Die neue Situation in Afghanistan bzw. Pakistan...

  • Mit Syrien oder dem türkischen Kampf gegen die Kurden hast du gerade selbst zwei Beispiele genannt in denen Zivilisten keinerlei Wert beigemessen wird und ihr Tod rücksichtslos in Kauf genommen wird (Tschetschenien und Baltikum womöglich auch aber da bin ich nicht im Bilde).


    Wenn man eine Wattebäuschchen-Krieg führen will, wie ihn westliche Demokratien gerne ihren Wählern verkaufen, dann ist das nochmal deutlich schwieriger gegen irreguläre Truppen zu kämpfen.

    Jein.
    Der "harte" Ansatz wie er z.B. in Tschetschenien (Grozny wurde dem Erdboden gleich gemacht) oder dem Baltikum (große Teile der loakalen Bevölkerugn wruden nach Sibirien deportiert, stattdessen kamen russische Siedler) praktiziert wurde kann funktionieren, ist aber nicht die einzige Möglichkeit.
    Gerade der "Wattebäuschchen-Anstatz" kann gegen irreguläre Gegner aber auch durchaus effektiv sein. Es ist zwar langwieriger, aber potentiell nachhaltiger, weil er auf "Hearts and Minds" abzielt.
    Von den westlichen Beispielen folgten alle bis auf die Briten in Malaysia (Deportationen) diesem Ansatz.

    Es hatte Auswirkung auf die öffentliche Meinung. Davor hat man uns verkauft Afghanistan sei ein brunnenbohrender Kindergeburtstag.

    Auf die öffentliche Meinung in Deutschland, die ist in dem Zusammenhang nicht derartig relevant. War zwar 2012 das 3t größte Kontingent, aber mit den 90 000 Amerikanern waren das 4700 Mann starke deutsche Kontingent auch da nicht vergleichbar.

    Wenn die Mehrheit der Menschen in Afghanistan das also wirklich wollte, (Demokratie usw.) dann wäre es doch ein leichtes aufzustehen und die (angeblich) so wenigen Taliban zu besiegen/vertreiben, dafür braucht mann keine westlichen Truppen. Ich befürchte aber das insgeheim doch viele mit den Taliban sympatisieren. Denn im Zweifelsfall sind das eben immer noch ihre Glaubensbrüder und das darf mann gerade in so einer archaischen Gesellschaft wie dort nicht unterschätzen. Jede Aktion der westlichen Truppen bei der Zivilisten sterben schürt das Mistrauen und den Hass gegen diese westlichen Truppen und treibt die Menschen in die Arme der Taliban, deswegen ist auch die Aussage von IWST mann könne solch einen Krieg gewinnen illusorisch.

    Rebellengruppen die entsprechend brutal und gerissen sind, können auch dann noch agieren, wenn sie von weniger als 10% der Bevölkerung unterstützt werden. Beispiel Siera Leone, 10 Jahre lang hat die RUF das Land terrorisiert, die Regierung war völlig machtlos, musste auf ausländische Söldner zurückgreifen, nur eine UN-Mission verhinderte den Fall der Hauptstadt. Dann kamen die Briten, und recht bald war der Spuk vorbei, als es dann Wahlen gab, erhielt die RUF 0,6% der Stimmen.


    Und die Alphapetisierung in Afghanistan mag zwar gering sein, aber so unterbelichtet ist die "afghanische Rasse" jetzt auch nicht, dass die nicht mitbekommen wer für die meisten Ziviltoten verantwortlich ist.
    Die Taliban sind auch nicht die Glaubensbrüder aller Afghanen, das Land besteht zu 20% aus Schiiten. Ethnisch ist die Situation noch diverser, nur 42% der Bevölkerung gehören der größten Gruppe der Paschtunen an, die auch einen Großteil der Taliban-Kämpfer stellen, damit wären wir bei 58% anderen Ethnien.
    Meinungsumfragen bestätigen das, 2005, 3 Jahre nach dem Einmarsch hatten 83% der Afghanen eine positive Einstellung zu den US-Truppen (die öffentliche Meinung über die USA war damals eine der positivsten weltweit ähnlich hoch wie in Israel oder den USA selbst). 2009 haben 84% der Afghanen angegeben, die Regierung den Taliban zu präferieren, 4% präferierten die Taliban. 10 Jahre später, 2015 ist die zahl zwar etwas zurückgegangen, aber auch da unterstützen noch 77% die Präsenz der US-Truppen im Land, 80% halten es für positiv dass die USA die Taliban gestürzt haben.



