Sportstättenförderung in Deutschland

  • Hier mal ein Thema, dass mich sehr bewegt. Die immer weiter zunehmende Schließung von Freibädern und Badeanstalten.
    Warum konnte sich ein wesentlich ärmeres Deutschland in den 50er und 60er Jahren den Bau (!) und Unterhalt hunderter oder tausender Badeanstalten leisten, während das heutige Deutschland nach Jahren des Booms das angeblich nicht mehr stemmen kann? Was hat man Früher anders gemacht? Wo kam das Geld denn damals her? Beteiligte sich der Bund? Was wird aus Chlorgeruch, Wasserrutsche, Pommes, Keksen und Eis im Sommer? Wo lernen Kinder heute noch Schwimmen? Wo trainieren unsere möglichen zukünftigen Olympia-Schwimmer? Wo und wie sollte man sie überhaupt entdecken? Die Badeanstalt war immer schon der Sommerurlaub der kleinen Leute. Ich finde es traurig, dass immer mehr Frei- und Hallenbäder geschlossen werden.

  • Das liegt schlicht und ergreifend daran das Schwimmbäder schon immer ein Zuschußgeschäft waren. Da diese aber in der Regel von den Komunen unterhalten werden, welche im Gegensatz zum Bund nicht im Geld schwimmen, ist das ein nicht unbedeutender Kostenfaktor im Haushalt. Ist bei uns im Ort genau so und obwohl die Gemeinde im vergleich zu anderen finanziell ganz gut da steht ist das Freibad permanent von der Schließung bedroht. Der Unterhalt kostet die Gemeinde ca. 150K Euro im Jahr und sollte mal eine Sanierung anstehen gehen die Kosten in die millionen und das ist dann der Punkt an dem der Laden zugesperrt wird, auch in "reichen" Orten.


    "Telling an atheist they're going to hell is as scary as a child telling an adult they're not getting any presents from Santa"

    -Ricky Gervais-


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    -Bernd Stromberg- :thumbsup:

  • Dann müsste man mal rausfinden warum die Kommunen heutzutage weniger Geld für sowas haben.


    Hoffen wir mal für John es liegt nicht an irgendwelchen Steuerreformen unter Schröder, sonst artet das hier nur wieder in SPD-Bashing aus ;)

  • Ich bin da ein bissl drin, da die Schließung eines Bades in Bochum gerade abgewendet wurde.
    Subjektiv ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Vollständigkeit.


    1) Die Finanzlage der Kommunen ist gerade im Schnitt recht gut. Im Gegensatz zu dem Stand von 10 oder 15 Jahren.


    2) Die Schulden aus dieser Zeit belasten den Haushalt in erheblichen Maße


    3) Unter Kohl fiel die Gewerbekapitalsteuer weg. (wurde allerdings gegenfinanziert. Obs 100% sind weiß ich allerdings nciht)


    4) Die Belastung mit Sozialausgaben wird immer höher. (auch unabhängig von den Flüchtlingen)


    5) Gerade große Unternehmen bezahlen keine Steuern. (das ist aber auch nicht seit gestern so) (Die Schließung der Opelwerke und von Nokia in Bochum hinterließ hier z.b. nur relativ kleine, bzw. indirekte Einnahmenausfälle)


    6) Die Kosten des Unterhalts eines Bades sind heute wesentlich höher. Energiekosten, Personalkosten...etc.


    7) Bäder die in den 60ern gebaut wurden sind oft so marode, dass sie spätestens jetzt grundsaniert oder ganz neu gebaut werden müsse, weil es günstiger is, was hohe Investititonen benötigt. Da schließt man lieber oft gleich. ---> In den 60ern baute man günstiger.


    8) Und schlussendlich: Die Besucherzahlen sind langfristig gesehen eingebrochen. (u.a. weniger Kinder, und die die es gibt, zocken oft lieber...etc, oder gehen private Bäder und die Erwachsenen dann in Saunalandschaften ...etc.)
    Man darf sich durchaus mit Recht fragen ob bei den zu erwarteten Besucherzahlen von heute in den 60ern so viele Bäder gebaut worden wären.


    Zueletzt ist es eine Frage der Priortitätensetzung.
    In den 60ern waren öffentliche Bäder Prestigeprojekte.
    Heute....sind sie nunja. Ganz nett.

