr König wurde, hat er einen weichen Putsch gegen jenen Mann inszeniert, der ihm eigentlich nachfolgen sollte. Eigentlich sollte eines Tages Prinz Mukrin König nach Salman werden, so hatte es wiederum Salmans Vorgänger Abdallah festgelegt. Salman aber revolutionierte die Thronfolge, feuerte im Frühling 2015 Mukrin, setzte Mohammed bin Nayef als Kronprinz und seinen Sohn Mohammed bin Salman als dessen Stellvertreter ein. MbS agiert jetzt schon als Statthalter des Königs.

    Quelle Zeit.de


    Offenbar haben wir es in Saudi Arabien also nun mit einem 30-jährigen Defacto-Anführer unter einem greisen König zu tun. Über diesen jungen Nachfolger kursieren zur Zeit keine guten Gerüchte. Er sei verwöhnt und unbeherrscht. Seine erste Amtshandlung als Verteidigungsminister war jedenfalls die Operation: "Sturm der Entschlossenheit", mit der die bis dato andauernde Militärintervention Saudi Arabiens im Jemen begann. Wie sehr der Jemen dadurch zerstört wurde, kann man in einem anderen Thread nachlesen.


    Fazit:
    Die Politik des saudischen Königreiches scheint sich unter dem 30-jährigen Defacto-Anführer deutlich zu wandeln. Offenbar sucht er die offene Auseinandersetzung mit der Schiitischen Schutzmacht Iran. Das könnte Saudi Arabien und den gesamten Nahen Osten in einen Religionskrieg zwischen Schiiten und Sunniten führen. Es könnte aber auch der Anfang vom Ende der Saudischen Königsherrschaft sein, wenn Saudi Arabien seine Mittel und Möglichkeiten überschätzt.


    P.S.
    Weitere Reaktionen auf die Hinrichtung des des schiitischen Predigers Nimr al-Nimr:

    Zitat

    Scharfe Reaktionen auf die Hinrichtung Nimrs kamen unter anderem vom iranischen Außenministerium, das Saudi-Arabien vorwarf, Terroristen und sunnitische Extremisten zu unterstützen. Der einflussreiche iranische Ajatollah Ahmad Khatami sagte, "das Verbrechen" an Nimr werde dazu führen, dass die sunnitische Herrscherfamilie Saud aus den Geschichtsbüchern ausgelöscht werde. Der Führer der schiitischen irakischen Badr-Miliz, Kassim al-Aradschi, sagte dem TV-Sender al-Sumaria, das Verbrechen an Scheich Nimr habe "das Tor zur Hölle" geöffnet. Die schiitische Hisbollah-Miliz aus dem Libanon sprach von einem schweren Fehler, den die Regierung in Riad mit der "Ermordung" Nimrs gemacht habe. Der frühere irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki sagte den Sturz der Regierung in Saudi-Arabien wegen der Hinrichtung Nimrs voraus.

    Quelle: ZEIT.de

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