Amazonas ehemals „dicht“ besiedelt?

  • Archäologen wollen herausgefunden haben, dass der vermeintlich „unberührte“ Dschungel des Amazonas-Beckens in der Zeit zwischen 1250 und 1500 verhältnismäßig dicht besiedelt war. So fand man mehrfach Überreste von kleineren und größeren Dörfern, Siedlungen und Städten, die darauf hindeuten, dass in den heute vielfach verwilderten und von Dschungel überwachsenen Gebieten einst menschliche Kulturlandschaften bestanden, die bis zu einer Million Menschen im Amazonas-Becken eine Heimat geboten haben könnten. Kurz vor oder um das Eintreffen der Europäer in der Neuen Welt verlieren sich diese Zivilisationsspuren dann. Die Siedlungen verwilderten und wurden von Dschungel überwachsen.


    Bisher ging man davon aus, dass das Amazonas-Becken jeher ein weitgehend unberührter Dschungel gewesen sei.

  • Zu der Thematik gibt es ein mMn recht lesenswertes Buch, das einige solche bislang eher wenigen bewusste Erkenntnisse über die Bewohner der beiden Amerika vor den Eintreffen der europäischen Entdecker beschreibt.


    Charles C. Mann: Amerika vor Kolumbus.Die Geschichte eines unentdeckten Kontinents.
    ISBN-13: 978-3498045364
    Die englische Ausgabe (1491: New Revelations of the Americas Before Columbus) ist auch als Taschenbuch für ca. 10€ erhältlich.



    An einigen Punkten wird durch unpassende Vergleiche eine Überlegenheit der amerikanischen Kulturen herbeigeschrieben, allerdings trübt das nicht den Gesamteindruck.

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    And before he died, Taran-Ish had scrawled upon the altar of chrysolite with coarse shaky strokes the sign of DOOM.

  • Zumindest ist unstrittig, dass die zivilisatorische Hochphase bereits vor dem Eintreffen der Europäer in weiten Teilen vor allem Südamerikas teilweise vorüber war. Die Europäer trafen teilweise auf bereits sehr geschwächte Gesellschaften. Ich habe dazu unterschiedlichste Theorien gehört. Kriege, Seuchen, Klimaveränderungen usw., die als Ursache für das Verschwinden ganzer Hochkulturen verantwortlich sein sollen. Die Europäer haben dann quasi den Rest besorgt. Aber insgesamt ist das alles wohl nur sehr schwer erforschbar, da teilweise natürlich schriftliche Quellen fehlen.


    In Apocalypto wird das ja auch ähnlich filmisch dargestellt. Eine Gesellschaft zerfressen von Seuchen, die glaubt, das Ende sei nah. Und dann kommen die Europäer. Gut, ist nur ein Film, aber greift genau diese Theorien auf.

  • Die Europäer trafen teilweise auf bereits sehr geschwächte Gesellschaften. Ich habe dazu unterschiedlichste Theorien gehört. Kriege, Seuchen, Klimaveränderungen usw., die als Ursache für das Verschwinden ganzer Hochkulturen verantwortlich sein sollen.


    Wenn ich den Ansatz von Charles C. Mann richtig verstehe (habe jetzt nur eine Inhaltsangabe gelesen), dann ist das Verschwinden maßgeblich auf von den Europäern eingeschleppte Krankheiten zurückzuführen. Diese haben sich dann schneller verbreitet als die Siedler selber.


