Bezüglich der militärischen Lage an der Front:
Ja, die ukrainischen Truppen dort sind gerade in einer recht schwierigen Situation, es kann durchaus sein, dass sie dort einiges an Land verlieren und eventuell einzelne Einheiten eingekesselt werden.
Aber man muss es im Kontext sehen. Der eigentliche russische Plan für den Donbass war deutlich ambitionierter, ist aber gescheitert, das was sie jetzt machen ist gewissermaßen eine Minimalvariante.

Zur Veranschaulichung eine grobe Karte:
Die linke Linie ist das, was internationale Beobachter befürchtet haben, als Russland Ende März begann, seine Truppen in den Donbass zu verlegen.
Die mittlere Linie ist ungefähr (habe das unter Ende glaube ich etwas zu weit links angesetzt) der Kessel, den Russland dann ab Mitte April zu bilden versuchte, und am 9. Mai abgeschlossen haben wollte.
Der Vorstoß ist gescheitert.
Die rechte Linie stellt dann den potenziellen Kessel dar, den Russland jetzt zu bilden versucht.
Nicht gut für die Ukraine, aber auch nicht für Russland, wenn die Kapazitäten der russischen Armee weiter so schrumpfen, wird sie ziemliche Probleme bekommen, sobald mehr ukrainische Reservisten und westliche Waffen die Front erreichen.
Und bezüglich der russischen Kapazitäten gibt es auch interessante Nachrichten aus Russland.
Die Verfügbarkeit von (Berufs-)Soldaten:
Die Duma will das Alterslimit für neue Berufssoldaten aufheben. Bisher lag es bei 40, erst wollten sie es auf 45 erhöhen, jetzt gleich komplett aufheben.
Dazu passend ist, dass am Samstag ein weiterer russischer General ums Leben gekommen ist, der 63-Jährige pensionierte (er war Zwangs-pensioniert worden, nachdem er mit einer Su-27, die er unerlaubt geflogen hatte, nach unerlaubten Kunstflug-Manövern abgestürzt war) Generalmajor Kanamat Botashev starb, als er ein Su-25 Erdkampfflugzeug pilotierte und über der Ostukraine abgeschossen wurde.
So jemanden setzt man eigentlich nur in ein Kampfflugzeug, wenn man entweder zu wenige Piloten oder zu viele Flugzeuge hat.
Bei der Bundeswehr ist das Höchstalter für Kampfjet-Piloten übrigens 41.
Bezüglich des Materials hat Menderon erwähnt, gelesen zu haben, Russland würde T-64 an die Front verlegen. Das ist nicht ganz korrekt, es handelt sich um T-62.
Der Unterschied im Namen mag gering wirken, der Unterschied in der Praxis ist gewaltig.
Der T-64 ist gewissermaßen der Vater der modernen russischen und ukrainischen Panzer, 125mm Glattrohrkanone mit Autolader, Komposit-Panzerung, und nach wie vor in modernisierten Varianten bei den ukrainischen Streitkräften im Dienst. Bei ähnlichen Modernisierungen ist ein T-64 einem T-72 klar überlegen, und einem T-80, der ein T-64 mit Gasturbine ist, ebenbürtig.
Bis zur Einführung von Leopard 2 und M1 Abrahams über 10 Jahre nach seiner in-Dienst-Stellung war er übrigens auch allen westlichen Kampfpanzern klar überlegen, weshalb die Sowjetunion ihn auch nie exportierte.
Der T-62 ist dagegen aus dem T-54/55 entwickelt worden, dessen Entwicklung im Jahr 1945 begann. Er hat zwar auch eine Glattrohrkanone, allerdings 115mm und manuell geladen, seine Panzerung besteht rein aus Stahl, und sein ganzes Feuerleitequipment ist massivst angegraut. Nicht nur dass, im Gegensatz zu manch anderem sowjetischen Panzer ist er extrem unzuverlässig, vor allem sein Motor ist notorisch für seine zahlreichen Gebrechen.
Dass Russland so etwas ausgräbt, und das tut es, mittlerweile ist ein damit beladener Zug in Melitopol angekommen, sagt möglicherweise einiges darüber aus, wie der Zustand der angeblich 11 000 T-72, T-80 und T-90 in den Reserve-Lagern der russischen Armee ist.
Das alles bedeutet nicht, dass Russland den Krieg sicher verlieren wird, der Ausgang ist nach wie vor offen, aber ich denke, Panik vor einem Kollaps der ukrainischen Armee dürfte, zu diesem Zeitpunkt, nicht angebracht sein.