Die SPD

  • Tja, haste Recht. Sie SPD kapiert´s nicht, kapiert´s nicht, kapiert´s nicht.....etc.
    Seit Schröder in Russland ist das gleiche Spiel; ein Vorsitzender nach dem anderen wird präsentiert und verheizt. Langweilige Typen aus der alten Schröder Riege; jeder kommt mal dran und darf mal mitspielen. Würde mich nicht wundern, wenn man bei der nächsten Bundestagswahl den Schäfer-Gümbel aus der Mottenkiste holt oder den Quotenmediziner mit Fliege.
    Meine Güte, ist mir ein Rätsel, warum man es sich selbst SO schwer macht. Ein wenig back to roots und sozialdemokratische Politik für MENSCHEN gemacht und alleine im Ruhrpott würden 100.000 ihr altes Parteibuch wieder aus dem Schrank holen und wieder eintreten.
    Ja ich weiß, Realpolitik und so.......

  • Richtig,
    die müssten mal wieder eine echte linke Socke mit Charisma und staatsmännischem Auftreten an den Start bringen.
    So einen wie Herbert Frahm, der irgendwo in der Zentrale rumsteht.
    Keine langweiligen, unbekannten pseudo-linken Dorfpolitiker aus dem korrupten Europaistan, die bei Misserfolg durch junge, konservative Schröderklone ersetzt werden.
    Das sind Konservative im negativen Sinne, so wie ich den Begriff verstehe und meist nutze. Nicht Konservative in postiver Deutungsweise - an die Traditionen der Partei anknüpfend: kampfeslustig, streitbar, sich für die Belange des kleinen Mannes einsetzend, sozial eben.
    Redet man sich bei der SPD in den oberen Etagen eigentlich immer noch mit liebe Genossen, lieber Genosse Vorname an oder nur noch mit sehe geehrte Aufsichtsratsmitglieder, Vorstandsvorsitzende und Lobyisten?

  • Richtig,
    die müssten mal wieder eine echte linke Socke mit Charisma und staatsmännischem Auftreten an den Start bringen.

    Ja und wer will das machen? Das Grundsatzproblem ist eben das die SPD nicht mehr die soziale Partei der kleinen Leute ist. Sondern seit Schröder quasi für das (mittlerweile frühere) Wählerklientel zu rechts und (ich würde hier gerne "manchmal" schreiben ;) ) meistens von der Union nicht mehr zu unterscheiden ist. Welche "rote Socke" hätte auf den Sauhaufen Bock? Das ist doch mittlerweile so verkrustet, das er/sie da gar keine Chance hätte innerhalb der Partei nach oben zu kommen. Nein, diese Partei muss sich erstmal komplett neu aufstellen und auch an ihrer Glaubwürdigkeit arbeiten. Wird aber nicht passieren wenn man mit Mutti koaliert...die kapieren es erst wenns um die 5% Hürde geht. Dann ist es aber zu spät um dem Eisberg auszuweichen. ;) (Wo ist der Titanic-Smilie? :) )

  • Jupp.
    Der Überlebenskampf der SPD entscheidet sich links! Die Mitte ist eh verloren und gerammelt voll mit "Kompetenz", CDU,CSU,FDP,AFD,GRÜN,SPD.


    Die netten Kollegen ham mir nen Schröderkaffeebecher zum Nikolaus geschenkt. Da schmeckt der Kaffee gleich noch mal so scheiße. Immerhin macht der wach, weil mein Puls sofort auf 240 geht, wenn ich den sehe. :rolleyes:


    @Bob - will auch die Titanic


    Edit/ der Parteitag stimmt für ergebnisoffene Gespräche zur GroKo-Neuauflage. Was immer das heißen mag? Ist im Prinzip OK, wenn die SPD mit harten Kernforderungen in die Verhandlungen geht, sich nicht über den Tisch ziehen lässt und bei der Überschreitung der roten, nomen est omen, Linien die Reissleine zieht und die Verhandlungen einstellt.

  • "Vielen Dank und guten Morgen, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste,
    ein herzliches Willkommen auch von mir auf diesem Parteitag, auf dem wir es uns zum Ziel gesetzt haben, unseren Weg nach vorne zu beschreiben. Wir haben viel vor in diesen drei Tagen.


    Es ist nicht leicht, hier zu stehen nach so einem Jahr. So ein Jahr habe ich noch nicht erlebt in meiner politischen Karriere.
    Zum Jahreswechsel sind wir bei 20 Prozent in den Umfragen gestartet. Dann kam das, was im Land der „Schulz-Hype“ genannt wurde. Dann haben wir drei Landtagswahlen verloren und schließlich im September das schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl eingefahren. Wir sind wieder da gelandet, wo wir am Jahresanfang gestartet sind: 20,5 Prozent. Das ist hart; das ist bitter.


    Ich habe schon manches Auf und Ab in meinem Leben hinter mir - privat und politisch. Aber so ein Jahr kann man nicht einfach abschütteln. So ein Jahr steckt einem in den Knochen. Es steckt mir auch in den Knochen, weil ich weiß, wie enttäuscht, ja wie wütend viele Menschen waren und sind, die innerhalb und außerhalb unserer Partei so viele Hoffnungen in mich, so viele Hoffnungen in die SPD gesetzt hatten: Menschen, die sich viele Stunden engagiert haben, sei es am Infotisch, bei Hausbesuchen, im Netz oder am Arbeitsplatz und im Freundeskreis.


    Ich trage als Kanzlerkandidat die Verantwortung für dieses Wahlergebnis. Am Ende hat es nicht gereicht, und wir sind hinter dem zurückgeblieben, was möglich gewesen wäre.


    Und weil ich all das weiß, bitte ich für diese bittere Niederlage bei allen, die uns ihr Vertrauen geschenkt und dafür gekämpft haben, dass endlich wieder ein Sozialdemokrat Bundeskanzler wird, die an uns geglaubt, mit uns gehofft haben, dass wir aus dem Kanzleramt heraus für ein gerechteres Deutschland und für ein besseres Europa sorgen würden - bei all diesen Menschen bitte ich für meinen Anteil an dieser bitteren Niederlage um Entschuldigung.
    Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen, aber ich möchte als Parteivorsitzender meinen Beitrag dazu leisten, dass wir es besser machen. Dafür werbe ich heute um Euer Vertrauen.


