Adrianopel 378 n. Chr.

  • Die Schlacht von Adrianopel, die der Soldat und Historiker Ammianus Macellinus als das größte militärische Desaster seit Cannae bezeichnete, endete mit dem Tod des oströmischen Kaiserts und der fast völligen Vernichtung seines Feldheeres. Die Goten konnten diesen Erfolg dank der Befestigungen von Konstaninopel jedoch nicht voll auskosten.


    Im Jahr 376 n. Chr. baten die westgotischen Stammesführer Fritigern und Alavivus den oströmischen Kaiser Valens, auf der römischen Seite der Donau siedeln zu dürfen. der Grund hierfür lag im Osten: Die Goten und weitere germanische Stämme wurden nämlich von den westwärts ziehenden Hunnen vertrieben. Valens entsprach der Bitte, verlangte aber, dass die Westgoten ihre Waffen abliefern und zum Christentum übertreten sollten. Valens hatte dabei den Hintergedanken, dass die Goten der kaiserlichen Armee zu wertvollen Rekruten verhelfen und er die örtlichen Frondiesnte in dringend benötigte Tributzahlungen verwandeln könnte. Ende des Jahres waren rund 75 000 Goten über die Donau auf römischen Gebiet gelangt.


    Verrat an den Goten


    Valens leiß den Goten Ackerland zuteilen und ordnete an, sie zu versorgen, bis sie sesshaft gemacht werden könnten. Die lokalen römischen Verwalter hielten zugesagten Proviant jedoch zurück. Sie werden oft als überaus habgierig dargestellt und sollten fast alle Besitztümer der Goten eingefordert haben, darunter sogar ihre Kinder, zum Ausgleich für eine karge Verpflegung, die aus Hundefleich bestand. Wie zu erwarten war, führte dies bei den Goten zu große Verärgerung. Während die Neuankömmlinge tiefer in das römische Thrakien einwandern, trafen sie auf einige ostogitsche Krieger die die Donau unerlaubt passiert hatten, während die Römer mit den Westgoten beschäftigt waren. In Macrianopolis lud ein örtlicher römischer Befehlshaber Fritigern und Alavius zu einem Festmahl, offenbar um die Stammesführer zu kidnappen oder zu ermorden. Fritigern ist anscheinend unversehrt zurückgekehrt, vielleicht als Dank für eine versprochenes Wohlverhalten seiner Männer. Alavius, von dem man nie wieder etwas hörte, wurde indes vermutlich umgebracht.
    Nach der sicheren Rückkehr Fritigerns beschlossen die Goten, den Römern mit Gewalt zu nehmen, was sie brauchten. Aus einzelnen Scharmützeln in und rund um Marcianapolis gingen die Goten als Sieger davon. Danach wurden Fritigerns Truppen durch weitere gotische Stämme verstärkt, die schon vorher die Grenze hatten überschreiten dürfen. Das gotische Heer zog nach Adrianopel, um die Stadt anzugreifen, doch der Ansturm wurde blutig zurückgeworfen. Den Römern war indes klar geworden, dass diese ernste Lage weitere Truppen erforderte, Valens der mit seinem ösltichen Feldheer in Antiochien mit den Persern zu tun hatte, entsandte Verstärkung nach Thrakien.
    Bald trafen Truppen des Westkaisers Gratian ein, eines Neffen von Valens. Im Jahr 378 n. Chr. fanden mehrer Unenschtschiedene Gefechte statt, doch meist begnügten sich die Römer damit, die Goten in eher unwirtlicehn Gegenden festzuhalten. Sie entschieden sich für eine Hinhaltetaktik, indem sie umfassende Kampfhandlungen vermieden und gotische Furagiertrupps attackierten, während sie auf Verstärkung aus dem westlichen und östlichen Feldheer erwarteten.
    Unterstützt durch Alanen und Hunnen, ihre neuen Verbündeteten, gelang es den Goten gegen Ende des Jahres, aus der Eingrenzung auszubrechen. Sie waren nun dazu bereit, die dichter bevölkerten Regionen Thrakien zu verwüsten. Zudem sah sich Gratian mit eigegenen alemannischen Übergriffen konfrontiert und konnte sein Heer daher vorerst nicht abstellen. Aus dem Überfall wurde eine Invasion, die letzlich zwar abgewehrt werden konnt, doch die Entsendung von Hilfstruppen noch weiter verzögerte.
    Feldzug und Heere