    Der Grund dass sich die Taliban nach wie vor halten, hat sicherlich auch damit zu tun, dass sie gerade in den konservativen ländlichen Regionen die Unterstürzung einiger Clans haben, das ist aber bei weitem nicht der einzige Grund. Größer als die Gruppe der Unterstützer ist wohl die Gruppe derer die aus Angst vor den Taliban nicht mit Regierung und westlichen Truppen zusammenarbeiten (dieser Faktor wäre ein Punkt bei dem der autokratische Ansatz der Aufstandsbekämpfung "besser" ist, da kann man dafür sorgen dass die Bevölkerung mehr Angst vor den regulären Truppen hat als vor den Aufständischen). Dann gibt es noch die Unterstürzung aus dem Ausland, aus der Golfregion kommen Gelder, in Pakistan hat das Militär die Taliban viel zu lange gewähren lassen, ihr Militärgeheimdienst hat sie sogar aktiv unterstützt, seit einigen Jahren scheinen auch die Russen den Taliban Unterstützung zu schicken.
    Das größte Problem sind aber wohl die Schwächen der Afghanischen Regierung. Weltweit gibt es genau ein Land das noch korrupter ist, Somalia. Zur himmelschreienden Korruption kommt dann noch Inkompetenz, auch bei der afghanischen Armee. Und nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen spürt man dieser Inkompetenz umso härter.

  • Auf die öffentliche Meinung in Deutschland, die ist in dem Zusammenhang nicht derartig relevant. War zwar 2012 das 3t größte Kontingent, aber mit den 90 000 Amerikanern waren das 4700 Mann starke deutsche Kontingent auch da nicht vergleichbar.


    Wenn wir nicht relevant sind können wir doch abziehen?


    Gerade der "Wattebäuschchen-Anstatz" kann gegen irreguläre Gegner aber auch durchaus effektiv sein.


    Hast du dafür Beispiele?


    Meinungsumfragen bestätigen das, 2005, 3 Jahre nach dem Einmarsch hatten 83% der Afghanen eine positive Einstellung zu den US-Truppen (die öffentliche Meinung über die USA war damals eine der positivsten weltweit ähnlich hoch wie in Israel oder den USA selbst). 2009 haben 84% der Afghanen angegeben, die Regierung den Taliban zu präferieren, 4% präferierten die Taliban. 10 Jahre später, 2015 ist die zahl zwar etwas zurückgegangen, aber auch da unterstützen noch 77% die Präsenz der US-Truppen im Land, 80% halten es für positiv dass die USA die Taliban gestürzt haben.


    Technische Frage: Wie macht man so eine Meinungsumfrage repräsentativ? Geht man da in von Taliban kontrolliertes Gebiet und fragt "findet ihr die US-Truppen toll?". Oder fragt man nur in den von der ISAF kontrollierten Gebieten?

  • Wenn wir nicht relevant sind können wir doch abziehen?

    Ich habe geschrieben "nicht derartig relevant". Es ging mir um deine Darstellung eines Scharmützels als einen Wendepunkt im Krieg, und während der Vorfall für Deutschland vielleicht relevant war ist so ein Gefecht für den Krieg an sich vollkommen irrelevant. Deutschland ist nicht völlig irrelevant, aber allzu wichtig auch nicht, momentan habt ihr ähnlich viele Truppen in Afghanistan wie Georgien (3,7 mio. Einwohner).

    Hast du dafür Beispiele?

    Habe ich dir vorhin gegeben.
    Nordirland, Siera Leone, Mali wären jüngere Beispiele, Irak kann man ebenfalls als ein Beispiel sehen, beim Abzug der Amerikaner war das Land halbwegs befriedet, die irakische Regierung hat dann allerdings die Strategie der Amerikaner aus dem Fenster geworfen und die "harte Methode" ausprobiert, was ihr den IS eingebracht hat. Evtl auch der Bürgerkrieg im Oman. Dazu noch Fälle in denen Aufstände im eigenen Land besiegt wurden.

    Technische Frage: Wie macht man so eine Meinungsumfrage repräsentativ? Geht man da in von Taliban kontrolliertes Gebiet und fragt "findet ihr die US-Truppen toll?". Oder fragt man nur in den von der ISAF kontrollierten Gebieten?

    Die Definition eines solchen asymmetrischen Konfliktes ist, das es die Aufständischen eben kein Gebiet kontrollieren, sondern aus dem Untergrund kämpfen.


    Es war zwar festzustellen, dass die Zustimmung zu den US-Truppen in den Gebieten in denen die Taliban am aktivsten waren etwas geringer war, aber immer noch deutlich pro-USA.