    Wir haben nicht nur diese Bundestagswahl verloren, sondern wir haben die letzten vier Bundestagswahlen verloren. Wir haben nicht nur dieses Mal 1,7 Millionen Stimmen verloren, sondern 10 Millionen seit 1998 - fast die Hälfte unserer Wählerschaft.
    Deshalb wird es nicht genügen, nur auf das Jahr 2017 zu schauen. Wir müssen schonungslos die letzten 20 Jahre aufarbeiten. Nicht, liebe Genossinnen und Genossen, um uns in rückwärts gewandten Debatten zu verlieren, sondern um aus den Fehlern zu lernen und eine Vision von der Zukunft zu entwickeln, die wieder begeistert und die Menschen wieder von uns überzeugt.


    Wir haben es nicht geschafft, einen Gesamtentwurf für die Zukunft unseres Landes zu entwickeln. Wir haben es nicht geschafft, die Frage ausreichend zu beantworten: Wofür steht die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert?
    Unser größtes Problem ist, dass wir unser klares Profil verloren haben. Zwischen den großen Linien in den Sonntagsreden und dem Klein-Klein in der alltäglichen Politik ist es uns in den letzten Jahren nicht gelungen, eine Politik anzubieten, die einerseits über den Tellerrand hinausschaut, die andererseits aber konkret umsetzbar ist.


    Und deshalb: Unsere Glaubwürdigkeit holen wir uns zurück, indem wir konkrete Lösungen anbieten, die aber nicht für sich alleine stehen dürfen, sondern Teil einer sozialdemokratischen Gesamtstrategie sein müssen. Das ist die Aufgabe der Erneuerung der Partei, und die beginnt mit diesem Parteitag. Die Erneuerung ist nicht aufgehoben, weil wir jetzt in der aktuellen Debattenlage sind. Sie ist vielleicht ein bisschen verzögert. Aber diese Erneuerung der SPD ist der zentrale Auftrag für den nächsten Parteivorstand und auch für den nächsten Parteivorsitzenden.


    Die Sozialdemokratie wurde gegründet als ein Zusammenschluss von Arbeitern, die als Einzelne gegenüber dem übermächtig werdenden Kapital machtlos waren. Sie waren ohne Rechte, schutzlos ausgeliefert der Willkür einer sich immer mehr bereichernden Oberschicht und einem technischen Fortschritt, der sie zu ersetzen drohte.
    Diese Leute teilten gemeinsame Werte. Sie schlossen sich zusammen, um als Einheit stark zu sein, um füreinander einzustehen und sich ihre Rechte zu erstreiten. Die frühe Arbeiterbewegung war eine Bildungsbewegung, und sie hatte schon sehr früh erkannt, dass sie sich international organisieren musste.
    Das Ergebnis kennt Ihr alle: Das sind so große Dinge wie der Acht-Stunden-Tag, das Streikrecht, das Frauenwahlrecht, der Sozialstaat - die ganze Liste der Errungenschaften, die wir erstritten haben.


    Das ist die Gründungsgeschichte der Sozialdemokratie. Das ist das Bild, das die Menschen über Jahrzehnte von uns hatten und zu Recht mit uns verbunden haben - die Geschichte dieser Erfolge. Und unsere Partei ist immer mit der Zeit gegangen; wir haben uns verändert und modernisiert. Aber immer war der Gedanke, dass sich Menschen zusammenschließen,um durch Solidarität eine starke Gemeinschaft zu bilden und mehr individuelle Freiheit und Gerechtigkeit herzustellen, weil sie die gleichen Prinzipien und Werte teilen und weil sie diese Prinzipien und Werte in der Gesellschaft durchsetzen wollen. Immer war dieser Gedanke die Seele und das Herz unserer Bewegung. Das war der demokratische Sozialismus. Das ist die Leitidee der sozialdemokratischen Bewegung.


    Das ist der Weg, den wir hinter uns haben. Das war der demokratische Sozialismus - die Leitidee der Sozialdemokratie: Respekt, Toleranz, durch Gemeinschaft den Einzelnen zu stärken und seine Rechte zu sichern. Einigkeit macht stark. Und heute geht es darum, diese Prinzipien, diese Werte unter veränderten Rahmenbedingungen zur Geltung zu bringen.


    Unser Problem ist, dass viele Menschen das bei uns nicht mehr erkennen. Sie erkennen nicht mehr, dass wir eine Bewegung sind. Ich habe, genau wie Ihr, häufig im Wahlkampf erlebt, dass die Menschen uns nicht mehr als einen Teil von ihnen, nicht mehr als Vertreter ihrer Anliegen wahrnehmen, sondern als einen Teil des „Establishments“. Wie oft habe ich gehört: „Ihr da in Brüssel.“ „Ihr da in Berlin“. „Ihr da in der Landeshauptstadt.“ „Ihr da oben, Ihr interessiert Euch doch gar nicht für mich.“


    Dieser Vertrauensverlust in Politik ist sicher ein generelles Phänomen. Aber er trifft uns Sozialdemokraten besonders. Er trifft uns deshalb besonders, weil wir anders sind, weil wir offen sind für die Zivilgesellschaft, weil wir eben nicht Elite oder die abgehobene Oberschicht sind, nein, wir sind die sozialdemokratische Bewegung, die für die Menschen, die uns brauchen, da sein muss - international, national und lokal. Dahin müssen wir wieder zurück!
    Das müssen wir wieder deutlich machen. Die SPD muss die Partei sein, die sich kümmert, vor Ort präsent, ansprechbar und offen ist, und die dann Lösungen anbietet, die das Leben der Menschen besser machen.