    Valens hatte unterdessen Antiochien verlassen und im Mai 378 n. Chr. die Kaiserstadt Konstantinopel erreicht. Nachdem er auf der europäischen Seite des Hellespont sein Feldlager aufgeschlagen hatte, sandte er berittene Späher aus, um die feindlichen Stellungen zu erkunden. Valens begann, langsam auf die unweit von Adrianopel gelegene Stadt Nike vorzurücken. Die Goten zogen sich daraufhin zurück, dicht gefolgt von einem großen Trupp römischer Reiter. Die vorrückenden Römer konnten einige gotische Furiere unschädlich machen. Zwischenzeitlich war Gratian eilig bis nach Thrakien vorgerückt, wobei er einen Teil seines Heeres per Schiff entlang der Donau entlang beförderte. Valens beschloss, auf Adrianopel vorzurücken und in einem neuen Lager auf seinen nNeffen und das westliche Feldheer zu warten. Den Goten gelang es jedoch, sich an Valens Truppen vorbeizuschmuggeln und südöstliche von ihnen in Nike in Stellung zu gehen.
    Im Lager vor Adrianopel erfuhr Valens, dass Gratian mit seinem Heer kurz vor Thrakien stehe und bald zu ihm aufschließen werde. Auch teilten ihm seine Späher mit, dass sie das gotische Heer, ihrer Schätzung nach rund 10 000 Mann, geortet hatten. Valens musste nun entscheiden, ob er an Ort und Stelle auf Gratian warten, oder die Goten angreifen sollte, deren genaue Position er ja nun kannte. Er berife einen Kriegsrat ein. Einige seiner vorsichtigeren Führungoffiziere rieten zum Abwarten, da man zusammen mit Gratians Truppen zahelnmäßig haushoch überlegen sein würde. Die meisten Kammandeure sprachen sich jedoch für einen sofortigen Angriff aus. Sie schmeicheltem dem Kaiser mit dem Hinweis, dass ihm der Siegesruhm ungeteilt zufiele, wenn er die Goten ganz allein schlüge. Sicher spielte auch eine Rolle, dass diese ihnen schon einmal entschlüpft waren und eine Offensive ratsam war, bevor sich dies wiederholte. Valens entschied sich für den unverzüglichen Angriff und ließ entsprechende Vorbereitungen treffen. Fritigern, der davon erfahren haben muss, wählte einen Geistlichen als Bevollmächtigten, um eine friedliche Vereinbarung auszuhandeln, doch Valens wies diesen ab und setzte seine Vorbereitungen fort.
    Valens östliches Feldheer umfasste schätzungsweise 20 000 Mann. Vor ORt war eine noch größere Zahl von Soldaten versammelt, doch Valens musste in Adrianopel ein paar Legionen als Garnison zurücklassen, um diesen bedeutetenden Stützpunkt und auch seinen eigenen Tross zu bewachen. Und angesichts der Tatsache, dass das gotische Heer unweit der Kaiserstadt Konstantinopel stand, hatte er weitere Truppen abkommandiert, um die Stadt zu verteidigen. Valens konnte auf zahlreiche altgediente Einheiten zurückgreifen, die teilsweise eigens für diesen Feldzug wieder einberufen worden waren. Das kaiserliche Feldheer war überdies eine ausgewogene Streitmacht, die Hilfstruppen wie Bogenschützen und anscheinend auch eine Reiterei umfasste.
    Die römischen Späher hatten das gotische Heer auf 10 000 Mann geschätzt, doch die scheint zu wenige. Man darf eher von einer Wagenburg aus 15 000 Kriegern ausgehen, allesamt Fußsoldaten. Die gotische Infanterie bestand aus Kämpfern, die mit Schild und Lanze ausgerüstet waren, und Bogenschützen. Den römischen Spähern war jedoch ebenfalls entgangen, dass die gesamte, vielleicht 4000 Mann starke zählende Reitertruppen, mehrheitlich Ostogten mit einigen alanischen Verbündeten unter Alatheus und Saphrax, als Furiere unterwegs waren.


    Die Schlachtordnung.


    Im Morgengrauen des 9. August ließ Valens seine Armee in Kolonnen abmarchieren. Wie es scheint, bestanden Vorhut und Nachhut aus Reitern, während Fußsoldaten das Hauptheer bildeten und die Flanken sicherlichen von Vorreitern gesichert wurden. Valnes und seine Kommandeure waren offenbar noch immer besorgt über das, was die Späher über die Ausfstellung heurausgefunden hatten. Deshalb sollten Reiter die Marchierenden vor Überraschungen schützen. Nach mehrstündigen Marsch großer Hitze sichteten sie schließlich die große Wagenburg des Feindes und machten sich kampfbereit. Die berritene Vorhut wurde weiter nach vorn verlagert, um in der Schlachtordnung die rechte Flanke zu bilden, unterstütz von Fußsoldaten. Die berittene Nachhut besetze die linke Flanke, doch da sie zunächst abwarten musste, bis die Truppen vor ihnen aufmarchiert waren, und sie bis zu ihrer Position eine beachtliche Strecke zurücklegen mussten, konnten sie sich bis zm Beginn der Schlacht nicht geordnet aufstellen.
    Die Goten waren den Römern zahlenmäßig wahrscheinlich unterlegen und besaßen - zumindest vorübergehend - keine eigenen Reiterei. Daher beschlossen sie, sich in ihrer Wagenburg zu verschanzen. Fritigern ließ jedoch rahsch Alatheus und Saphrax benachrichtigen, damit sie umgehend zurückkehrten. Um Zeit zu gewinnen, entsandte Fritigern Unterhändler, doch der Kaiser weigerte sich, diese auch nur zu empfangen, indem er sich auf ihren niederen Rang berief und verlangte, man möge stattdessen geeignete Anführer schicken. Fritigern reagierte mit der Entsendung eines Herolds und forderte, Valens sollte einen Mann von gleichen Rang als Geisel abordnen. Valens willigte ein, sicher weil er hoffte, die Verzögerung würde ihm Zeit geben, seine Truppen - vor allem seine linke Flanke - ordnungsgemäß aufstellen. Richomeres, einer der römischen Kommandeure, war schließlich bereit, Fritigerns Lager aufzusuchen. In sengender Hitze warteten inzwischen die römischen Reiter am rechten Flügel und die Fußsoldaten in der Mitte in Schlachtformationen. Ihr Unbehagen wurde durch von den Goten entfachte Buschfeuer noch verschlimmert. Da die kampfbereiten römer seit dem Abmarsch nichts zu essen bekommen hatten, forderten außer der Hitze auch noch Hunger und Durst ihren Tribut.