    Jetzt mal grob: Um 1500 kamen die ersten Europäer und die wirklich dichte Besiedlung begann über 400 Jahre später in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Also hatte die Natur ausreichend Zeit um die Überreste durch Seuchen vernichteter Zivilisationen zu verbergen. Und nicht jeder Bauer der mal irgendwo Tonscherben gefunden hat, wird das einer Archäologie-Behöre gemeldet haben ;)


    Ansonsten habe ich in der Inhaltsangabe noch was über den in einigen Punkten höheren Fortschritt gelesen. Kartoffeln sind definitiv eine super Sache aber was können wir (Europäer) dafür wenn es die bei uns nicht gab? Dafür haben wir Schweinefleisch, das ist auch toll. Und schnellere Boote sind zwar ne feine Sache aber mit unseren Segelschiffen konnte man Weltmeere überqueren und Technologien wie Metallverarbeitung sind auch nicht von schlechten Eltern.
    Andererseits, was können die Ureinwohner dafür dass es keine Pferde in Amerika gab?
    Viele Dinge sind also natürlich bedingt. Und viele Technologien (und auch die Resistenz gegenüber Krankheiten) hat sich auch durch den Austausch der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika entwickelt.
    Ich würde sagen die amerikanischen Ureinwohner waren gemessen an den natürlichen Gegebenheiten hoch entwickelt aber gar höher als die europäischen Siedler würde ich sie insgesamt nicht bezeichnen (in einzelnen Punkten aber gerne).

  • Ja sie waren sicher hoch entwickelt. Hatten aber andererseits auch Menschenopfer und noch nicht das Rad entwickelt. Auch bautechnisch war das so ne Sache. Einerseits hervorragende Kanalisationen, wie man sie in Europa seit den Römern nicht mehr hatte, Dammstraßen usw. andererseits aber eben auch keine Rundbögen beim Bauen und derartige Techniken. Insgesamt waren sie technisch definitiv unterlegen.


    Ich habe auch mal gehört, dass eine große jahrelange Dürre zum Aussterben vieler Inka-Städte führte, etwa 100 Jahre bevor die Europäer Amerika entdeckten. Wird auf ein besonders heftiges El Nino Phänomen zurückgeführt, dass in der gleichen Zeit in Europa für große Kälte und verregnete Jahre sorgte.


    Das mit den Seuchen ging übrigens vermutlich in beide Richtungen. Die Europäer haben womöglich die Syphilis aus Amerika eingeschleppt. Zumindest behauptete ein spanischer Arzt, er habe diese Erkrankung zum ersten Mal bei Männern der zweiten Amerikareise von Kolumbus nach ihrer Rückkehr gesehen.

  • Hier:


    https://www.rowohlt.de/downloa…/LP_978-3-498-04536-4.pdf


    gibt es übrigens eine kostenlose Leseprobe von:

    Charles C. Mann: Amerika vor Kolumbus.Die Geschichte eines unentdeckten Kontinents.
    ISBN-13: 978-3498045364
    Die englische Ausgabe (1491: New Revelations of the Americas Before Columbus) ist auch als Taschenbuch für ca. 10€ erhältlich.

  • Warum? Darf man Inka und Azteken nicht kritisieren?


    Du darfst jeden und alles kritisieren ;)


    Natürlich wird es Dürren und andere Katastrophen gegeben haben, genauso wie bei uns, trotzdem waren die Europäer die größte Katastrophe für die Ureinwohner (und sind es so gesehen immer noch, Indianer in den USA beispielsweise sind wohl die Gruppe mit den wenigsten Rechten, dagegen leben Latinos und Afro-Amerikaner wie Sonnenkönige - überspitzt formuliert)

  • Aber dann vorzugsweise nicht mit einem kulturimperialistischen Unterton. (Ranking)


    Und selbst das darf man, ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen. Das sogenannte christlich-jüdische Abendland ist die bis zum heutigen Zeitpunkt vorherrschende "Kultur". Die Welt unterwirft sich unserer Sprache, unserer Zeitrechnung, stellenweise unserem Rechts- und Regierungssystem, und nutzt unsere technologischen Errungenschaften. Politiker und Geschäftsleute in der ganzen Welt tragen Anzüge etc. etc. etc. Keine andere "Hochkultur" hat der Menschheit einen solchen Stempel aufgedrückt wie das British Empire und andere Kolonialmächte. Und noch ist das Christentum auch die am weitesten verbreitete Religion.