    Viele von Euch waren bei den acht Dialogveranstaltungen dabei, die wir durchgeführt haben.Bei diesen Veranstaltungen habe ich gespürt, wie lebendig unsere Partei ist und wie viel Lustda ist, sich zu engagieren und mitzumachen.
    Deshalb hier an dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle, die dabei waren. Das warenwunderbare Begegnungen. Und deshalb mein Versprechen an Euch, an diejenigen, die dabeiwaren und das organisiert haben:
    Solche Veranstaltungen machen wir ab jetzt regelmäßiger. Basis und Parteispitze müssenwieder viel näher zusammenrücken, als es bisher der Fall war.
    Ich will, dass wir nahbarer werden. Deshalb ist der Erneuerungsprozess, den wir schon direktnach der Wahl eingeleitet haben und der hoffentlich ab morgen von Lars Klingbeil federführendin die Hand genommen wird, so wichtig.
    Entscheidend ist dabei: Wir müssen die Distanz zwischen oben und unten überbrücken. In derGesellschaft und in der Partei. Ich will, dass wir verzahnt sind, besser vernetzt in unserer Partei, aber auch besser vernetzt mit der Gesellschaft. Dass jeder das Gefühl hat: Bei der SPDkann ich mitmachen! Da kann ich was bewegen!
    Und deshalb finde ich es gut, dass wir unsere Partei vor Ort wieder stark oder noch stärkermachen. Die Ortsvereine sind und bleiben das Herz unserer Partei. Dieses Herz mussschlagen, für uns, aber vor allem für die Menschen im Land.


    Deshalb finde ich den Vorschlag gut, dass wir Mitglieder nicht nur bei Sach-, sondern auch beiPersonalentscheidungen beteiligen. Dafür müssen wir als Partei ein Angebot formulieren, inunserem Organisationsstatut und, wenn nötig, auch durch die Änderung des Parteienrechts.
    Deshalb finde ich es gut, dass Lars Klingbeil besonders die digitalenBeteiligungsmöglichkeiten verbessern will, die es leichter machen, trotz Familie und Beruf undzeit- und ortsungebunden ein bisschen Zeit in die Parteiarbeit zu stecken.


    Ich bin mir sicher: Wenn wir all das umsetzen, was Ihr ja auch in dem Leitantrag beschriebenfindet, dann, ja, Genossinnen und Genossen, werden wir moderner und attraktiver. Ja, dannwerden wir auch jünger, weiblicher und vielfältiger. Die Erneuerung unserer Partei muss dasKernanliegen der nächsten Jahre sein!
    Aber Teil unserer Erneuerung, lasst mich das hier so offen sagen, muss auch ein Kulturwandelsein. In den Wochen nach der Wahl haben wir ein denkbar schlechtes Beispiel, ein denkbarschlechtes Bild abgegeben. Öffentlich wurde bei uns mehr über Personalfragen als überInhalte gestritten. Das darf uns so nie wieder passieren. Die inhaltliche Auseinandersetzungmuss im Vordergrund stehen. Sie muss sichtbarer werden!


    Denn wenn der Eindruck entsteht, das Wesen von Politik sei, sich einen Vorteil zu verschaffen,den anderen auszutricksen und seine eigene Macht auszubauen, dann ist das gefährlich. Ihrkennt alle die Fernsehserie „House of Cards“, in der Politik genau so dargestellt wird. Das magals Entertainment ganz amüsant sein, aber Fiktion sollte Fiktion bleiben und nicht dieBlaupause der Realität werden.


    Dieses Politikverständnis passt nicht zu uns. Wer seit über 150 Jahren für Freiheit,Gerechtigkeit und Solidarität eintritt, wer die Demokratie in ihren schwersten Stunden verteidigthat, wer Arbeitnehmer- und Frauenrechte erstritten und Minderheiten geschützt hat, wer alldas getan hat, der darf Politik nicht als einen reinen Machtkampf betrachten. Das zerstört dasPolitische, Genossinnen und Genossen. Es zerstört auch die Sozialdemokratie!


    Politik ist kein Machtspielchen. Politik ist nicht Kampagne. Politik ist auch kein Kapitel auseinem Public-Relations-Buch. Politik darf nie nur Kampf sein. Vor allen Dingen darf Politik nichtIntrige sein. Politik ist dafür da, ein gutes und friedliches Zusammenleben zu organisieren, Orientierung zugeben und dafür zu sorgen, dass Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen undgestalten können. Der Wesenskern von Politik - und damit auch von politischen Parteien - muss die Suche nachden besten Lösungen sein. Das Streben nach einer besseren und solidarischeren Welt. DasOrganisieren des Miteinanders und des Gemeinwohls. Das und nichts Anderes muss einesozialdemokratische Partei machen, jede Woche, jeden einzelnen Tag und jeder Einzelne undjede Einzelne von uns gemeinsam!


    Wir müssen auch wieder das respektvolle Streiten lernen! Streiten der Sache wegen, um diebesten Lösungen zu finden und ohne dass es dabei um Sieg oder Niederlage von Personengeht. Denn es ist Blödsinn, dass Sachfragen immer auch Machtfragen sind. Von wem lassenwir uns einen solchen Unsinn eigentlich einreden? Erinnert Euch doch mal: In unseren besten Zeiten haben wir die großen Debatten für unsereGesellschaft ausgetragen:
    Als wir um die Entspannungspolitik gerungen haben, und wir dafür von den Konservativen alsVaterlandsverräter beschimpft wurden.
    Als wir kluge Positionen zur Kernenergie und zum Umweltschutz suchten, während uns andereParteien deswegen nur milde belächelt haben.
    Ja, auch als wir darüber debattierten und uns entgegen der öffentlichen Meinung gegen denIrak-Krieg gestemmt haben. Das waren doch Sternstunden unserer Partei, in großerKontroverse ausgetragen, aber stellvertretend für die gesamte Gesellschaft.
    Das Entscheidende ist: Lasst uns leidenschaftlich debattieren und auch streiten und uns nichteinreden lassen, dass diese oder jene Position nur vorgetragen würde aus einem taktischenMotiv heraus.


    Viel zu oft waren wir zu mutlos, Entscheidungen in die eine oder in die andere Richtung zutreffen und haben uns dann auf Formelkompromisse geeinigt, um des lieben Friedens willen,die uns politisch aber nicht mehr erkennbar machen.
    Ich will, dass es in der SPD wieder lebendige Debatten gibt, an deren Ende dann einkonkreter Vorschlag steht, der durch die kontroverse Auseinandersetzung besser gewordenist. Debatten, die zum Mitmachen anregen, die junge Leute begeistern, zur SPD zu kommen,sich zu engagieren!


