Die Sache mit der Tradition

  • Hallo, als ich vor fünf Jahren mit Schreiben begonnen habe, habe ich ich ja parallel dazu auch versucht das Universum meiner SF-Romane etwas auszuarbeiten. Darunter war auch eine Art Flottenliste. Als ich die erstellt habe, habe ich natürlich auch Namen von Seekriegshelden für die Namen der Raumschiffe verwendet. Und während mir die Namen der englischen, französischen, US-amerikanischen, russischen sogar der japanischen recht leicht von der Hand gegangen sind, habe ich mich bei den deutschen deutlich schwerer getan.


    Da habe ich mich wirklich gefragt, nach welchen deutschen Seeoffizieren könnte man überhaupt Schiffe der Bundesmarine benennen. In der aktuellen Nomenklatur der Bundesmarine sind Personen ja ohnehin nicht vorgesehen, weil die Schiffe sämtlichst nach Bundesländern, Städten, Flüssen oder Tieren benannt sind. Soweit so gut.


    Mit den FK-Zerstörern der Lütjens-Klasse hatte die Bundesmarine ja mal einen anderen Weg beschritten, wenn auch keinen besonders glücklichen, will ich mal rückblickend sagen. Die drei Schiffe waren ja mit Lütjens, Mölders und Rommel nach ehemaligen Militärs des dritten Reichs benannt. Keine Ahnung, was der damalige Verteidigungsminister und späterer Agenda-2010-Kanzler Gerhard Schröder damit bezweckt hatte, aber wirklich funktioniert hat es wohl nicht, zumal alle drei etwas problematisch sind. Auch bei den verbündeten USA kam das damals nicht so gut an.


    Das fängt schon bei Lütjens an, der damals das Bismarck-Unternehmen kommandiert hatte. Fachlich bestehen da keine Zweifel, schon sein Handelskriegsunternehmen zu Beginn des 2. Weltkriegs mit den beiden Schlachtkreuzern Scharnhorst und Gneisenau (Jaja, die werden gerne auch als Schlachtschiffe bezeichnet, aber mit ihrer 28 cm Hauptgeschützen, waren sie eher Schlachtkreuzer. Zum Vergleich: das erste all-big-gun-battleship, die britische Dreadnought von 1907, war mit 30,5 cm Hauptgeschütze bewaffnet.) hat das unter Beweis gestellt. Das Unternehmen war zwar reiner Handelskrieg. Also Jagd mit kanonenstarrenden Schiffen auf im Prinzip wehrlose Frachter. Aber man darf dabei nicht vergessen, das andere Marinen auch gerne ihre Schiffe nach Kommandanten ihrer Handelskreuzer benennen. Allen voran die Franzosen. Mit Jean Bart, Forbin und Duguay-Trouin werden regelmäßig Schiffe nach den Kaperführern Ludwigs XIV. benannt. Auch Robert Surcouf, der Kaperkapitän Napoleons, wird ständig auf diese Weise geehrt. Legendär ist der Kampf von Surcoufs Confiance gegen den Ostindienfahrer Kent, den er kapern konnte. Auch dürfen die Briten Drake oder Hawkins nicht vergessen werden. Handelskrieg ist nun einmal das täglische Geschäft in jeden Seekrieg gewesen.
    Lütjens hat ja die Hood versenkt. Wobei gern übersehen wird, das die Bismarck ein topmodernes Schlachtschiff war, während es sich bei der Hood um einen über zwanzig Jahre alten Schlachtkreuzer handelte. Die waren zwar gleich bewaffnet. Beide hatten 38 cm Hauptgeschütze, aber ansonsten waren beide Schiffe grundverschieden. Schlachtkreuzer sollten vor der Schlachtflotte aufklären. Dazu waren sie stark genug bewaffnet, um jedes Schiff bekämpfen zu können, aber gleichzeitig schnell genug, um jedem Schlachtschiff davonlaufen zu können. Im Grunde hat sich die Hood falsch verhalten. Sie hätte zwar den Schweren Kreuzer Prinz Eugen bekämpfen sollen, der die Bismarck begleitet hatte, aber niemals den Kampf mit dem deutschen Schlachtschiff annehmen dürfen.


    Aber lange Rede kurzer Sinn, Lütjens war wohl ein guter Seeoffizier, stand dem Nazi-Regime aber nicht so weit weg, das er als Vorbild hätte dienen können. Was irgendwie auch für Mölders und Rommel gilt. Stauffenberg wäre da wohl die bessere Idee gewesen, aber der war zu Beginn auch eher ein Anhänger der neuen Linie.


    Aber zurück zum Anfang. Die Militärs aus WK2 fallen zum Größtenteil aus, aber wie schaut es eigentlich mit den Seeoffizieren aus dem WK1 aus. Reinhard Scheer, Franz von Hipper oder von Spee. Könnte man nach diesen Leuten guten Gewissens Schiffe der Bundesmarine benennen? Die ersten Fregatten der Bundesmarine (ehemalige brit. Sloops der Black-Swan-Klasse) waren nach den dreien benannt.