    Die Schlacht


    Die Schlacht begann unerwartet, noch bevor Richomeres das Gotenlager erreicht hatte. Zwei römische Reitertruppes, darunter eine mit Bogenschützen, hatten sich mit den Goten ein Scharmützen geliefert und einen unbedachten Angriff auf die Wagenburg gestartet. Diese Plänkler waren vermutlich vorher auf der rechten Flanke postiert, doch waren sie für so einen Angriff weder richtig aufgestellt, noch mit den richtigen Hilftruppen ausgestattet und sahen sich deshalbt zum Rückzug gezungen. Genau in diesem Moment kehrte die gotische Reiterei auf das Schlachtfeld zurück und griff in einer ungestümen Attacke an, die wahrscheinlich auf die noch ungeordnete Reiter an der linken Flanke zielte. Die römischen Reiter wurden von den Goten schwer bedrängt. Jene, die bis zur gotischen Wagenburg vorstoßen konnten, waren ganz auf sich alleine gestellt, da die übrigen Truppen die ihnen zugeteilten Positionen noch nicht eingenommen hatten. So erlitte die römische Reiter schnell einen vernichtenden Schlag. Die römischen Fußsoldaten, die noch versuchten sich in einer Schlachtlinie zu formieren, muss dies tief verunsichert haben.
    Die Niederlage der Reiterei hinterließ eine große Lücke auf der linken Seite, die von der gotischen Kavalerie umgehend genutz wurde. Zu diesem Zeitpunkt nahmen auch die vorderen Infanterielinien den Kampf auf. Die Goten hatten begonnen, aus ihrer Wagenburg auszuschwärmen und die römischen Fußtruppen zu bedrängen. Nach der Niederlage der Plänkler und des linken Reiterflügels wurden die römischen Fußsoldaten nicht nur von vorn, sondern auch an den Flanken von den feindlichen Reitern attackiert. Trotz eines unglaublich verbissenen Kampfes konnten sich die ausgezeichneten römischen Fußsoldaten selbst dann behaupten, als die vordersten Linien derart zusammengedrängt waren, dass sie ihre Waffen kaum noch richtig einzusetzen vermochten.
    Lange Zeut wigte der Kampf unentschieden vor uns zurück. Nach wiederholten feindlichen Attacken und nicht nur vom Kampf erschöpft, sondern auch durch die Hitze, Hunger und die schwere Rüstung, begannen die ersten römischen Linien nachzugeben. Valens ließ stieß zu den Legionen der Lancearii und Mattiarii vor, die noch aushielten, bis schließlich sogar die römischen Reserven die Flucht ergriffen, darunter auch die batavischen Elitehilfstruppen. Als auch der letze Widerstand brach, folgte die endgültige Niederlage. Die gotischen Verfolger vernichteten zwei Drittel der römischen Armee.
    Während sich das Heer auflöste. wurde Valens durch einne Pfeil verwundet. Man nimmt an, dass er auf dem Schlachtfeld starb, wenngleich sein Leichnam nie gefunden wurde. Der Legende nach hat der verwundete Kaiser mit einigen Leibwächtern ein Bauernhaus mit einem gut befestigten Obergeschoss erreicht, wo man sich erbittert verteidigte, bis die Goten das Gebäude mitsamt Insassen niederbrannten. Mit dem Kaiser fielen mehrere hochrangige Offiziere und 35 Unteroffizier


    Die Folgen


    Die faktische Vernichtung des östlichen Feldheers erlaubte den Goten den Marsch auf Adrianopel, wo Valens seinen Tross mitsamt dem Staatsschatz und den kaiserlichen Insignien zurückgelassen hatte. Die Goten versuchten die Stadt einzunehmen, doch die von den zurückgelassenen Legionen verteidigten Mauern erwiesen sich erneut als zu stark. Dann zogen sie weiter nach Konstantinopel, wo ihnen die Befestigungen und die zur Verteidigung abgestellten Truppen ebenfalls einen Strich durch die Rechnung machten. Gratian kehrte mit seinem Westheer nach Gallien zurück, um die eingedrungenen Wandalen zu bekämpfen. Das Kommando über die östlichen Heere übergab er seinem General Theodosius, den er am 19. Januar 379 n. Chr. zum Mitkaiser ernannte. Theodosius unternahm einigen unentschiedene Feldzüge gegen die Goten, bis er 382 n. Chr. mit ihnen Frieden schloss. Die Goten waren fortan Verbündete und erhielten dafür Land in Thrakien.


    So erneut eine Niederlage des (ost)römischen Reiche, hoffe es gefällt euch. Kommentare sind nur erwünscht

    „The Wheel of Time turns, and Ages come and pass, leaving memories that become legend. Legend fades to myth, and even myth is long forgotten when the Age that gave it birth comes again."

    Einmal editiert, zuletzt von Alex_of_Newski ()

  • Ich glaube ich lasse es mit Rom oder Byzanz als nächstes, langsam wird es auch für mich langweilige über diese Themen zu schreiben, ich brauche ein wenig Abwechslung. Ich glaube ich werde heute Abend ein bisschen über die Griechen schreiben.

    „The Wheel of Time turns, and Ages come and pass, leaving memories that become legend. Legend fades to myth, and even myth is long forgotten when the Age that gave it birth comes again."

  • Ich glaube ich lasse es mit Rom oder Byzanz als nächstes, langsam wird es auch für mich langweilige über diese Themen zu schreiben, ich brauche ein wenig Abwechslung. Ich glaube ich werde heute Abend ein bisschen über die Griechen schreiben.