    Liebe Genossinnen und Genossen, der Ort dieser Debatte muss die SPD sein! Lasst unszurückkehren zu einer alten Tugend: Jede Meinung, jede Position innerhalb unserer Partei hatihren Platz, muss ausgedrückt werden können, muss respektiert werden können, ohne dassdahinter irgendetwas unterstellt wird.
    Lasst uns kontrovers diskutieren und anschließend vereint nach außen unsere Position tragen.Das ist eine alte Tugend. Diese Kraft müssen wir wieder entwickeln.
    Die SPD muss wieder die Partei des Mutes werden. Lasst uns aufhören, auf Umfragen zustarren oder auf den Zeitgeist. Für den Zustand der SPD, das müssen wir uns selbst sagen,für unseren Zustand ist nicht Frau Angela Merkel zuständig, auch nicht die Große Koalitionoder der Neoliberalismus und auch nicht die Medien. Für den Zustand unserer Partei sind wirselbst zuständig. Und wenn wir zu uns selbst zurückkehren, dann werden wir auch wiederstark.
    Aber dazu gehört auch, dass wir gestalten wollen. Wir müssen wieder gestalten wollen.


    Lasst mich mal etwas aus dem Godesberger Programm von 1959 zitieren. Es heißt dort: „Imdemokratischen Staat muss sich jede Macht öffentlicher Kontrolle fügen. Das Interesse derGesamtheit muss über dem Einzelinteresse stehen. In der vom Gewinn- und Machtstrebenbestimmten Wirtschaft und Gesellschaft sind Demokratie, soziale Sicherheit und freiePersönlichkeit gefährdet.“
    Was aber ist heute Realität? Global operierende Konzerne wie Apple hinterziehen Milliardenan Steuern, und der irische Staat macht sich zum Komplizen.
    Manche Banken handeln in einer unsagbar verantwortungslosen Weise mit den Hypothekenvon zehntausenden Menschen, ruinieren sie und bringen ganze Volkswirtschaften insWanken.


    An den Börsen wird auf die Verknappung von Nahrungsmitteln spekuliert, während weltweitMenschen Hunger leiden. Großkonzerne verkaufen Wasser als Luxusgut, während fast 850Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Wasser haben und darüber krankwerden.
    Solche Auswüchse lassen Menschen den Glauben an die Steuerungskraft von Politikverlieren. Ein System, das solche Auswüchse zulässt, muss verändert werden. Das ist dieAufgabe von sozialdemokratischer Politik.


    Wenn wir der Meinung sind, dass die Wirtschaft für den Menschen da ist und nicht umgekehrt,dann müssen wir auch dafür sorgen, dass dieser Grundsatz - und ich erinnere an dasGodesberger Programm - durch den Primat der Politik auch durchgesetzt wird. Wenn dieFreiheit des Marktes Wohlstand und Fortschritt nur für wenige bedeutet, dann ist das gar keineFreiheit.
    Deshalb muss die SPD beantworten, wie unter den Bedingungen der Globalisierung demdemokratischen Willen auf nationaler, auf europäischer und internationaler Ebene Geltungverschafft werden kann. Wir müssen uns als die politische Kraft erweisen, die fähig ist, dasLeben der Menschen zum Besseren zu verändern - selbstbestimmt, sicher und frei. Nur sogewinnen wir Vertrauen zurück.


    Aber es reicht eben nicht mehr aus, das nur national zu tun. Der Nationalstaat hat in derglobalisierten Welt viel Gestaltungsmacht verloren. Seien wir so ehrlich, und sagen wir dasden Wählerinnen und Wählern.
    Vieles, was wir tun müssen, um ihr Leben besser zu machen, können wir gar nicht mehr imDeutschen Bundestag - auch nicht mehr im Bundeskanzleramt - machen. Globale Regelnmüssen global durchgesetzt werden, und hierfür brauchen wir Europa. Deshalb müssen wirEuropa stärken. Deshalb sind wir die Europapartei. Und nur Europa kann in dieserGlobalisierung die Regeln durchsetzen, die ihre Auswüchse, die ich beschrieben habe, unterKontrolle bringen. Deshalb müssen wir Europa stärken.


    Nur ein entschlossenes Europa kann dem Klimawandel effektiv entgegentreten. Nur einstarkes Europa kann die Plattformgiganten, wie Facebook oder Google, dazu zwingen,unsere Regeln und Grundrechtestandards zu akzeptieren. Nur ein offenes Europa kann esjungen Menschen ermöglichen, sich in mehreren Sprachen und Ländern zuhause zu fühlen.Nur ein solidarisches Europa kann der asozialen Steuerflucht effektiv Grenzen aufzeigen.Nur ein entschiedenes Europa kann den internationalen Terrorismus bekämpfen, und nur eineiniges Europa, kann die Herausforderungen der Migration solidarisch bewältigen.
    Das alles schaffen wir nicht mehr national.


    Die traurige Wahrheit ist aber auch: Europa ist heute in vielen Fragen handlungsunfähig. Undschlimmer noch: Auch Europa funktioniert eben nicht immer nur für die Menschen, sondernleider allzu oft eben für die Großkonzerne.
    Wenn Unternehmen, die übrigens häufig mit europäischen Geldern subventioniert wordensind, Standorte nach Osteuropa verlagern, dann ist das Lohndumping auf Kosten derBelegschaften. Das ist nicht mein Europa.
    Wenn bei den Brexit-Verhandlungen ernsthaft gefordert wird, dass Freizügigkeit für Kapital,Waren und Dienstleistungen gelten soll, nicht aber für Menschen, dann ist das nicht meinEuropa.


    Wenn Staaten ihre Haushalte nicht ausgleichen können, müssen sie mit drakonischenStrafen aus Brüssel rechnen. Setzen sie aber die Gewaltenteilung außer Kraft, dann ist dieKommission machtlos. Das ist ganz sicher nicht mein Europa.
    Wenn wir Milliarden für Bankenrettungen mobilisieren können, aber für Jobs für junge Leutenur Kleckerbeträge zur Verfügung stehen, dann ist das sicher nicht mein Europa.


    Ich habe immer für Europa gekämpft - das wisst ihr - aber ich habe für das solidarische Europagekämpft, ein Europa, das für die Menschen da ist.
    Die europäischen Völker haben sich zusammengeschlossen, weil sie erkannt haben, dass siealleine gegenüber bestimmten Entwicklungen machtlos sind. Ja, sie haben sich auchzusammengeschlossen, weil sie nur durch gelebte Solidarität gemeinsam stark sind. Das istdas Europa, von dem wir mehr brauchen. Nicht das Europa der Banken und dermultinationalen Konzerne, nicht das Europa der teilweise absurden Regulierungen! Dasbrauchen wir auf keinen Fall. Nein, wir brauchen das Europa der Bürger. Wir brauchen dasEuropa, das sich zusammenschließt, weil es durch den Zusammenschluss seine Menschen
    schützt. Wir brauchen das Europa, das schützt, das soziale Europa, das demokratischeEuropa. Wir brauchen das sozialdemokratische Europa, und genau dafür treten wir ein.