    Aber könnte man das heute auch noch tun?


    Ich muss gestehen. Bei Hipper und von Spee hätte ich jetzt keine Bauchschmerzen. Bei Scheer weiß ich nicht so recht, der war doch nach dem Krieg recht revanchistisch eingestellt. Aber immerhin hat er die Skagerakschlacht gewonnen (auch wenn es die Briten anders sehen). Auch Souchon, der Kommandant der deutschen Mittelmeerdivision würde rausfallen. Zwar hat er mit der Goeben und der Breslau einiges geleistet. Aber er hat auch von dem Genozid an den Armeniern gewusst und den Türken dafür beinahe gratuliert. Und auch sonst war er wohl kein Freund der Weimarer Republik. Geht also gar nicht.


    Wie schon geschrieben. In die aktuelle Nomenklatur der Bundesmarine würde es eh nicht passen, aber könnte man nach Hipper und von Spee Schiffe der Bundesmarine benennen, ohne ein Geschmäckle dabei zu haben? Beide waren ja anscheinend untadelige Offiziere. Aber gut, was heißt das schon.

  • Es gab schon Schulungschiffe der Bundesmarine, die nach Spee, Hipper und Scheer benannt worden sind. Wäre also nichts neues für die Bundesrepublik. Aus dem zweiten Weltkrieg würde mir noch als Kandidat Hans Langsdorff einfallen. Dieser hat noch versucht, den Handelskrieg so sauber wie möglich zu halten und damit vielen (allierten und deutschen) Seemänner das Überleben gesichert.


    Quelle:Graf Spee (F215) , Hipper (214), Scheer (F216)

  • was der damalige Verteidigungsminister und späterer Agenda-2010-Kanzler Gerhard Schröder

    Hmmm? Schröder war Verteidigungsminister? Wann denn? Unter Kohl gabs keine GroKo und Schröder ist mir nur als Kanzler bekannt. :wink:


    Spee, Hipper und Scheer sind völlig ok denke ich. Fraglich wäre für mich da eher Alfred von Tirpitz.

  • Der Verteidigungsminister Gerhard Schröder kam von der CDU und Bundeskanzler Gerhard Schröder stammt von der SPD, aber zeitlich liegen zwischen den beiden Amtsträgern rund 30 Jahre Differenz.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Schr%C3%B6der_(CDU)


    https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Schr%C3%B6der


    Die Indienststellung der Lütjens erfolgt 1969, da war unser ehemaliger Bundeskanzler grade einmal 25 Jahre alt.

  • Warum müssen es Militärs sein? Warum nicht Wissenschaftler oder Politiker oder irgendwas anderes.

    Für Militäreinrichtungen oder Kriegsschiffe, nun, ungewöhnlich. Welchen Politiker soll Deutschland da nehmen? Welcher Krieg wurde durch einen Deutschen Politiker national zufriedenstellend und international positiv annerkannt beendet? Die Engländer haben Churchill, die Franzosen De Gaule, die Amis Roosevelt und wir, Arminius?

  • Ach da gibts nen Haufen. Alles was vor 1900 war ist prinzipiell erst mal unbedenklich.



    Man könnte aber freilich auch Menschen von heute nehmen.
    Ursula von der Leyen zum Beispiel oder Angela Merkel oder Gerhard Schröder oder Joschka FIscher.


    Da wurden ja einige KRiegseinsätze beschlossen.
    Oder wir ist gerade akutell Kapitän und zieht mit Lucius Menschen aus dem Wasser?






    Oder eben in die Technikgeschichte gehen und schauen welche Seefahrtsinnovationen von Deutschen ausgingen.


    Der Erfinder der SchiffsSchraube zum Beispiel war glaube ich deutschsprachig.

  • Der ist ja eher Österreicher. Die nehmen es uns bestimmt krumm, wenn wir einen von ihnen nehmen und ehren.
    Addi haben sie uns dagegen gerne geschenkt.


    Deutschland ist, wie woanders schon mal geschrieben - anderes Forum :confused: - nicht so die Seefahrernation und erst Recht keine Nation mit Marinetradition. Auch gab es wenige Forschungsreisende zur See. Da wird es schwer jemand passenden zu finden.


    Der Naturwissenschaftler und "Maler", der bei Cook mitgefahren ist. Der könnte gehen.

  • Forschungsreisende? Humboldt als Paradebeispiel.




    Ansonsten dein Einwand mit Österreich zeigt eigentlich wie Bullshittig diese ganze nationale Kacke und nationale Heroenkonstruktion ist, die Crusader hier unterbringen will.


    Juan de Austria/Johann von Österreich lebte in einer ZEit wo niemand an so etwas wie einen deutscheN Nationalstaat gedacht hat.


