Rechtsextremismus und Homosexualität

  • Ein Thema, das mich zunehmend beschäftigt, ist die Verbindung von Homosexualität und Rechtsextremismus bzw. deren Gemeinsamkeiten. Dass diese Verbindung nicht ganz neu ist und es die (heimlichen) rechten "Männerbünde" schon in der Kaiserzeit gab, ist weithin bekannt. Auch dass Homosexuelle bis zur Röhm-Affäre unter den Nazis durchaus geduldet waren und wohl eher aus machtpolitischen Gründen in die Schusslinie gerieten wird vielfach vermutet. Rechtsextremismus und Homosexualität schließen sich also keineswegs aus, können vielmehr offenbar eine gewisse Anziehung aufeinander ausüben bzw. eine unheilvolle Symbiose eingehen. Bei vor allem Rechten beliebte Männlichkeitsideale finden dann auch bei vielen Homosexuellen einen fruchtbaren Boden (der Soldat, der Matrose, der Uniformträger, der muskelbepackte Sportler), ebenso wohl, wie die gesellschaftliche Beschränkung der Frau auf die Familie und den Haushalt manchem männlichen Homosexuellen vielleicht gar nicht ungelegen käme.


    Interessant ist die moderne Entwicklung. Die Auseinandersetzung mit dem Islam führt offenbar verstärkt zu einer Annäherung von national gesinnten Rechten und Teilen der Homosexuellen, die sich offenbar mehr durch einen (die Homosexualität ablehnenden) Islam bedroht fühlen, als durch das von Rechten üblicherweise vertretene Model der "klassischen Ehe" zwischen Mann und Frau und dem "Primat der Fortpflanzung", dem dieses Model zu dienen habe. Die Beispiele in denen Homosexuelle in rechtsradikalen Parteien selbst prominente Rollen, ja gar Führungsfunktionen einnahmen, sind derart zahlreich, dass man sie aus meiner Sicht nicht ignorieren kann, bzw. es durchaus wert ist, sich dieses Phänomen genauer anzusehen. Die Meinung, dass Homosexualität einhergehen müsse mit "Liberalität und der Zugehörigkeit zur politischen Linken" ist jedenfalls nicht halt- oder belegbar. Die prominenten Gegenbeispiele sind dafür zu zahlreich:


    Pim Fortuyn, Niederlande, Begründer der heutigen niederländischen Rechten.


    Jörg Haider, Österreich, Vorsitzender FPÖ / BZÖ, Landershauptmann. Trug wesentlich zum Aufstieg der FPÖ bei.


    Stefan Petzner, BZÖ, Österreich.


    (Heinz-Christian Strache, Vorsitzender FPÖ - Homosexualität bisher nur halböffentlich vermutet / angedeutet. Widerspruch durch Strache.)


    Milo Yiannopoulos - Bekannter Unterstützer Trumps, Redakteuer bei Breitbart, gilt als rechtsradikal.


    Michael Kühnen, NPD, langjähriger Anführer in der deutschen Neonazi-Szene.


    Alice Weidel, AfD, Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl 2017.


    David Berger; Lehrer, Theologe und Publizst; erlangte bundesweite Bekanntheit, nach seiner Kündigung durch das Bistum Köln, Publizist bei der Zeitschrift "Männer" bis Februar 2015. Wurde dort entlassen, wegen des Vorwurfs der Verbreitung antisemitischer Texte. Auch die AIDS-Hilfe beendete schon zuvor die Zusammenarbeit mit Berger, da dieser ein "traditionelles Männlichkeitsbild propagiere und Menschen abwerte, die diesem Bild nicht entsprächen". Quelle: Wikipedia


    Interessant ist aus meiner Sicht hier vor allem der gegenseitige Nutzen. Während die rechten Homosexuellen durch ihre Gegnerschaft gegenüber bspw. Muslimen oder Ausländern allgemein eine Gemeinsamkeit mit ihren heterosexuellen Gesellschaftsteilen herstellen (und so wohl auch auf mehr Akzeptanz durch die eigene Gesellschaft als Gegenleistung spekulieren), greifen rechtsextreme Parteien und Gruppierungen die vermeintliche oder tatsächliche Diskriminierung von Homosexuellen als beliebtes Thema auf, um damit gesamtgesellschaftlich insbesondere den Islam anzugreifen und als rückständig und feindlich zu diskreditieren, während ihre eigene Positionierung zum Thema der Rechte Homosexuelle freilich nach wie vor sehr unbestimmt bleibt. Es ist zu vermuten, dass hier häufig lediglich aus propagandistischen Gründen das Thema Homosexualität aufgegriffen wird (ähnlich wie bei den Frauenrechten), letztlich aber kein wirkliches Interesse daran besteht, eine Rechtsangleichung vor allem in der eigenen Gesellschaft zu fördern, da hier ja alleine die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau zum Zwecke der Fortpflanzung gefördert werden soll. Dieser Widerspruch ist bis heute kaum aufgelöst, wird vielmehr bewusst ignoriert, wie bspw. auch die Tatsache, dass es selbstverständlich auch unter bspw. Muslimen natürlich Homosexuelle gibt.