    Nur dieses Europa gibt es aktuell nicht, und wir müssen es schaffen. Wenn wir wollen, dassEuropa auch dauerhaft stark bleibt, dann müssen wir dafür sorgen, dass es handlungsfähig istund dass es einen spürbaren Unterschied macht im Leben der Menschen.
    Wir brauchen kein europäisches Spardiktat, aber wir brauchen endlich Investitionen in einEurozonenbudget, um Wachstum in der Eurozone zu generieren.
    Wir brauchen einen europäischen Finanzminister, der diesen Unterbietungswettbewerb beimSteuerdumping eindämmt und der endlich der unsäglichen Steuerflucht ein Ende setzt inEuropa.


    Wir brauchen einen europäischen Rahmen für Mindestlöhne, damit dieses Lohndumping -ich sprach davon - beendet wird.
    Europa ist unsere Lebensversicherung. Es ist die einzige Chance, wie wir im Wettbewerb mitanderen großen Regionen dieser Erde mithalten können.
    Und macht Euch doch keine Illusionen: In anderen Regionen dieser Erde wird anders gedachtals bei uns, und da wird übrigens auch anders produziert als bei uns. Die haben keineMenschenrechte, die haben kein Streikrecht, da gibt es nicht die Gewerkschaften, die aufgleicher Augenhöhe mit dem Kapital agieren könnten. Da gibt es die Kinderarbeit, da gibt esdie hemmungslose Ausbeutung der Ressourcen und der Menschen. Ja, klar produzieren diebilliger als wir. Ja, das ist wohl so.
    Und da gibt es die klugen Köpfe, die uns sagen: Ihr müsst so werden, wie die sind. Nein, dabin ich anderer Meinung. Wer auf unseren Markt in Europa will, den reichsten Markt der Welt,der muss dann auch unsere Standards akzeptieren. So machen wir Europa zum Schutz fürdie Menschen auf diesem Kontinent.
    Seit 1925 - mit dem Heidelberger Programm - fordert die SPD die Vereinigten Staaten vonEuropa. Das bedeutet konkret, dass wir Europa mindestens in den Bereichen Innere undÄußere Sicherheit, beim Klimaschutz, bei der Steuer- und Geldpolitik, beim Kampf gegenSteueroasen, bei der Flüchtlingspolitik und bei der Entwicklungszusammenarbeit dieInstrumente geben müssen, die Europa braucht, um handlungsfähig zu sein.


    Und deshalb frage ich Euch: Warum nehmen wir uns eigentlich jetzt nicht vor - hundert Jahrenach unserem Heidelberger Beschluss; hundert Jahre später - spätestens im Jahre 2025 dieseVereinigten Staaten von Europa verwirklicht zu haben?
    Ich will, dass es einen europäischen Verfassungsvertrag gibt, der ein föderales Europa schafft,das keine Bedrohung für seine Mitgliedsstaaten ist, sondern ihre sinnvolle Ergänzung. Einsolcher Verfassungsvertrag muss von einem Konvent geschrieben werden, der dieZivilgesellschaft und die Völker Europas mit einbezieht.
    Ich will Euch eines sagen: Wenn wir mit den Menschen diskutieren, dann können wir sie auchüberzeugen, dann können wir sie für diese großartige Idee gewinnen. Ich habe weniger Angstvor den Menschen als vor mancher taktisch handelnden Regierungszentrale.


    Dieser Verfassungsvertrag muss deshalb mit den Menschen erarbeitet werden. Wenn wir ihnhaben, dann muss er in den Mitgliedsstaaten vorgelegt werden. Wer dann dagegen ist, dergeht dann eben aus der Europäischen Union heraus. Lasst uns endlich den Mut aufbringen,Europa beherzt voranzubringen! Nicht dieses Drehen an Stellschräubchen! Lasst uns Muthaben!
    Europa zu stärken heißt nicht nur, Gestaltungsmacht zurückzugewinnen. Es heißt auch,Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Es geht in den nächsten Jahren - ich muss das leider hierin dieser Dramatik sagen - um die Zukunft der europäischen Einigung. Denn obwohl wir geradein unserem Land sehen, dass die Pro-Europäer wieder Zuspruch gewinnen, dass Pulse ofEurope sich mit Leidenschaft für die Europäische Union einsetzt, erleben wir auch dasErstarken der Kräfte, die Europa am liebsten zerschlagen würden.


    Guckt Euch an, was in Polen passiert, wo unsere gemeinsamen Grundwerte systematischuntergraben werden und die EU handlungsunfähig ist, etwas dagegen zu tun!
    Schaut nach Ungarn! Dieses Land hat uns nicht nur in der Flüchtlingskrise die Solidaritätverweigert. Es schließt jetzt auch große Deals mit China ab und entfernt sich immer weiter vonder Europäischen Gemeinschaft.
    Schaut auf die Wahlergebnisse in den Niederlanden, in Frankreich, in Finnland, in Dänemark,in Österreich und auch bei uns in Deutschland! Überall erstarken die Rechten undUltranationalisten, die mit unserer Vorstellung von freier und offener Gesellschaft nichts amHut haben, die ihre Länder am liebsten abschotten wollen und für ein Weltbild stehen, das vongestern ist.


    Deshalb sage ich Euch: Wenn wir nicht umsteuern, wenn wir Europa nicht ganz praktisch undganz konkret stärken, dann werden diese Kräfte gewinnen.
    Wer das ignoriert nach Nachrichten, die wir alle nicht für möglich hielten - beim Brexit oder beider Wahl von Trump - der verspielt nachlässig die Zukunft unseres ganzen Kontinents.
    Deshalb müssen wir ausloten, wie wir zur besten Lösung für ein anderes, ein besseres Europakommen.
    Ich füge hinzu: Auch wir als SPD haben eine besondere Verantwortung dafür. Denn weiterevier Jahre deutsche Europapolitik à la Wolfgang Schäuble kann sich die Europäische Unionweiß Gott nicht leisten!


