Weil ich hier meine Brötchen verdiene. Das Kollegium sehr angenehm ist. Die Landschaft wunderschön ist. Und 2/3 der Leute noch normal ticken. Ändert aber nichts an den anderen 30%. Nur deswegen ziehe ich noch nicht weg. Sollte die AfD allerdings irgendwann hier dauerhaft die Mehrheit stellen, wird das dann doch in Betracht kommen müssen. Ich hoffe, dass dieser Kelch an mir vorüber geht. Aber wenn alle „vernünftigen“ abhauen, dann gibt man die Region im Grunde auf und überlässt sie vollständig den rechten Rattenfängern.
Ist Leipzig repräsentativ? (Sieht deine eigene Signatur.) Ich spreche eher vom ländlichen Raum und da gibt es schon eine Menge was mir auffällt. Zu den (über) 30% :
Angefangen mit dem latent vorhandenen und sehr verbreiteten Alkoholmissbrauch und dem allgemein lockeren Umgang mit Drogen und Rauschmitteln. Einhergehend mit Langzeitarbeitslosigkeit (bis vor einigen Jahren) oder Niedriglohnjobs. Wie gesagt, eine große Anzahl der Intelligenten wandern Jahr für Jahr dorthin ab, wo man Geld verdienen kann. Die kommen meistens nur noch zu Weihnachten wieder. Diejenigen, die hier bleiben, sind dann nicht immer die hellsten Kerzen auf der Torte. Ist natürlich Berufsfeld abhängig. Diesbezüglich hat sich die Situation auch deutlich gebessert. Trotzdem ist es zu spüren. Die Glatzen aus den 1990ern sind jedenfalls nie verschwunden. Die Glatzen von damals sind dann die Eltern von heute.
Schaut man sich hier die verbreitete Optik vieler Männer (und Frauen) an, dann fallen mir direkt spürbare Unterschiede zu westlichen Regionen auf. Bspw. die sehr stark verbreiteten Milimeterhaarschnitte, GI-Köpfe und Glatzen. Auf den Autos die Freiwild-Aufkleber und auf den Armen die Tatoos, nicht selten mit Eisernem Kreuz, Adler oder sonst irgendeinem Kram. Sieht man hier jeden Tag. Gerne auch mal die Schwarz-Weiß-Rote Fahne im Vorgarten. Vor einigen Jahren donnerte von einer Gartenparty über Lautsprecher weithin hörbar: „SA marschiert.“ Steht sonst alles in der Zeitung, davon konnte man nichts lesen. Diese Leute triffst du dann u.a. in den Handwerksbetrieben der Region, deren Firmenschild dann gerne in Fraktur-Schrift geschrieben ist. Gehst du spazieren oder wandern und triffst auf die „Hundebesitzer“ triffst du in 90% der Fälle keinen Labrador Retriever, Pudel, Dackel oder Beagel, sondern fast immer eher Pitbull, Bullterrier, Bulldogge oder Dogge. Herrchen dann gerne dickbäuchig mit Bierdose in der Hand. Hund freilaufend. Ich sage mal, das ist kein Zufall. Dient erkennbar der Einschüchterung. Man macht gerne den „starken Max“.
Wärest du in NRW oder RLP bei jeder Party mit rechten Nazi-Sprüchen rausgeflogen, nicht mehr eingeladen worden usw., hätte man dort den Betrieb gemieden und denjenigen auf keine Hochzeit mehr eingeladen, herrscht hier eher die Einstellung: „Lass uns heute nicht über Politik reden, da kommen wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Prösterchen.“
Und wie oft ich schon Siebtklässlern erklären musste, dass „du (Diffamierung) Jude“ als Beschimpfung überhaupt gar nicht geht und strafbar ist, kann ich gar nicht mehr an beiden Händen abzählen.
Wie gesagt, 60% der Bevölkerung ticken Gott sei Dank nicht so. Die sind normal und lehnen das auch ab. Aber diese 30% triffst du trotzdem im Alltag immer wieder und musst irgendwie mit ihnen umgehen. Sei es im Beruf, im Betrieb, beim Bäcker oder in der Nachbarschaft.
Und das ist sehr wohl anders als im Westen. Das kenne ich so aus dem Westen überhaupt nicht.