  • Ja John. Sehe ich genau so.
    Kann da nix diskutieren.


    Außer vielleicht noch etwas hinzufügen.
    Gestern noch mit einer Freundin auf ner Autofahrt darüber geredet, ob eine lesbische Frau "konservativ" sein kann.


    Sie war der festen Überzeugung, dass das nicht geht.
    Lesbisch sein und konservativ sein schließen sich gegenseitig aus, da es in ihrer Auffssung 99,9% der Persönlichkeit ausmacht.



    Sie brachte in Haar BEispiel. Ein Haar is blond, das konservative Haar sozuagen. Aber ich bin doch trotzdem "braunhaarig" weil ich ja eine Lesbe wäre und damit irgendwie liberal von allen anderen Haaren her.



    Ich wies sie dann darauf hin, dass Menschen viele tausend Dinge, Gewohnheiten und Ansichten ausmachen.
    Das Lesbisch sein ist dabei nur eine Sache.
    Das Haar Beispiel greift also. Nur eben andersrum.



    Natürlich kann ich also Homosexuell sein und "wertkonservativ" bzw. rechts(radikal).


    Am Ende ist für viele eben die Homosexualität nur eine kleine Facette ihrer Persönlichkeit.



    Persönlich hatte ich da als homosexuell auftretender Mensch mit Mann an der Hand bereits handgreifliche PRobleme mit Asitürken als auch mit Skins, so dass ich beiden wenig Gegenliebe entgegenbringe und es nicht wirklich verstehe wenn man sich aus versprochener Rettung vor dem Einen in die Arme des Anderen begibt.


    Vor allen scheint da die Vernunft auszusetzen.
    WEnn ich will, dass man mich toleriert/akzeptiert, muss ich den Anderen auch tolerieren/akzeptieren. (wenn ich eine funktionierende Gesellschaft hinbekommen will, die sich nicht gegenseitig zerfleischt und Individuen aufgrund von x unterdrückt/diskrminiert)
    Aber diese vernünftige Schlussfolgerung u.a. im kantschen/christlichen Sinne machen eben viele nicht.
    Und hier werden sie schuldig.

  • Interessant ist die moderne Entwicklung. Die Auseinandersetzung mit dem Islam führt offenbar verstärkt zu einer Annäherung von national gesinnten Rechten und Teilen der Homosexuellen, die sich offenbar mehr durch einen (die Homosexualität ablehnenden) Islam bedroht fühlen

    Ist die Annäherung über die Ablehnung des Islams überhaupt eine Frage von rechts und links oder schwingen da nicht andere Gründe mit?

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    And before he died, Taran-Ish had scrawled upon the altar of chrysolite with coarse shaky strokes the sign of DOOM.

  • (Heinz-Christian Strache, Vorsitzender FPÖ - Homosexualität bisher nur halböffentlich vermutet / angedeutet. Widerspruch durch Strache.)

    Wo hast du das her? Höre ich als Österreicher zum ersten mal, der Typ strahlt doch ein recht deutliches Interesse am anderen Geschlecht aus, und hatte schon zahlreiche heterosexuelle Beziehungen.


    Bei Haider und seinem "Lebensmenschen" Petzner dürfte es allerdings stimmen, auch wenn zu mindestens Haider das bis zum Schluss abgestritten hat, ganz so tolerant war die FPÖ dann auch nicht. (Petzner wurde übrigens nach dem Untergang des BZÖ anders als anderen der Wiedereintritt in die FPÖ verwehrt).
    Weiteres Beispiel aus dem BZÖ wäre Gerald Grosz, der erste Politiker aus dem dritten Lager der offen zu seiner Homosexualität stand, und auch eine eingetragen Partnerschaft einging, bei der Parlamentsdebatte zu deren Einführung hatte er entgegen der Parteilinie dafür gestimmt.
    Später wurde er auch BZÖ Obmann, da war der Verein allerdings schon in der Versenkung verschwunden nach dem Tod Haiders.