    Wir legen Euch heute einen Leitantrag vor, den das Präsidium und der Parteivorstandeinstimmig verabschiedet haben, der genau dieser Logik folgt und eine Kehrtwende in derEuropapolitik einleiten will. Gerade in der Europapolitik darf es kein „Weiter so!“ mehr geben.
    Es geht in unserem Leitantrag um die großen Fragen. Neben Europa ist es vor allem, wie wirals Partei der Arbeit unserem Anspruch gerecht werden und dafür sorgen, dass im Zeitalterder Digitalisierung zentrale Errungenschaften erhalten bleiben, dass Arbeit auch weiterhinSelbsterfüllung, Würde und Zusammenhalt bedeutet. Denn die Herausforderungen sind da,und die Menschen erwarten zu Recht, dass wir uns ihrer annehmen.


    Leiharbeit in Deutschland ist auf einem Höchststand. Fast eine Million Leiharbeiter gab es2016 in Deutschland. Der Anteil der befristeten Stellen ist gestiegen. Fast die Hälfte der neueingestellten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat 2016 nur eine befristete Stelleerhalten. Die soziale Mitte gerät seit Jahren mehr und mehr unter Druck. Unsichere undschlecht bezahlte Tätigkeiten haben zugenommen.
    Die Zeitungen sind jeden Tag voll von Prognosen, wie viele Millionen Arbeitsplätze in dennächsten Jahren aufgrund von Automatisierung, Algorithmen und Robotik wegfallen.


    Ich bin sehr dankbar, dass Ihr, die Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften, hier seid.Denn das sind die Aufgaben, die wir gemeinsam - Sozialdemokratie und Gewerkschaften Seit‘an Seit‘ - anpacken müssen. Gemeinsam müssen wir uns darum kümmern, dass dieDigitalisierung nicht dazu führt, dass Arbeitnehmerrechte infrage gestellt werden. Deshalbbrauchen wir auch im digitalen Zeitalter mehr - und nicht weniger - betrieblicheMitbestimmung.
    Gemeinsam müssen wir uns darum kümmern, dass endlich wieder mehr Menschen nach Tarifbezahlt werden und verhindern, dass mehr Unternehmen aus den Tarifverträgen flüchten. Dasmuss man ganz präzise sagen: Da, wo keine Tarifverträge mehr gelten, herrschen schlechtereBedingungen in Bezug auf die Höhe der Löhne, auf die gerechte Verteilung der Einkommen,die Arbeitsbedingungen oder die Qualifizierung und Ausbildung.
    Die soziale Spaltung unserer Gesellschaft beginnt da, wo die Tarifbindung endet.


    Gemeinsam müssen wir uns darum kümmern, dass die sogenannte Digitaldividende derUnternehmen auch bei den Menschen ankommt. Denn wo immer mehr Arbeit automatisiertwird, dies aber zu Beschäftigungsverlust und wachsendem Druck auf die sozialenSicherungssysteme führt, brauchen wir Antworten. Deswegen sage ich hier ganz klar: Ja, eswird in Zukunft auch wieder um Verteilungsgerechtigkeit gehen! Wenn die Effizienzgewinneder einen die Lasten der anderen werden, dann muss es dafür einen Ausgleich geben. Daraufwird die Sozialdemokratie eine Antwort geben müssen.


    Und gemeinsam müssen wir uns darum kümmern, dass der Trend zur Soloselbstständigkeitnicht zu einer weiteren Prekarisierung der Arbeit führt. Mehr als eine Million Menschen sindheute in Deutschland selbstständig, Tendenz steigend. Selbstständig zu sein heißt heute abernicht mehr, nur Ärztin, Installateur oder Buchhändler zu sein. Nein, das heißt heute immerhäufiger auch Paketbote, Programmierer oder Fahrerin bei Uber zu sein. Das sind Menschen,die sich nicht aus der Portokasse selbst absichern können. Wir müssen uns darum kümmern, dass diese Form der Selbstständigkeit nicht zu einer systematisierten Selbstausbeutung wird!Wir wollen keine App-gesteuerte Dienstbotengesellschaft.


    Wir wollen, dass die Digitalisierung zu mehr individueller Freiheit, zu mehr Chancen und zumehr selbstbestimmter Lebensgestaltung führt!
    Unsere Aufgabe ist es, den Menschen die Sicherheit zu geben, dass es auch morgen für sienoch eine gute Perspektive gibt.
    Klar, garantieren, dass manche Tätigkeiten in der Wirtschaft 4.0 noch immer existierenwerden, können wir nicht. So ehrlich müssen wir schon sein. Worum wir uns aber kümmernkönnen, ist, dass neue Jobs mit Wachstumskapital für Start-ups entstehen mit Unterstützunggerade für die kleinen und mittleren Unternehmen, dass Qualifizierungsangebote vorhandensind mit dem Ausbau der Bundesagentur für Arbeit zu einer Agentur für Arbeit undQualifizierung, mit einem Chancenkonto, das eine autonome Lebensgestaltung unterstützt.


    Wir müssen uns darum kümmern, dass Arbeitnehmerrechte gewahrt bleiben. Deshalbwiederhole ich das, auch wenn manche, die hier sind, vielleicht gar nicht mehr gerne hören,was ich im Wahlkampf gesagt habe: Wir brauchen eine Abschaffung der sachgrundlosenBefristung und eine Eindämmung der prekären Beschäftigung.
    Wir müssen uns darum kümmern, dass die unsägliche Ungleichheit zwischen Frauen undMännern am Arbeitsmarkt endlich beendet wird. Dazu gehört, dass das Rückkehrrecht vonTeilzeit auf Vollzeit endlich umgesetzt wird.


    Wir müssen uns darum kümmern, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf keinWunschtraum bleibt, sondern Normalität wird.
    Wir müssen uns darum kümmern, dass moderne Regelungen zur Datensouveränität dieWürde des Menschen auch im digitalen Zeitalter bewahren und dass unsere sozialenSicherungssysteme Bestand haben. Ich sage das einmal ganz frei von der Leber: Wirbekommen ja immer um die Ohren gehauen, unsere Debatte um die sozialenSicherungssysteme sei ein bisschen antiquiert. Und diese „Sozialstaatsromantik“, wie man esliest, wenn wir über Rentenversicherung reden, wenn wir über Krankenversicherung reden.Der Kampf gegen Altersarmut oder für eine sichere Rente, das ist auch im digitalen Zeitaltereine hoch moderne Angelegenheit. Das ist nämlich immer erforderlich, um die Gesellschaftzusammenzuhalten.