  • Die Definition eines solchen asymmetrischen Konfliktes ist, das es die Aufständischen eben kein Gebiet kontrollieren, sondern aus dem Untergrund kämpfen.


    Aber nicht in Afghanistan.


    Deine erste Umfrage ist von 2005, hier eine Karte aus diesem Zeitraum:



    Um 2005 herum kontrollieren die Taliban also rund ein Drittel des Landes. Nun könnte man vielleicht meinen, die eingefärbten Gebiete markieren nur Regionen in denen überhaupt Aufstände stattfinden.


    Zusammen mit folgender Aussage:


    Laut einem im November 2007 publizierten Bericht des International Council on Security and Development haben die Neo-Taliban bis 2006 in über der Hälfte des Landes eine ständige Präsenz etabliert. Sie kontrollieren außerdem inzwischen Zentren von Distrikten sowie wichtige Verkehrsverbindungen, Teile der Wirtschaft und der Energieversorgung.


    liest sich das aber eher so als ob die Taliban diese Gebiete nahezu vollständig kontrolliert haben.


    Deshalb wiederhole ich meine Frage: Wer ist zu besagter Zeit in den eingefärbten Gebieten rumgelaufen und hat eine repräsentative Umfrage gemacht?

  • Du verwechselst gerade etwas.
    Gebiete in denen ein Aufstand stattfindet sind nicht gleichbedeutend mit Gebieten in denen die Rebellen effektive Kontrolle ausüben.


    Sonst wäre die Sache schon längst erledigt, einen Gegner der Territorium kontrolliert, und brav dableibt wenn man ihn bekämpft, verspeisen die Amerikaner doch zum Frühstück.
    Wobei es natürlich Gebiete gab, in die man besser nicht fuhr, zu Große Gefahr von Hinterhalten, aber selbst in Helmand, Kandahar und Urozgan startete zu genau dieser Zeit der Wiederaufbau.

  • Habe mir mal die Quelle des Wikipedia Artikels angesehen:
    Die internationalen Truppen waren wohl 2006 tatsächlich zu dünn gestreut (Stichwort Irak-Krieg, nachdem man dort abgezogen ist, hat sich die Zahl der Truppen in Afghanistan verdreifacht) um das gesamte Gebiet zu kontrollieren, was Freiräume für die Taliban lies, sie scheinen tatsächlich einige Landstriche und Kleinstädte kontrolliert zu haben, von einem Drittel aber Welten entfernt, die Karte die du verlinkt hast, zeigt Operationsgebiete und hat mit Kontrolle nichts am Hut.
    Auch der von Wikipedia zitierte Artikel präzisiert die Definition von Präsenz:

    Zitat von Council on Security and Development

    It does not imply that the Taliban has abolsute control over that amount of territory, but instead retains the capacity to distrupt the secruity of those territories in which it has a permanent presence

  • Habe jetzt mal auf die Schnelle ein Interview mit einem der Umfrage-Ersteller gefunden:
    http://worldpublicopinion.net/…-in-iraq-and-afghanistan/


    Allgemein ist zu bedenken, dass bei Umfragen nicht die gesamte Bevölkerung gefragt wird, sondern eine Stichprobe von ca. 1000-2000 Personen im ganzen Land. davon sind dann z.B. 200 in einer Unruhenprovinz, das dauert dort zwar länger weil an einigen Tagen aufgrund von Kämpfen keine Erhebungen möglich sind, ist aber machbar.

  • Ergänzend zur vorangegangenen Diskussion ein Zitat aus dem Heute Journal (13.08.18):


    "Nach Militärangaben sind mittlerweile fast 50% Afghanistans umkämpft oder bereits unter Kontrolle der radikal-islamischen Taliban."


    https://www.zdf.de/nachrichten…m-13-august-2018-100.html


    Ich denke wenn die westlichen Staaten ihre Militärpräsenz nicht wieder extrem steigern, wird Afghanistan früher oder später wieder vollständig in die Hände der Taliban fallen.

  • Laut einem Bericht der US-Streitkräfte kontrolliert die afghanische Regierung nur noch etwas mehr als die Hälfte des Landes. Demnach seien von 407 Distrikten 49 fest in den Händen der Taliban, 132 derart umkämpft, dass keine Seite die Kontrolle ausüben kann und nur noch 226 Distrikte seien fest in der Hand der Regierungstruppen. Quelle: Tagesschau.de


    Auf Bitten der Afghanischen Regierung werden Zahlen zu den von den Taliban getöteten Menschen inzwischen nicht mehr durch die US-Streitkräfte veröffentlicht.