  • Also die Frei/Hallenbäder die ich kenne sind immer gut besucht. Allerdings sind wir auch eine starke Region und mit der Nähe zu Frankreich kommen auch sehr viele Nachbarn über die Grenze zu Besuch.


    Das "berühmteste" Bad der Region dürfte das Frauenbad sein, was vor allem auch sehr viele muslimischen Frauen von der anderen Seite des Rheins gerne besuchen.


    Und das Freibad in meinem Heimatort direkt an der Grenze ist wenn beide Seiten Sommerferien haben hoffnungslos überfüllt.


    Andersrum wird auch ein Hallenbad auf französischer Seite gerne von Deutschen besucht. Aber das Elsass ist halt genauso eine "starke" Region.


    Aber vermutlich sieht das in eher schwachen Regionen, wo es auch wenig gute Jobs gibt, sprich die jungen Leute wegziehen wenn sie können, schon ganz anders aus...


    Am Ende muss man eben entscheiden was einem sowas wert ist. Nicht jeder kann oder will sich privaten Einrichtungen leisten. Weniger öffentliche Angebote für körperliche Freizeitaktivitäten, bedeutet am Ende dann halt auch mehr Krankheiten wie Übergewicht, was am Ende dann wieder ordentlich kostet. Prävention wäre da wahrscheinlich die günstigere Lösung.


    Und in schwache Regionen nicht zu investieren, bedeutet, dass sie noch schwächer werden. Ein Teufelskreis.

  • Das beste Argument für defizitäre Bäder ist in meinen Augen die Möglichkeit für Schwimmuntericht.


    Wenn neben umziehen und duschen auch noch ein längerer Bustransport dazukommt, fällt der Schwimmuntericht in den meisten Schulen schnell mal unter den Tisch oder besteht nur noch aus 10 Minuten.


    Die Resultate sind dann in den "Ertrunken" Statistiken zu bewundern.


    P.S.
    Freibäder sind voll, wenn das Wetter gut ist.
    Sonst sind sie leer.


    Und ich behaupte.
    Auch in Freiburg waren die Bäder früher voller.

  • Freibäder haben ja nur in der Saison geöffnet, also viel weniger Kosten wenn geschlossen.


    Und ich behaupte.
    Auch in Freiburg waren die Bäder früher voller.


    Dazu kann ich nichts sagen. Ich bin ja nicht in allen Bädern. Im Frauenbad war ich aus Gründen noch nie :P
    Bei mir in der Nähe gibt es ein großes Hallenbad das immer gut besucht ist. Und bei besagtem Freibad in meinem Heimatort trifft deine "früher voller" Theorie auf keinen Fall zu, voller wie es da manchmal ist geht nicht, glaub die haben sogar schon manchmal den Einlass gesperrt.


    -


    Und Schwimmunterricht ist auf jeden Fall ne super Sache denke ich, hatte ich z.B. nie. In nem Kindergarten wo ich mal gearbeitet habe gab es Schwimmunterricht als zusätzliches kostenpflichtiges Angebot. Toll für die die es sich leisten können... Das Selbe gab es auch mit Musik und Englisch, Extrasachen kosten auch extra :thumbdown:

  • Und bei besagtem Freibad in meinem Heimatort trifft deine "früher voller" Theorie auf keinen Fall zu, voller wie es da manchmal ist geht nicht, glaub die haben sogar schon manchmal den Einlass gesperrt.

    Freibad halt. Immer vom Wetter abhängig
    Einige wenige Tage voll, wenn super Wetter ist.
    Sonst leer.
    Wichtig ist hier die langfristige Entwicklung. Wir vergleichen mit den 60er Jahren!
    Oder von mir aus noch mit den 80ern und 90ern.


    Hast du da Zahlen zu?
    Ich kann dir sagen. Fürs Ruhrgebiet hat sich da die Zahl der Gäste mehr als halbiert bis geviertelt.

  • Nein ich habe keine Zahlen und natürlich könnten es früher im Schnitt auch mehr Besucher gewesen sein.


    Trotzdem finde ich es gut dass es so viele Bäder hier gibt und verstehe jeden der enttäuscht ist, wenn in seiner Region welche geschlossen werden.


    Man muss aber auch auf die Zahlen der Bevölkerung insgesamt schauen, die wachsen hier ja auch. Auch das sieht woanders wahrscheinlich anders aus.

  • In den 60ern baute man günstiger.