    Und wir müssen dafür sorgen, dass wir es endlich schaffen, in der Bildung auf der Höhe derZeit zu sein.
    Ein Land mit Milliardenüberschüssen muss in der Lage sein, die Löcher im Schuldach zureparieren und dafür zu sorgen, dass die Toilette funktioniert, dass unsere Kinder mit denmodernsten Mitteln lernen können. Unser Bildungssystem in Deutschland ist nicht modern,und das muss sich ändern!


    Wir sind die Partei, die sich darum kümmern muss, dass jeder und jede mitkommt. Und ja,dazu gehören eben mehr Lehrerinnen und Lehrer, dazu gehören auch mehrSchulsozialarbeiter, vor allem in einer Gesellschaft, die immer mehr Integrationsleistungen andie Schulen delegiert. Deshalb brauchen wir dringend die nationale Bildungsallianz, die wir imWahlkampf vorgeschlagen haben.


    Wir brauchen ein Ende des Kooperationsverbotes. Wir brauchen die kostenfreie Bildung vonder Kita bis zur Universität. Und wir brauchen - ich wiederhole das - einen Berufsschulpakt.Ich wiederhole es, weil ich es im Wahlkampf hundertmal gesagt habe, weil es meine tiefeÜberzeugung ist. Wir brauchen deshalb einen Berufsschulpakt, weil wir endlich zeigenmüssen, dass uns berufliche Bildung genauso viel wert ist wie die akademische Qualifikation!
    Wir waren immer die Partei der Bildungsreform. Im Zeitalter des Wissens, in dem wir leben,müssen wir die Partei der Bildungsrevolution werden! Das alles beschreibt unser Leitantrag.Dafür wird die SPD gebraucht!


    Nach der Erneuerung Europas und der Zukunft der Arbeit ist mir eine dritte Frage besonderswichtig. Was ist unsere Haltung zum Umweltschutz? Diese Frage stellt sich auch für die SPDimmer dringender.
    Ich möchte Euch ein Erlebnis aus dem Wahlkampf vortragen, das mich tief aufgewühlt hat. Ichhabe mit Manuela Schwesig gemeinsam das Ozeaneum in Stralsund besucht. Das ist einwunderbares Projekt, wo die Artenvielfalt unserer Ozeane und unserer Meere interaktivdargestellt wird. Manuela hatte mich eingeladen, dieses fantastische Projekt zu besuchen.


    Der Direktor des Ozeaneums hat mich zu einer alten Schildkröte geführt, ein majestätischesWesen, das mich in seiner Ruhe und in seiner Kraft tief beeindruckte.
    Und dann hat mir der Direktor des Museums erzählt, dass diese Tiere in den WeltmeerenPlastik essen. Aber sie können Plastik in ihren Mägen nicht abbauen. Das Ergebnis ist: DieseTiere haben immer das Gefühl, satt zu sein. Und weil sie das Gefühl haben, satt zu sein, essensie nicht mehr und verhungern elendig.
    Eine alte Spezies, die älter wird als jeder Mensch, die Epochen überdauert; diese Speziesgeht elendig zugrunde, weil wir Plastik produzieren und damit die Weltmeere belasten.


    Nein, wir haben eine Verantwortung in dieser Welt und ich möchte, dass wir diese ernstnehmen. Die Natur ist uns eben nicht untertan und wir sind nicht ihre Herrscher.


    Gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten müssen begreifen, dass wir so unsereeigenen Lebensgrundlagen zerstören. Das, was wir uns besonders vor Augen halten müssen,gerade meine Generation, die Generation, die jetzt Verantwortung trägt: Wenn wir das nichtkorrigieren, dann leiden nicht wir darunter, sondern unsere Kinder und Enkelkinder. Deshalbmuss das Umsteuern in der Umweltpolitik dazu führen, dass ökologische Grundrechte dengleichen Stellenwert bekommen wie soziale und individuelle Grundrechte.


    Die Erfüllung des Versprechens, dass wir der nächsten Generation eine intakte Welthinterlassen, das ist der Prüfstein für unsere politische Existenzberechtigung.
    Der Klimawandel ist die große Herausforderung unseres Zeitalters. Ich selbst komme auseiner Kohleregion. Ich habe miterlebt, wie die Steinkohlebergwerke geschlossen wurden undtausende Kumpel ihre Arbeit verloren. Das sind bittere Momente.


    Ich habe in meiner Zeit als Bürgermeister auch erlebt, wie wir es geschafft haben, dassniemand arbeitslos blieb, weil wir vorausgeplant hatten, weil wir Angebote für die Beschäftigtenund die Regionen machen konnten. Und jetzt stehen wir vor einer ähnlichen Situation bei derBraunkohle. Die Wahrheit ist doch: Wir wollen die Klimaziele erreichen. Die Wahrheit ist auch:Das geht einher mit einem Ende der Kohleverstromung.


    Das wissen die Menschen in der Lausitz. Die Menschen im mitteldeutschen und meineNachbarn im rheinischen Revier wissen das. Diesen Menschen hilft keineRealitätsverweigerung. Ihnen hilft nur ein Zukunftskonzept. Aufgabe der Sozialdemokratie istes nicht, Strukturen der Vergangenheit zu konservieren. Aufgabe der Sozialdemokratie ist es,eine Perspektive für die Zukunft zu geben!


    Deshalb werden wir uns um diese Perspektiven kümmern! Wir werden uns darum kümmern,dass der Umbau gelingt. Aber das will ich Euch sagen: Nicht auf Kosten derVersorgungssicherheit. Auch nicht auf Kosten der Beschäftigten. Ja, dafür brauchen wirMilliardeninvestitionen in die Netze und Angebote für die Regionen.
    Wir Sozialdemokraten können Strukturwandel. Ich kenne das. Ich bin in einem Strukturwandelgeboren. Der Strukturwandel ist auf längere Frist angelegt. Aber wir wissen, dass so etwasnicht von heute auf morgen geht.