  • Wenn ich sage die Inka und Azteken waren technisch gegenüber den Europäern unterentwickelt, dann ist das "kulturimperialistisch"? :blink: (Stammt das Wort aus Honeckers Mottenkiste?) Und dass es massenhafte Menschenopfer gab, die man in Europa und Asien zu dieser Zeit weitestgehend überwunden hatte, das muss man doch schon mal erwähnen können oder? Mir ist ja nur wichtig, dass die Ureinwohner, die Azteken und Inka nicht immer so als die reinen "Lämmer" dargestellt werden. Ich wäre denen als unterlegenes Volk nicht gerne in die Hände gefallen.


    Bezüglich der Tatsache, dass die Europäer für die Ureinwohner Amerikas die "Apokalypse" waren, das ist ja unstrittig. Darüber brauchen wir nicht wirklich diskutieren. Die Frage ist ja nur, ob es nicht schon vorher einen gewissen Zusammenbruch dieser Gesellschaften gab.

  • Wenn ich den Ansatz von Charles C. Mann richtig verstehe (habe jetzt nur eine Inhaltsangabe gelesen), dann ist das Verschwinden maßgeblich auf von den Europäern eingeschleppte Krankheiten zurückzuführen. Diese haben sich dann schneller verbreitet als die Siedler selber.

    Auch, allerdings ist das Buch - von der Steinzeit bis ca. zum 16. Jahrhundert - zeitlich sehr weit gefasst. Bei den Mayastädten und den Vorgängern der Inkas führt er auch Klimaphänomene für das Ende zeitlich begrenzter Blütezeiten an (schon vor den Europäern entstanden und fielen Reiche in Nord- und Südamerika), ebenso weist er - auch bei den Bevölkerungsgruppen entlang des Mississippi-Flußsystems, in Mittelamerika und in den Anden - auf kriegerische Auseinandersetzungen hin.


    Andererseits hinken eben einige Aussagen, gerade wenn es um Vergleiche geht. An einer Stelle mockiert er sich, dass die Konquistadoren mit unpassender Kleidung in den Urwald aufgebrochen seien, während die Bevölkerung Amerikas über Baumwolle verfügte. Schon klar, aber in Europa war nunmal Wolle und Leinen am weitesten verbreitet und auch für das kältere, europäische Klima besser geeignet. Baumwolle stand nur als Import aus der Levante zu Verfügung.
    Dasselbe gilt, wenn er die mit Pockennarben gezeichneten Siedler Nordamerikas den nicht dadurch "verunstalteten" nordamerikanischen Indianern gegenüberstellt etc. - irgendwie ist das schon wieder zu romantisierend und vermutlich auch dem journalistischen Hintergrund des Verfassers geschuldet. Und was bringt der Vergleich wenn die indianische Bevölkerung danach massenhaft genau diesen Pocken zum Opfer fällt?

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    And before he died, Taran-Ish had scrawled upon the altar of chrysolite with coarse shaky strokes the sign of DOOM.

  • Beim Thema Menschenopfer schneiden die Ureinwohner aber phänomenal ab, was sich die Menschen aus der Alten Welt mit dem Holocaust als Gipfel geleistet haben, kommt ein so ein paar läppische Menschenopfer nicht mal im Ansatz ran.


    Jahrtausende voller Krieg, Folter, Vertreibung und Genozid.

  • und noch nicht das Rad entwickelt.

    Was ich irgendwie auch nicht so ganz glauben kann, vor allem hat man ja z.B. kleine aztekische Tonfiguren mit Rädern gefunden, von denen man ausgeht dass es Spielzeuge waren. Mir erscheint es da einfach logischer dass diese Völker das Rad durchaus kannten, aufgrund der Geografie und der dort vorhandenen Tiere aber eher selten darauf zurückgegriffen haben. Es gibt z.B. genug schwer zugängliche griechische Dörfer die in der Antike sicher nicht mit Karren sondern mit Eseln versorgt wurden, trotzdem kommt niemand auf die Idee zu behaupten das in weiten Teilen Griechenlands das Rad unbekannt war :grübel:

    Beim Thema Menschenopfer schneiden die Ureinwohner aber phänomenal ab, was sich die Menschen aus der Alten Welt mit dem Holocaust als Gipfel geleistet haben, kommt ein so ein paar läppische Menschenopfer nicht mal im Ansatz ran.