    Die Mutter war ne ziemliche Deutsche wen nman moderne Maßstäbde über die Vergangenheit überstülpt. Geboren hat sie ihn in Regensburg.
    Der Vater... naja ein Kosmopolit der die Jahrhunderte nach seinem Tode gezogenen Grenzen von Nationen ad absurdum führt.

  • Ich kann da gerne nachher mal reinschauen, welche Namen da z.B. für Kriegsschiffe des Nordeutschen Bundes verwendet worden sind. Vielleicht finde ich da ein paar Anregungen für dich.

    Haha,


    welches der 3(?) Schiffe des Norddeutschen Bundes sollte das sein? Das waren doch alles fast abgewrackte und abgelegte Schiffe der echten Marinenationen. Im Einsatz mit mäßigem Erfolg. Der deutsche Schiffseigenbau ging schleppend, bis gar nicht voran. Und z.B. die Schlacht vor Eckernförde wurde meiner Erinnerung nach nur durch ungünstige Winde, Landbatteriebeschuss und einer unerklärlichen Explosion der Christian VIII entschieden. Das Gefecht vor Helgoland gewannen die Österreicher, die eine längere Marinetradition besaßen. Nee, die deutsche Marinetradition beginnt eigentlich erst mit Wilhelm Zwo, der allerdings gegen 1900 zunächst aufs falsche, schon nicht mehr zeitgemäße Pferd, große Schlachtschiffe setzte. Die ersten Namen der Kriegschiffe sind auch nicht so prickelnd, Olga und...ähh. Dannach hießen sie häufig nach Ländern, Regionen oder Städten. Von daher passt es schon in die Tradition die Schiffe Thüringen oder Köln zu nennen. Die Blütezeit der deutschen Marine ist eigentlich die Entwicklung der U-Boote. Aber so geil sich das spielt, wie ehrenhaft ist der U-Bootkrieg? Von den Schiffsnamen her ist da auch nicht viel zu holen.


    Nein, Deutschland ist wahrlich keine Marinenation. Mit Abstrichen die Hansezeit ausgenommen. Es gab ja auch lange keinen deutschen Staat und kein Interesse und Notwendigkeit für eine Marine. Man hatte viel zu viel "innerstaatlich" an den Hacken und sich aufs Heer konzentriert. Die Versuche der Teilstaaten, wie ua. Mecklenburg im 17. Jahrhundert eine Marie aufzubauen und mittelmäßig erfolgreich die Karibik zu kolonisieren sind bestenfalls bemüt und kläglich.


    Wobei ich als Nordlicht damit nicht sage, dass wir schlechte Seefahrer oder Schiffsbauer waren. Mitnichten, gute Handelsschiffbauer stäbiger Dickschiffe und hervorragende Küsten- und Hochseefischer, Walfänger oder Handelsfahrer. Gern gesehen in fremden Flotten, vor allem Ost- und Nordfriesen. Wie auch Vorfahren von mir z.B. für die West- und Ostindienkompanien gefahren sind. Teils interessante Dokumente, die ich von nem Groß(?)onkel bekommen habe: Eintrittsdatum x in Hamburg, Austrittsdatum y Sumatra. Austrittsgrund tot durch Krankheit z. Schuldenstand Likes Uhrahn = horrend hoch.
    Von meiner Nordlichtseite ist von jeder Generation mindestens ein mänliches Mitglied zur See gefahren. Häufig sogar alle. Bis zur, nein, bestimmt bis vor die Zeit von Noah. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie versucht haben ihm den Schiffbau und das Segeln beizubringen. Er hat nur nicht so gut zugehört. Man sieht ja wie hässlich und unsteuerbar die Arche war.

  • Ja, nö. Das ist ja eher die Gegenseite.


    Es würde eher merkwürdig anmuten mit einem Schiff namens Störtebeker oder Likedeeler vor Somalia auf Piratenjagd zu gehen. Auch wenn jedes 5 Schiff heute bei Hobbyschiffern In Schland Likedeeler heißt. (de Likedeeler (EZ) = der Gleichteiler oder de Likedeeler (MZ) = die Gleichteiler.) Die Benamsung hat romantische Anwandlungen zur Saga Störtebekers und seine Vitalienbrüder, dass sie Robin-Hood-gleich Reiche bestahlen und Arme beschenkten und ausserdem mit dem nordischen Dickschädel und dem Freiheitsdrang.


    Für die Kriegsmarine würde in der hanseatischen Tradition eher Bunte Kuh oder Simon von Utrecht passen. Aber der Herr Simon war nun wiederrum Niederländer.
    Dann vieleicht doch besser Graf Luckner. Obwohl, der ja im Prinzip auch ein Pirat/Freibeuter war, nur eben von Gottes und Kaisers Gnaden. So wie Klaus S. zunächst auch als angestellter Freibeuter seinen Dienst verrichtete.
    Aber Luckner ist wahrscheinlich dennoch als Namensgeber ungeeignet. Soll er doch ein rechter Aufreisser und Münchhausen gewesen sein.


    Also bleiben als valide Namen fast nur noch Fluffy Unicorn und Biene Maya.

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