    Ich find es ja schon klasse von dir, dass du überhaupt die Lust verspürst, uns mit solchen interessanten Texten zu konfrontieren. Lass uns deinen momentanen Schreibwahn ausnutzen. :D

  • Tut mir Leid Leute, heute geht sich mein Bericht nicht mehr aus, aber ich werde schauen, dass ich ihn morgen zu mittag schreiben werde. Ihr könnt inzwischen mal ein paar griechische Schlachten aufzählen, vielleicht finden sich meine persönlichen Lieblinge darunter^^

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  • Zitat

    Die Schlacht von Adrianopel, die der Soldat und Historiker Ammianus Macellinus als das größte militärische Desaster seit Cannae bezeichnete, endete mit dem Tod des oströmischen Kaiserts und der fast völligen Vernichtung seines Feldheeres. Die Goten konnten diesen Erfolg dank der Befestigungen von Konstaninopel jedoch nicht voll auskosten.








    So ein Thema in einem kurzen Artikel zusammen fassen zu wollen ist ein schweres Unterfangen. Vielen Dank Alex und Respekt dafür! Die Quellenlage ist recht dünn und die Interpretationen sehr unterschiedlich. Die beiden "Gotenpäpste" Wolfram Herwig (Österreich) und der populärere Peter Heather (England) etwa sind sich auch nicht ganz einig über Details der Vorgänge. Was wundert, dass ich mir auch ein paar Gedanken dazu gemacht habe? Alex hat rein aus römischer Sicht berichtet. Für die Schlacht und Quellenlage ist das auch kein Wunder.


    Mein Focus liegt auf den Goten:


    Was trieb sie, wie war ihre Situation? Was war vor Eintreffen der Hunnen geschehen, dass sie so bereitwillig ihre Heimat fluchtartig verließen? Wie kam es zum Aufstand von Macrianopel, als die römische Mangelversorgung eskalierte? Kämpfte Rom gegen "die Goten", oder wer waren diese Menschen, die jetzt auf dem Gebiet des Reiches sich eine Zukunft erhofften? Warum kam Valens erst so spät nach Europa zurück? Wurde Valens in eine Falle gelockt? Warum konnten die Goten eine erstklassige, starke und erfahrene römische Feldarmee so vernichtend schlagen, aber niemals in einem langen Krieg eine befestigte, verteidigte Stadt erobern? Warum zogen sie nicht im römischen Reich weiter, wie später andere Germanenvölker, sondern verharrten im Vorfeld von Konstantinopel zwischen gefährlichem Barbaricum und dem Haupt des östlichen Reiches? Die Frage drängt sich auf, wenn man sich etwa die weite Wanderung der Wandalen später ansieht.


    Das gotische Vorspiel und Eintreffen der Hunnen:


    Unter den Goten gab es bereits damals eine größere christliche Gemeinschaft und zahlreiche Märtyrer (in christlichem, nicht im Sinne der IS...), begründet durch den Gotenbischof Wulfila (der als erster eine germanische Sprache verschriftlicht hat!). Die Goten waren von Konstantin dem Großen im Laufe seines Krieges um die Alleinherrschaft bekämpft und als heerespflichtige Foederaten in römische Dienste genommen worden. Die gotischen Herrscher fühlten sich der konstantinischen Dynastie eng verbunden und hatten Truppen für ferne Kämpfe gegen Sassaniden (Perser) oder Alemannen gestellt.


    Goten als Christen = "Römlinge"?


    Vorangegangen war den Ereignissen von Adrianopel ein längerer Gotenkrieg des Valens, den er keinesfalls triumphal hatte beenden können. Er hatte das Gotenland durchzogen und verwüsten lassen. Auslöser für diesen Krieg war ein römischer Bürgerkrieg gewesen. In der Hauptstadt hatte sich Procopius in Abwesenheit des Valens als legitimer Nachfolger der Dynastie Konstantins des Großen präsentiert und die Macht in Konstantinopel übernommen. Procopius verlangte von den Goten Heeresfolge und man sandte ihm ein kleines Elite-Hilfskorps zur Unterstützung. Bevor es eintreffen konnte hatte Valens den Procopius bereits besiegt (Jahr 366). Voller Zorn ließ er das abziehende gotische Korps verfolgen. Diese Goten wollten nicht mehr kämpfen. Sie erkannte Valens als oströmischen Kaiser an und ergab sich, als Valens darauf bestand. Valens verhaftete die Goten und hielt sie als Geiseln fest.


    Die gotischen Machthaber unter ihrem Anführer Athanarich erkannten Valens ebenfalls an und forderten ihn auf, ihre Soldaten zurückkehren zu lassen. Valens lehnte ab! Er entschloss sich den Terwingen (den betroffenen Teilstamm der Goten) eine Lektion zu erteilen. Zwischen den Jahren 367 und 369 führte er wechselvolle Kämpfe im Lande der Goten und verwüstete ihr Land. Dabei nutzte er Spannungen zwischen gotischen Teilgruppen aus. Athanarich sah spätestens seit diesem Zeitpunkt alle Christen unter den Goten als "fünfte Kolonne" der Römer an und ließ sie verfolgen. Am Ende hatte niemand wirklich gewonnen: Das gotische Land war weitgehend verheert, Valens hatte keine Entscheidungsschlacht gewonnen und Athanarich hatte seine Macht behauptet. Der Friedensschluss erfolgte mitten auf der Donau auf einem Boot mitten auf der Reichsgrenze: Ein Beweis, dass Valens sich nicht hatte durchsetzen können - normalerweise wurden Besiegte zu den Kaisern zitiert! Eine sehr große Gruppe christianisierter Goten und der Bischof Wulfila wurden von den Römern nahe der Donau im heutigen nördlichen Bulgarien angesiedelt. Sie sollte immer reichstreu bleiben, streng christlich und friedlich: Sie wurden die "Kleingoten" genannt. Im Gotenland verbliebene Goten wurden von Athanarich nun noch eifriger verfolgt. Fritigern jedenfalls war wohl damals schon Christ und wohl ein gotischer Kleinkönig gewesen, der mit seinem Stamm im Gotenland verblieben war. Männer wie er dürften nun dem Druck des erfolgreichen Athanarich ausgesetzt gewesen sein. Wer Christ war, galt diesem als "Römling".