    Was ist das denn bitte für ein Vergleich? Zum einen kann man eine mittelalterliche Gesellschaft kaum mit einer industrialisierten vergleichen, auch was die Möglichkeiten des Massenmordes angeht, zum anderen werden rituelle Menschenopfer und rituelle Kriege zur Beschaffung von Menschenopfern nicht dadurch angenehmer, dass auf der anderen Seite der Welt andere Gräuel verübt werden.


    Ich denke aber auch nicht, dass religiöse Morde wirklich so ein guter Aspekt sind um auf den Entwicklungsstand einer Kultur zu schließen, wir waren daran ja auch nicht gerade arm, auch wenn da kein Hohenpriester für Regen gebetet hat.


    An sich finde ich gerade die Azteken recht interessant, hab da vor langem mal eine Doku drüber gesehen welche Entwicklungen bei den Azteken in naher Zukunft abzusehen gewesen wären. So waren sie relativ zentralisiert, expansiv, hatten wohl eine weit entwickelte Logistik und Baukunst und man hat Hinweise darauf gefunden, dass sie bei Ankunft der Spanier bereits mit fortgeschritteneren Metallen/Legierungen experimentiert haben.


    100 Jahre mehr Zeit und die Europäer hätten in Südamerika vielleicht wesentlich schwerere Bedingungen vorgefunden. Andererseits sind wir Europäer durch Jahrhunderte des Krieges in den unterschiedlichsten Konstellationen untereinander wohl auch ziemlich gut darin geworden Feinde zu spalten und ihnen dadurch Land wegzunehmen, etwas was wir beim kolonisieren der Welt immer wieder gemacht haben, also vielleicht hätte es am Ende dann doch keinen Unterschied gemacht.

  • 100 Jahre mehr Zeit und die Europäer hätten in Südamerika vielleicht wesentlich schwerere Bedingungen vorgefunden. Andererseits sind wir Europäer durch Jahrhunderte des Krieges in den unterschiedlichsten Konstellationen untereinander wohl auch ziemlich gut darin geworden Feinde zu spalten und ihnen dadurch Land wegzunehmen, etwas was wir beim kolonisieren der Welt immer wieder gemacht haben, also vielleicht hätte es am Ende dann doch keinen Unterschied gemacht.


    Wenn die Theorie mit den Seuchen stimmt hätte höhere Entwicklung in Kriegstechnik alleine die Ureinwohner nicht vor dem Untergang bewahrt.


    Und in tatsächlichen Kämpfen waren die Europäer zwar häufig in der Unterzahl aber spätestens ab dem Zeitpunkt als klar war, dass sich in der Neuen Welt erhebliche Reichtümer befinden, hätte die Alte Welt wohl auch nach einer Niederlage einfach mehr Streitkräfte geschickt.


    und man hat Hinweise darauf gefunden, dass sie bei Ankunft der Spanier bereits mit fortgeschritteneren Metallen/Legierungen experimentiert haben.


    Mit einer fortgeschrittenen Metallverarbeitung kommt man höchstens auf den Stand des europäischen Mittelalters. Da fehlt dann immer noch das Schwarzpulver.


    100 Jahre sind auch nicht besonders viel Zeit um eine neue Technologie auf dem gesamten Kontinent zu verbreiten. Unsere Errungenschaften haben früher auch ihre Zeit gebraucht, umsich auf der Welt zu verbreiten.


    Was ist das denn bitte für ein Vergleich?


    Hm, der Vergleich war vielleicht nicht perfekt. Eigentlich wollte ich damit sagen, dass man den Stand einer Zivilisation nicht so sehr daran festmachen kann wie sie mit Menschen umgeht. Menschen bringen einander um seit es Menschen gibt, der Fortschritt kommt aber trotzdem voran.

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