  • In kommunistischen und rechtsextremen Gruppierungen, in denen Machtkämpfe brutal durcheführt werden, bieten Ehefrauen und Kinder immer einen Angriffspunkt und sie werden häufig vom Gegner bedroht. Auch heute ist es immer noch eine beliebte Masche, Frauen und Kinder von links- und rechtsextremen Politikern zu bedrohen und einzuschüchtern.


    Von Röhm und seinen engen Kamaradenkreis ist überliefert, dass sie die liebevolle Beziehung zwischen Mann und Frau als Schwäche interpretierten. Darin wird meiner Meinung nach das innere Dilemma eines homosexuellen Nazis deutlich. Wenn man nicht das angestrebte gesellschaftliche Ideal erfüllen kann (Familie gründen und viele Kinder für den Führer zeugen) ist man eigentlich nutzlos, also suchte man sich eine neue Rolle, um sich vor sich selbst rechtfertigen zu können. Bei Röhm und seinem engen homosexuellen Kamaradenkreis war es die militärische Macht innerhalb der SA und zwar in Form von äußerster Brutalität. Sie sahen sich als Elite Soldaten.

  • Cool, jeder 10. in Köln ist Homosexuell. Bin gespannt wieviele von denen Rechts sind.


    Ich habe eher den Verdacht, dass gerade solche Menschen(Homosexuelle) einen ganz besonderen Ehrgeiz entwicklen hohe Positionen zu bekleiden. Vielleicht auch der Tatsache geschuldet dass sie ihre sexuelle Neigung meist nur verdeckt ausleben können und dieses Versteckspiel einen Minderwertigkeitskomplex initiert, nachdem Motto ich bin nichts Wert weil ich nicht das klassische Bild abliefere für eine "gesunde" Person in einer konservativen Gesellschaft. Jetzt zeige ich es "euch"!


    Vielleicht geht auch gerade meine Fantasie mit mir durch.

  • Ich denke es gibt einfach allgemein mehr Homosexuelle als man denkt, als durch Statistiken erfasst sind etc. Zwar gibt es keine so strikten gesetzlichen Einschränkungen mehr wie noch vor ein paar Jahrzehnten aber eine allgemeine Gesellschaftliche Akzeptanz gibt es noch nicht. So gibt es viele Künstler die sich outen, einige Politiker aber beispielsweise kaum Sportler, insbesondere im deutschen Lieblings(Männer)sport hat Homosexuallität immer noch einen sehr schweren Stand.


    Es gibt verbliebene gesetzliche Einschränkungen etwa bei Heirat und Adoption, es gibt Einschränkungen bei der Wahl des Urlaubsortes (wenn man dauerhaft als Homosexueller in Erscheinung treten möchte) und sicher noch einiges mehr.


    Zumal es auch starke Gegenbewegungen gibt.

  • Ist ja fast so widersprüchlich wie Juden die Nazis wählen.


    Gerade wenn ich Twiggels Beispiel mit seiner Freundin lese, könnte ich mir vorstellen dass auch eine gewisse Überkompensation eine Rolle spielt. Sprich jemand vertritt eher konservative Werte, aber da derjenige Homosexuell ist, kauft es einem niemand so richtig ab. Also werden die Ansichten aus einer Art Rechtfertigungshaltung über die Zeit immer radikaler.

  • @ IWST Ich glaube mit John und Strache, das ist Wunschdenken. John meinte mal, dass er ihn echt lecker findet ;)




    @ Bob.
    Nazis wählende Juden? Von denen gabs nen Haufen.
    Der (Adoptiv)-vater meines Großvaters war zum Beispiel Jude und NSDAP Mitglied der ersten Stunde.
    Wurde dann zwar irgendwann ausgeschlossen aber aufgrund guter Kontakte hat er den Krieg unbeschadet überstanden als praktizierender Arzt in hoher Position.
    Die Amis wollten ihn dann wohl ans Leder weswegen er sich umbrachte....


    Und ja. Überkompesnation ist wohl wirklch ein Grund-.
    Das gleiche kann man bei Homosexuellen die ihre Homosexualität unterdrücken sehr häufig beobachten.
    Sei es als katholischer Pfarrer, konservativer Politiker, oder betont maskulin auftretende Typen die entsprechende Sprüche reißen und auf Grindr den nächsten "kontakt" suchen.

  • Warum Homosexuelle die extreme Rechte wählen oder aktiv bei ihr mitwirken, wird sicherlich unterschlichste Gründe habe. Dazu müsste man die Betreffenden befragen. Gerade wenn solche Parteien schon rechtsextremistische Parolen ausprobieren und damit durchkommen, warum sollten sie nicht im nächsten Schritt die klare öffentliche Kennzeichnug von Schwulen fordern und dann...
    Das Bild eines rechten Homosexuellen geht bei mir auch nicht zusammen. Schwul = -> links. Liegt aber wohl eher an mir, weil ich mir eher ne Tucke vorstelle, als nen schneidigen Haider.
    Eine Sache, die die Rechten für Homosexuelle attraktiv macht, ist wohl die Ablehnung der Rechten zu den Moslems, die meistens sehr homophob sind. Das wurde, glaube ich, schon mal im Islamfred diskutiert.