    Die Goten waren sehr geschwächt und in internen Machtkämpfe verwickelt, als die Hunnen 375 auftauchten und starke Gruppen von östlichen Goten (Greutungen), Alanen und auch einige unabhängige hunnische Gruppen vor sich her trieben. Sie besiegten Athanarich in einer einzigen Schlacht. Jetzt zerbrach seine gotische (terwingische) Konföderation, zu der diverse gotische Gruppen, kleiner Germanenvölker (etwa die Taifalen), sarmatische Stämme und andere kleine Gruppierungen gehört hatten vollständig. Athanarich und seine Anhänger erkämpften sich ein Refugium in den Bergen, wobei sie bisher verbündete Sarmaten vertrieben...


    Die Völker gerieten in Bewegung: Die einzige Sicherheit schienen die Römer bieten zu können, die in der Vergangenheit immer wieder bei internen Kämpfen besiegte Barbarenvölker in kleinsten Gruppen Zuflucht und Land geboten hatten. Römische Praxis war es dabei, die Stämme weit verstreut mit minderem Rechts-Status (deditio) in eigenen Dörfern anzusiedeln. Dabei ging ihr innerer Zusammenhalt verloren. Sie wurden Mündel des Kaisers, der sie vor allem zur Stellung von Rekruten für die Armee verpflichtete. Nun jedoch setzte eine wahre Völkerwanderung ein: Jeder gegen Jeden und einzig Rom schien Sicherheit bieten zu können. Alles strömte der Donau zu, sowohl nach Süden, Richtung Konstantinopel als auch nach Westen in Richtung auf Ungarn... Die Anführer suchten Kontakt mit römischen Machthabern aufzunehmen und baten um Aufnahme ins Reich und Siedlungsland!



    Die Römer und ihre Situation als die Flüchtlingswelle begann:


    Für Rom und Valens erfolgte dieser Massenansturm überraschend und zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die Grenzarmeen waren ausgedünnt, den Valens sammelte seine Truppen im Nahen Osten um den sassanidischen Persern in einem Rachefeldzug Mores lehren zu wollen. Dazu hatte er gemäß bestehender Verträge auch mit terwingischen Goten (Foederaten), auch gotische Kohorten in seinen Reihen.


    Er rang sich zu einer beschränkten Aufnahme von Flüchtlingen durch, womit er mehrere Vorteile erringen wollte. Vielleicht freute er sich insgeheim, dass die terwingische Konföderation des Athanarich zerbrochen war, womit nördlich der Donau keine starke Gruppierung übrig geblieben war? Zumal die eigentlichen Hunnen tatsächlich nicht begannen, sich im alten Gotenland anzusiedeln. Sie beschränkten sich darauf zu plündern und zu rauben... Teile und Herrsche war altes römisches Erfolgsrezept: Er wollte nur christliche Gotengruppen aufnehmen und alle anderen Völker abweisen und bekämpfen lassen. Traditionell hatte Rom in solchen Fällen gerne eine Gruppe zur Vernichtung einer anderen Gruppe gegeneinander ausgespielt. Die neuen Siedler sollten nahe an der ohnehin durch Kriege stark entvölkerten Grenzen Land versprochen bekommen. Diese Grenze hätten sie dann auch gegen Stammesbrüder zu verteidigen. Wieder bewirtschaftetes Land würde die Steuern erhöhen und man würde gotische Männer als Rekruten in die römische Armee aufnehmen.


    Eher zögerlich begann er mit seiner Armee nach Europa aufzubrechen. Die Umsetzung seiner Anweisungen überließ er örtlichen Befehlshabern. Es sollte sich zeigen, dass diese Männer die zugespitzte Situation ausnutzen sollten, für sich persönlich Vorteile zu erringen. Es liegt nahe, dass Valens wie üblich die gotischen Flüchtlinge entwaffnen wollte. Genauer überliefert ist es aber nicht. Den Goten jedoch saßen Hunnen und andere Flüchtlinge im Nacken: Ohne Waffen waren sie verloren. Die Flüchtlinge sollten erst die Donau als Reichsgrenze überschreiten, wenn sie von römischen Militärs geordnet eingewiesen werden konnten - Doch der Ansturm war größer als jemals zuvor in der Geschichte und die regionale Armee sehr stark ausgedünnt, so nahm das Verhängnis seinen Verlauf. Bedrängt begannen Gruppen von Flüchtlingen auf eigene Verantwortung bereits die Donau zu überqueren. Darunter viele, deren Aufnahme von Valens nicht genehmigt worden war. Der Übergang erfolge an verschiedenen Stellen. Doch mein Augenmerk gilt der "Vertragsgruppe des Valens".