  • Offenbar hat China damit begonnen, sich in Afghanistan zu engagieren und die Lücke zu füllen, welche die USA durch Trumps angeordneten Abzug aufmachen. Erste chinesische Truppeneinheiten sollen schon im sogenannten Wachankorridor, einem Tal Afghanistans, das bis an die chinesische Grenze reicht, gesehen worden sein. Der Wachankorridor ist ein politisches Überbleibsel der Rivalität zwischen Russland und Großbritannien im 19. Jahrhundert. Offenbar hat das chinesische Engagement in Afghanistan auch mit dem Projekt "Neue Seidenstraße" zu tun. Deswegen sei China besonders daran interessiert, dass es in der Region zu Sicherheit und Stabilität komme, zumal der Wachankorridor auch direkt an die uigurischen Gebiete Chinas angrenzt.


    Das dürfte interessant werden. Ich könnte mir vorstellen, dass die Chinesen einen deutlich längeren Atem haben könnten in Afghanistan, als der Westen oder die UdSSR.

  • Das ist erst der Anfang.


    China hat ja ne Manpower


    Das ist der Knackpunkt der gerne übersehen wird. Europa war während seinem Aufstieg die mit Abstand am dichtesten besiedelte Region der Erde. So viele, dass viele davon nach Amerika ausgewandert sind, was wiederum ein wichtiger Faktor für den Aufstieg der USA war.


    Viele Menschen werden mit unserer westlichen Arroganz heutzutage gerne als Zeichen von Armut gesehen. Viele Menschen sind Macht und die wertvollste Ressource überhaupt.


    Für Russland beispielsweise ist die vergleichsweise geringe Bevölkerungsdichte ein Problem, deswegen hat Putin unter anderem die Geburtenraten angekurbelt in dem Eltern für jedes zweite (oder mehr) Kind rund 10.000 Euro sogenanntes Mutterschaftskapital erhalten.


    Ich bin mir sicher das würde auch in Deutschland den ein oder anderen zum Kinderkriegen bewegen :D

  • Viele Menschen sind ein Problem. Immer,
    Sie werden zu einem noch größeren Problem, wenn die Gesellschaft ansonsten nicht stabil ist, oder Ressourcen knapp sind.
    Gute Beispiele sind hier Afghanistan und Pakistan!


    DAs hatte sogar Mao begriffen.


    Sie sind vor allen vorteilhaft wenn man Reihe um Reihe der eigenen Jugend in irgendwelchen Schützengräben krepieren lassen will.


    Dann sind sie aber erst recht ein Problem.



    Ok. Und eine bevölkerungsstarke entwickelte stabile gesellschaft hat Vorteile gegenüber einer bevölkerungsschwachen stabilen Gesellschaft, wenn es um die Durchsetzung von Interessen geht.
    Das ist aber auch hier nur ein Faktor,




    Nebenbei gesagt sind die Zuschüsse für Eltern und Kinder in Deutschland um ein vielfaches höher als die beschriebenen russischen 10 000, die übrigens NICHt cash auf Kralle ausgezahlt werden.

  • DAs hatte sogar Mao begriffen.


    Millionen von Menschen im eigenen Land abschlachten und verhungern lassen, kannst du eben nur machen wenn du insgesamt genug von der "Ressource Mensch" zur Verfügung hast. Andernfalls verlierst du deine Macht und/oder dein Land kollabiert.


    Ok. Und eine bevölkerungsstarke entwickelte stabile gesellschaft hat Vorteile gegenüber einer bevölkerungsschwachen stabilen Gesellschaft, wenn es um die Durchsetzung von Interessen geht.


    China unter Jinping wirkt auf mich, auf seine Art, derzeit sehr stabil. Und die Entwicklung geht auch stetig voran.


    Ich denke spätestens wenn China den technologischen Stand der USA erreicht hat, ist es ein Vorteil 1,3 Mrd. Menschen zu haben anstelle von "nur" 300 Millionen. Und auch bereits auf dem Weg dahin, da man wie gesagt rücksichtsloser sein kann.

  • UNd die Pakistanis haben mittlerweile zurückgeballert und zwei indische Kampfflugzeuge abgeschossen.



    Immer ein gutes Gefühl wenn 2 Atommächte ihren schwelenden Krieg eskalieren lassen mit hochgerüsteten Armeen auf beiden Seiten.



    Und noch ein besseres GEfühl wenn dabei ein Trump im weißen Haus sitzt.


    Schön mal wieder live zu sehen, wie es aussieht wenn das Primat des Militärischen regiert und für Eskalation funktioniert und auf welchem Wege sie hoffentlich aufgehalten wird.


    Auf der anderen Seite. Eine Chance für die deutsche Rüstungindustrie!

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