    Deutlich. Da musste man bei Freibädern ja nur die Becken irgendwie gießen, verkleiden und dann noch die Sanitäranlagen schaffen. Für Umkleiden und Co. konnte man einfach die Behelfsheime/Barracken aus der Nachkriegszeit verwenden.

    ___ ___ ___ ___ ___

    And before he died, Taran-Ish had scrawled upon the altar of chrysolite with coarse shaky strokes the sign of DOOM.

  • Da ich selber aus der Leistungsschwimmer-Sparte komme, finde ich dieses Thema auch sehr interessant. Für mich ist die Perspektive der Leistungsschwimmer natürlich ein Faktor und ich schaue mir gerne die Schwimmwettkämpfe bei den Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften an.


    Ich selber habe bis zu meinem 19.Lebenjahr auf einer 12,5m Bahn trainiert und es trotz der widrigen Umstände (normalerweise muss auf ner 25m oder 50m-Bahn trainiert werden, um halbwegs erfolgreich zu sein) zu zwei Landesmeistertiteln in Niedersachsen gebracht. Durch meine sportliche Zeit in meiner Jugend bin ich viel in Norddeutschland rumgekommen und auch mit meiner Konkurrenz ins Gespräch gekommen. Viele von ihnen trainierten oft in öffentlichen Bädern (mein Verein durfte ein Schwimmbad einer Grundschule nutzen, welches nicht für den öffentlichen Badebetrieb zugänglich gewesen sind) und einige von ihnen verschwanden mit samt ihren Vereinen von einem Jahr aufs andere oder wechselten den Verein.
    Der Grund war in der Regel folgender: in den 90ern, und auch heute noch, durften viele Schwimmvereine öffentliche Bäder unentgeltlich nutzen. In den späten 90ern mussten aber viele Kommunen aufgrund der finanziellen Belastungen Geld von den Vereinen verlangen, welches die Vereine ohne drastische Beitragserhöhungen aber nicht stemmen konnten.
    Andere Sportarten wie z.B. Fußball wurden einfach mehr gefördert, so dass man teilweise gezwungen gewesen ist, die Schwimmabteilungen für den Leistungssport aufzulösen. Das habe ich als sehr bedauerlich empfunden.
    Zwei Vereine aus meinem Landkreis haben seit ihrer Auflösung im Jahre 2002 ihren Betrieb nicht mehr aufnehmen können, da die Kommune weiterhin auf die Bezahlung von Hallenzeiten für den Leistungssport beharrt.
    Und DAS finde ich in unserer heutigen Zeit einfach zum :kotz:
    Es wird über die Sportfaulheit und das Übergewicht unserer Kinder hergezogen. Es wird über die fehlenden Schwimmkenntnisse unserer Kinder berichtet. Aber genau die Generation, die heutzutage in den Ortsverbänden und Stadträten unserer Kommunen Entscheidungspositionen besetzen, sind gerade die Lästerer über unsere Kinder. Genau die Personen sind nicht bereit finanziellen Spielraum für den Breitensport zu schaffen.
    Twiggels hat es ja angemerkt. Sooooooo dreckig geht es vielen Kommunen finanziell nicht.
    Glaubt mir, wenn Deutschland (vor allem auch der Bund) mehr Euros für den Breitensport springen lässt, dann steigen in Zukunft auch wieder mehr deutsche Medaillengewinner aus den olympischen Schwimmbecken dieser Erde.


    Bin zwar jetzt nicht voll auf den Schließung-von-Bädern-Zug aufgesprungen, aber Johns Frage nach den zukünftigen Olympiasiegern im Schwimmen war für mich die Vorlage meinen Senf dazuzugeben. :D

  • Schwimmen ist eine der wenigen Sportarten, die kaum Nebenwirkungen hervor ruft und das Verletzungsrisiko ist relativ geringt. Dagegen sind Fußball, Turnen und Laufen die reinsten Verschleissmaschinen. Von daher sollte die Allgemeinheit ein Interesse daran haben, dass den Menschen die Möglichkeit zur kostengünstigen und nahen Ausübung dieses Sportes gegeben wird.


    Wenn die Auslastung der Bäder schlecht ist und dadurch Sanierungen keine Mehrheiten in Ratssitzungen mehr finden, ist das natürlich ein Argument, sollte aber auch diskutiert werden. Schwimmen halte ich für eine Kompetenz, die im Sportunterricht vermittelt werden sollte. Ich habe es in der Schule gelernt und kann es bis heute, ähnlich wie Radfahren.

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