    Es haben seinerzeit recht viele Juden die Nazis gewählt. Waren ja auch reichlich National beseelt. Die müssen irgendwie die Kapitel im Buch, die sie betrafen wohl überlesen haben. Heutzutage sind die meisten Nazis ja fast alle Israel-/Judenfreunde. Warum eigentlich?


    Kurze Zwischenfrage: hat eigentlich jemand Mein Kampf gelesen, der ja nun als wissenschaftliche Ausgabe mit unendlich vielen Kommentaren veröffentlicht wurde?
    Ich hatte mir das eigentlich vorgenommen, so wie ich auch das Kapital, den Koran oder alte, wichtige Römer und Griechen, etc. gelesen oder besser mich duchgequält habe. Allerdings ist die Ausgabe mir zu teuer und die Kommentare den Preis wohl nicht wert.

  • Das Bild eines rechten Homosexuellen geht bei mir auch nicht zusammen.

    Ich denke - wie oben mit der Frage schon angedeutet -, dass Rechts und Links hier als Kategorien versagen. Wenn du z.B. die gerade aktuelle Weidel nimmst, dann ist die dadurch, dass sie mit einer Frau zusammenlebt, dem Rechts-Links-Schema nach links, aber das gewählte Familienmodell Eltern (in dem Fall Muttter-Mutter) und Kinder ist doch wieder eher konservativ/rechts
    Ähnlich ist es doch, wenn sich - wie John schreibt - eine Islamophobie breit macht. Ist das jetzt eine Reaktion darauf, dass man eine wie auch immer geartete abendländliche Kultur bedroht fühlt oder ist das eine Angst davor, dass aus der Richtung des Islams mögliche Bedrohungen/Beschränkungen für die eigene Lebensweise kommen. Ist letzteres dann eher konservativ oder liberal?

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    And before he died, Taran-Ish had scrawled upon the altar of chrysolite with coarse shaky strokes the sign of DOOM.

  • Nur philopsophisch? Nein.

    Zitat von Draconarius

    ist das eine Angst davor, dass aus der Richtung des Islams mögliche Bedrohungen/Beschränkungen für die eigene Lebensweise kommen. Ist letzteres dann eher konservativ oder liberal?




    Es hat offensichtlich sowohl liberale als auch konservative Aspekte
    Konservatismus und Liberalismus sind auch keine Gegensätze. Sie können hervorragend miteinander existieren innerhalb einer Weltanschauung.
    DEr Konservatismus versucht immer zu bewahren. Das können freilich acuh liberale Aspekte sein.


    Das Gegenteil von Liberalismus ist derweil auch nicht der Konservatismus, sondern der Totalitärismus und der Kollektivismus, die, auf Deutschland übertragen, in der Vergangenheit dominierender als heute waren, wodurch deren Wiederherstellung als konservativ gelten kann.


    In den USA wäre die Wiederrichtung einer liberalen Gesellschaft nach einem totalitären Interludium, wiederum ein konservatives Anliegen, genauso wie es mittlerweile für Deutschland gelten kann, dass die BEwahrung des liberalen Anliegens des individuellen freien und gleichen Wahlrechtes gleichzeitig ein konservatives Anliegen ist.

  • So, jetzt hab ich´s auch gerallt.
    Aber erst nach diesem Artiel hier http://www.zeit.de/zeit-magazi…omonationalismus#comments


    Homonationalismus..... :thumbsup:


    @Johnny: Du meinst ja wohl nicht allen Ernstes so etwas?


    Homonationalismus nennt sich das und basiert grob gesprochen auf der Annahme, dass der Islam unsere Frauen und unsere Homos hasst. Wer also gegen den Islam ist, ist für Homosexuelle. Problem solved.

  • Na ja, nicht daß Du mich falsch verstehst.
    Sooo brennend interessiert es mich nun auch wieder nicht. :P
    Ich hab den Link oben nur gepostet, weil ich da drüber gestolpert bin heute morgen. Ich persönlich sehe da immer noch keinen Zusammenhang.
    Btw finde ich es ein wenig eigenartig, daß gerade Homosexuelle, die ihre Art der Sexualität als Normalität akzeptiert haben möchten, dann wiederum solch einen Zusammenhang sehen.

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