    Bei den Anführern, deren Teilstämmen Land und freundliche Aufnahme versprochen worden waren, handelte es sich um die Fürsten Fritigern und Alaviv.Wen wundert, dass deren Gruppen sich nun zunehmend andere Goten anschließen wollten? Das stärkte deren Verhandlungsposition nach innen und gegen Rom, doch war ihnen klar, dass sie hier nur begrenzten Zuzug erlauben konnten...


    Parallel zu diesen Ereignissen formierten sich Flüchtlinge zu mindestens 3-4 großen Völkerhaufen, die letztlich alle die Reichsgrenzen überschreiten sollten: Die Gruppe um Fritigern und Alaviv war nur eine von ihnen, vermutlich sogar eine der kleineren!


    -Unter dem greutungischen Goten Farnobius sammelten sich auch einstmals zu Athanarichs Konföderation gehörige Taifalen und andere Volkssplitter, darunter Alanen und Hunnen. Sie sollten versuchen mit Gewalt ins Innere des Balkans vorzudringen und wurden 377 durch eine römische Armee überrascht und vernichtet. Die Überlebenden wurden als Unterworfene teils in Italien und gar in Spanien verstreut angesiedelt.


    -Eine weitere Gruppe, vor allem Sarmaten, aber auch einige Taifalen und Goten versuchten westlich in Ungarn einen sicheren Zufluchtsort zu finden. Auch sie wurden letztlich von vor allem weströmischem Militär zerschlagen und zur Unterwerfung gebracht.


    -Ob die nächste Großgruppe meiner Aufzählung mit einem verreiterten Kern von Greutungen und Alanen von Anfang an eine einzige Gruppe gebildet hatten, ist fraglich: Ihre Anführer waren Alatheus und Safrax. Nur der Name Alatheus klingt tatsächlich gotisch. Safrax könnte ein alanischer Anführer gewesen zu sein. Diese wichtige Großgruppe(n) bestand(en) vermutlich vor allem aus gotischen Greutungen und Alanen. Weit vor der Schlacht von Adrianopel, wo sie eine wichtige Rolle spielen sollten, schlossen sich ihnen auch noch hunnische Reitergruppen an. Ob jene Hunnen sich nur als Beutesucher angeschlossen hatten, oder ob sie in internen hunnischen Machtkämpfern als Unterlegene aus dem hunnischen Gemeinverband ausgeschieden waren ist unklar. Spekuliert wird viel. Auch kann daran erinnert werden, dass die ostgotisch-greutungischen Könige vor ihrer Niederlage gegen Hunnen und Alanen auch selbstAlanen und auch hunnische Söldner eingesetzt hatten. Diese Episode spielte aber weit vor 375, wohl schon unter dem Gotenkönig Ermanarich. Dessen Niederlage und der Untergang seines großen, südrussischen Reiches aus Greutungen-Ostgoten gegen die Hunnen und Alanen gilt als der Beginn der Völkerwanderung.


    Der römische Verrat


    Zurück zu den Goten des Fritigern und des Alaviv: Die römischen Behörden scheinen sowohl überfordert, als auch in großen Teilen unwillig gewesen zu sein, die Versprechen des Valens geordnet umzusetzen. Sie versorgten die eingeladenen Gruppen nur sehr unzureichend und bereicherten sich schamlos an ihnen. Als sie die Goten schließlich dazu brachten ihre eigenen Familienmitglieder gegen minderwertige Lebensmittel in die Sklaverei zu verkaufen brachte das die Goten stark gegen sich auf! Diese Unruhen zu besänftigen gab der römische Befehlshaber Lupicinus vor, als er Fritigern und Alaviv zu einem Festmahl in die Stadt einlud. Er hatte auch versprochen, dass sich die Goten auf dem städtischen Markt durch Kauf zusätzlich versorgen könnten. Doch der Zugang zum Markt wurde so reglementiert, dass es keine Erleichterung der Versorgungslage brachte. Die Kaufleute wussten um die Not und brachten mit ihren Forderungen eine weitere Verschärfung der Situation, dass es gar zu einzelnen Gewalttaten gekommen war. Auf dem Festmahl gab es also genügend zu besprechen. Statt dessen ließ der Römer die wenigen Begleiter der Fürsten und den Alaviv töten. Fritigern gelang irgendwie die Flucht. Nun war es mit der Zurückhaltung vorbei: Es kam zu einem Aufstand der enttäuschten Goten. Die Armee des Lupicinus wurde vernichtet, doch die unterversorgten, keineswegs auf Krieg mit Rom eingestellten Goten konnten mit ihren wutentbrannten Vorstößen natürlich nicht eine befestigte Stadt erobern. Der antike Historiker Jordanes erkannte Jahre später in diesem Tag einen großen Wendepunkt. Er sprach von diesem Tag:


    "Jener Tag nahm den Goten den Hunger und den Römern die Sicherheit" (Getica).


    Man begann nun sich durch Plünderungen des Umlands selbst zu versorgen. Die ausbleibende Eroberung von Macrianopel und anderer Städte erfolgte also gewiss nicht, weil die "Barbaren" dazu nicht fähig gewesen seien, sondern weil es ihnen hierfür schon an der notwendigen Nahrung fehlte: Gerade die fehlende Nahrung war es ja, die sie überhaupt angreifen ließen!


    [Eigentlich hätte ich gerne den Rest als neuen Beitrag verfasst, aber was solls, bearbeite ich halt und schrecke durch Textmenge jeden Leser ab]



    Diplomatie oder Falle? Zur Frage der Verhandlungen im Vorfeld der Schlacht


    Fritigern versuchte Valens davon zu überzeugen, dass es sich um einen einmaligen, provozierten Gewaltausbruch und spontane Selbsthilfe gehandelt habe. Bis in die letzten Stunden vor der Schlacht von Adrianopel bemühte er sich um eine Einigung mit dem Kaiser. In der brennenden Versorgungslage und im Zweifel darüber ,wie Rom auf die Kämpfe reagieren würde, war er sich der Schwäche seiner Gotengruppe bewusst. Er wird wohl seine Zurückhaltung aufgegeben haben, wenn sich weitere Goten seiner Gruppe anschießen wollten. Er trat auch in Kontakt mit den Gruppen des Alatheus und Safrax, vielleicht auch mit der Farnobius-Gruppe, denn nur Stärke konnte verhindern, dass er hilflos der Rache der Römer ausgeliefert sein würde. Seit dem Aufstand war es auch mit der ohnehin unzureichenden römischen Versorgung zu ende. Es kam nicht zu einer Verschmelzung dieser drei gotisch dominierten Gruppen im Vorfeld der Schlacht von Adrianopel. Es scheint, dass die Gruppen jeweils separat vorgingen (wie der Untergang des Farnobius beweist), Kämpfe miteinander vermieden und bei Annäherung starker römischer Truppen aus Selbsterhalt zueinander Nähe suchten um der römischen Übermacht die Stirn bieten zu können. Auf Dauer konnte ein solcher Kontakt schon aus Gründen von Versorgungsengpässen nicht aufrecht erhalten werden. Denn alle Gruppen mussten sich wie Fritigerns Goten mit Plünderungen selbst ernähren.


    Es kann vermutet werden, dass alle Teilgruppen im heutigen Bulgarien unabhängig versuchten römische Vertragspartner zu werden, denn sonst hätten sie in anderen Regionen des Reiches bessere Versorgungsbedingungen vorfinden können, ohne konzentrierte römische Militärmacht befürchten zu müssen. Hier im Vorfeld Konstantinopels würde Rom ganz sicher reagieren und tatsächlich sollte sich die Hofarmee des Valens einfinden...Gleichzeitig verhinderten römische Truppen, dass sich die Völker tiefer nach Süden ausbreiten konnten. Das bulgarische Balkangebirge war eine leicht zu verteidigende Sperre, hier wurde schließlich Farnobius und seine Gruppe erfolgreich überwältigt! Die Versorgungslage der gotischen Gruppen im engen Bereich zwischen Donau und bulgarischem Balkangebirge blieb durchgehend angespannt. So ließen sich auch keine Belagerungen organisieren. Wie in Macrianopel sammelten die Römer in befestigten Städten die dringlich erforderlichen Vorräte. So mussten die Streifzüge der Goten immer weitere Gebiete absuchen. Die Situation der Völker blieb angespannt. Ohne Einigung mit Rom war ihr Überleben kaum möglich. Ein Zurück ins Barbaricum gab es nicht mehr. Im Osten lag das Meer und im Westen mochten Beute und Vorräte locken, doch dann würde man Rom nicht mehr zu einem Vertrag drängen können. Statt dessen gab man Konstantinopel Zeit in Ruhe Gegenmaßnahmen einzuleiten und provozierte zusätzlich auch Westrom. Das spätere Jugoslawien war überwiegend von Westrom beansprucht... Die beiden römischen Reiche hatten also alle diplomatischen Trümpfe in der Hand und verhandlungswillige Gegner in seinen Grenzgebieten festgehalten. Gerne wird die Verhandlungsbereitschaft des Fritigern im Vorfeld der Schlacht von Adrianopel als Trick dargestellt, um die Armeen des Alatheus und Sarfrax rechtzeitig eintreffen zu lassen.


    Meiner Ansicht nach ist der Grund umgekehrt. Fritigern konnte nur dann eine Verhandlungslösung erreichen, wenn er Valens nicht noch zusätzlich die Versorgung der Gruppen des Alatheus und Safrax aufzwingen musste. Das ursprüngliche Angebot des Valens hatte nur die jetzt unter Fritigern vereinten, vielleicht mehrheitlich christlichen Gotischengruppen betroffen. Damals noch unter Fritigern und Alaviv. Aus rechtlich, römischer Sicht war Fritigern jetzt ein aufständischer Reichsbürger, der zur Botmäßigkeit gebracht werden musste. Die gewöhnlich als Ostgoten, Alanen und Hunnen bezeichneten Gruppen aus Reiterkriegern unter Alatheus und Safrax waren aus römischer Sicht gewöhnliche Reichsfeinde und Plünderer, mit denen Fritigern erst unter dem Druck des Valens gemeinsame Sache machen musste. Die Kontakte zwischen diesen Gruppen waren sicherlich niemals abgebrochen, doch erst die Schlacht von Adrianopel schweißte sie zusammen. Daher erfolgte das Eintreffen dieser gotischen Verstärkungen nicht als von langer Hand geplante "Falle" für die Armee des Valens, sondern erst unter römischem Druck als Notgemeinschaft! Der von Alex beschriebene Verlauf der Schlacht unterstreicht durch spätes Eintreffen der Reiter und ihren Überraschungsangriff, dass es kein eingeplantes, taktisches Manöver gewesen sein kann!


    In der Schlacht griff auch keinesfalls die komplette militärische Macht von Alatheus und Safrax ein, sondern diese Reiter werden in römischen Berichten nur als "Fouragiere" erwähnt. Fouragiere nannte man berittene Streifgruppen, die im Umfeld des eigenen Heeres durch Plünderungen Fourage (= Lebensmittel) zur Versorgung sammeln mussten. Gerade die Notwendigkeit der geflüchteten Völker sich mit Gewalt selbst zu versorgen, hatte den Römern im Vorfeld der Schlacht bereits manchen billigen, kleinen Sieg über isolierte Fouragiere ermöglicht!


    Es war kein gewöhnlicher Krieg. Die gotische Seite hatte kein Rückzugsgebiet und keine eigenen Basen, jedoch ein Heer und eine unbekannte Menge an gewöhnlichem Volk zu ernähren. Sie stand mit dem Rücken zur Wand: Besonders die Terwingen, denn sie waren Bauern, die nicht wie östliche Reitervölker zusätzlich Herden von Tieren zur eigenen Versorgung in beschränktem Maße mit sich führen konnten. Diesen Luxus besaßen damals vielleicht in gewissem Maße die verreiterten, östlichen Völker wie Hunnen, Alanen und überwiegend auch die gotischen Greutungen. Kein Vergleich mit dem "Hordenmodus" aus Total War. Natürlich befand sich unter der Beute im Römerland auch begehrtes Vieh, das man mit sich nehmen konnte.


    Erst nach der Schlacht von Adrianopel entwickelten sich die Westgoten zu einem Reitervolk. Spätestens, als man unter König Alarich nach Italien aufbrach und den Balkan verließ. Erst als im Jahre 418 ein römischer Vertrag die Westgoten um das westfranzösische Toulouse herum ansiedelte, war die Zeit der Wanderung beendet. Zwischen dem Schicksalsjahr 378 und 418 liegen 40 Jahre, in welchen die Westgoten überwiegend auf einer Wanderschaft waren. Das erinnert an die biblische Geschichte der Auswanderung der Juden unter Moses aus Ägypten ins gelobte Land, die insgesamt ebenfalls 40 Jahre gedauert haben soll.


    Adrianopel wurde zum Kulminationspunkt dieser gotischen Auswanderung ins Reich: Aus den an der Schlacht beteiligten Gruppen aus Terwingen, Greutungen (beides gotische Völker), sowie anderen Volkssplittern aus Alanen und möglicherweise auch Hunnen entstand nach dem Friedensvertrag mit dem römischen Reich das neue Volk der Westgoten. Es sollte noch bis zum Oktober 382 dauern, bis der neue, oströmische Kaiser Theodosius der Große seinen Frieden mit diesen Westgoten machte. Jetzt erst wurde die versprochene Ansiedlung der Goten im Einvernehmen mit den Römern auf dem römischen Balkan durchgeführt . Dieser Vertrag wurde wieder ein Foedus genannt. Man nennt die Siedler daher meist auf Deutsch Föderaten. Aber dieser Vertrag war anders als jeder Foedus zuvor.


    Man gewährte den Goten eine weitgehend geschlossene Ansiedlung, sie durften ihre Waffen behalten und bekamen innere Autonomie. Im Gegenzug waren sie zu jeder Heerfolge verpflichtet, in jedem von Rom einseitig verlangten Teil der Welt. Die Westgoten waren seither ein Heer in römischem Sold, unterbrochen von gelegentlichen, von Rom als Aufstände interpretierten Kämpfen..


    Vom Schicksal der Anführer der Barbaren


    Das weitere Schicksal der gotischen Anführer um Adrianopel ist nicht klar. Im Vorfeld hatte wie erwähnt Farnobius mit seinen Völkern Schlacht und Leben verloren. Alaviv war bei einem Gastmahl ermordet worden. Die Namen Fritigern, Alatheus oder Safrax fallen schon weit vor 382 nicht mehr. Besiegt wurden sie wohl nicht, sonst hätten sich römische Generäle damit einen Namen machen können. Fielen sie innergotischen Auseinandersetzungen zum Opfer? War ihre Beseitigung Vorbedingung für den Frieden mit Rom? Das Fehlen jeder Nachricht überrascht. Ich halte das nicht für einen Zufall...


    Abschließend das weitere Schicksal des einstigen Anführers der terwingischen Koalition vor dem Schicksalsjahr 375 Athanarich: Er hatte sich einst gegen Valens in einem mehrjährigen Krieg behaupten können. Nach Zerfall seiner Koalition gegen die Hunnen hatte er sich mit seinen Anhängern einen Rückzugsort in den rumänischen Karpaten (sogenanntes "Caucaland") erkämpft. Erfolglosigkeit und ständige Beunruhigung durch hunnische und rivalisierende Gruppen ließen seinen Anhang zusammenschmelzen. Schließlich musste er sich vor dem epochalen Foederatenvertrag zwischen Rom mit den "Westgoten" um Zuflucht in Konstantinopel bemühen. Er, der unabhängige Anführer vieler Völker. Er soll einst stolz zu Valens im Vorfeld des Friedensschlusses auf der Donau im Jahre 369 gesagt haben, dass er sich niemals auf römischen Boden begeben werde. Athanarich wurde mit seinem engeren Kriegergefolge am 11.Januar 381 glanzvoll in der Hauptstadt empfangen. Bereits 10 Tage später war er tot. Warum - wird nicht überliefert. Er erhielt ein glanzvolles Staatsbegräbnis, seine Krieger wurden direkt in römische Einheiten eingereiht...

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