    Deshalb möchte ich an Euch appellieren als sozialdemokratische Partei, an alle Beteiligten:Wir müssen aufhören Umweltschutz gegen Industriepolitik auszuspielen. Beides muss parallelund zusammengehen. Wir müssen den Klimawandel bewältigen und moderne Industrieschaffen. Das können nur wir, das kann nur die SPD.
    Der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt. Wir stehen für ein tolerantes, ein vielfältiges undrespektvolles Miteinander. Das ist auch unser Antrieb bei der Beantwortung der Frage, inwelcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Wir haben in diesem Jahr die Ehe für alledurchgesetzt.
    Bei allen Misserfolgen dieses Jahres hat es sich alleine dafür gelohnt, Politik zu machen. Dennwir haben vielen Menschen einen ganz persönlichen Traum ermöglicht, nämlich den Traum,ihren Partner zu ehelichen.


    Ich habe an diesen Tagen erlebt, was das für viele auch meiner engeren und engsten Freundebedeutet hat: Endlich ein Ende mit dieser unsäglichen Diskriminierung in unserem Land. Ichfinde, darauf können wir stolz sein.


    Das ist nicht selbstverständlich. In vielen Gesellschaften weltweit findet heute ein Kulturkampfstatt, und am schlimmsten - das bedrückt uns, glaube ich, alle gemeinsam - in dem Land, daslange Zeit als das Vorbild für eine freie Gesellschaft galt, in den Vereinigten Staaten.
    Weltweit werden Minderheiten verunglimpft, Frauen in furchtbarer Weise unterdrückt undbelästigt. Es wird offen gegen bestimmte Ethnien und Religionen Stimmung gemacht. Einesolche Gesellschaft ist nicht unsere Gesellschaft!


    Aus aktuellem Anlass möchte ich etwas zur Sexismus-Debatte der letzten Wochen sagen. Derso wichtige Online-Aufschrei #metoo hat nur die abscheuliche Spitze eines Eisberges zumVorschein gebracht. Ich finde es unerträglich, täglich zu lesen und zu hören, wie viele Frauenvon Sexismus betroffen sind und Opfer von Belästigung und Gewalt geworden sind. Ich findees auch unerträglich, dass viele Männer leise davonkommen und möglicherweise einfachweitermachen.
    Was mich wirklich wütend macht ist, dass viele in der Debatte nicht kapieren, dass das keinestrafrechtliche Debatte ist, sondern dass es ein gesamtgesellschaftliches Fass offensichtlichohne Boden ist. Die letzten Wochen sollten uns endgültig vor Augen geführt haben: Sexismusdarf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Das müssen wir gemeinsam aufarbeiten. Wirmüssen zu einem respektvollen Umgang zwischen Frauen und Männern kommen. Ich will,dass die SPD dazu beiträgt, dass es diese Debatte eines Tages nicht mehr geben wird. Dasmuss unser Ziel sein.


    Bei uns muss jede und jeder frei und sicher leben können, egal welchen Geschlechts, egalwelcher Hautfarbe, egal mit welchem Familiennamen, welcher Herkunft oder Religion. UnserGrundgesetz bietet hierfür eine wunderbare Basis.


    Unsere Kultur ist seit Jahrhunderten von Vielfalt geprägt. Das kann man heute auch leichterkennen, wenn man nur genau hinguckt. Mit Navid Kermani hat ein in Siegen geborener Sohniranischer Eltern vor zwei Jahren den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Wirsehen uns mit Freude die Filme des Hamburger Regisseurs Fatih Akin an und freuen uns fürihn, aber auch für unser Land, wenn er bei den Filmfestspielen in Cannes für seine Arbeitausgezeichnet wird. Wir haben kluge und engagierte Journalistinnen: Pinar Atalay, LindaZervakis und Dunja Hayali. Ja, Kultur lebt von der Vielfalt, und eine Leitkulturdebatte, wie siemanche bei uns fordern, ist nicht zeitgemäß - sie ist historischer Unsinn.


    Eine vielfältige, eine plurale, gleichberechtigte Gesellschaft ist stärker, weil sie kreativer ist.Sie wird zum Erfolgsmodell, wenn ein Staat sie selbstbewusst gestaltet und sich darumkümmert, dass Einigkeit in Vielfalt entsteht.


    Es ist unsere Aufgabe, das in die Hand zu nehmen. Das ist unsere Antwort an die Hetzer vonrechts, die jetzt auch im Deutschen Bundestag sitzen. Ihr Parteitag am letzten Wochenendehat gezeigt, was sie wirklich sind: Sie sind Rechtsradikale und sie sind bejammernswerteDeutschnationale mit ihrer völkischen Rhetorik. Und wenn es ein Bollwerk gegen diese Leutegibt, wenn es ein Bollwerk zur Verteidigung der Demokratie gegen die Hetzer von rechts,
    gegen die Antisemiten, gegen diese Leute, die die Zusammenhaltsphilosophie in unsererGesellschaft ins Gegenteil umkehren wollen und die Gesellschaft spalten wollen, wenn es einModell gibt, wie man die Demokratie gegen diese Typen schützt, dann kann ich Euch sagen,wie das Modell heißt: Sozialdemokratische Partei Deutschlands! Wir sind deren Gegner.


    Wir kümmern uns darum, dass Menschen in unserem Lande gut zusammenleben. Dazubrauchen wir natürlich ein Einwanderungsgesetz, damit Menschen geregelt zu uns kommenkönnen.


    Dazu brauchen wir Angebote für Sprachkurse. Wir brauchen Arbeitsangebote, und vor allenDingen brauchen wir effizientere Verfahren. Für eine gute Integration sind drei Dingeelementar: Sprache, Arbeit und Freunde. Und ich möchte aufgrund der aktuellen Debatte nochhinzufügen: Familie! Die ist für die Integration auch wichtig.
    Was wir nicht gebrauchen können sind Debatten, die Menschen mit Migrationshintergrundstigmatisieren, sie ausgrenzen oder als Sicherheitsrisiko betrachten. Deutschland ist einEinwanderungsland, und es wird Zeit, dass wir der Verantwortung, die damit einhergeht,gerecht werden.


    Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für ein realistisches, aber immeroffenes und tolerantes Weltbild. Unsere eigene Geschichte ist doch geprägt von Krieg, Leid,Flucht und Verfolgung. Deshalb ist eines klar: Das Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgungkennt keine Obergrenze! Das ist garantiert - in unserer Verfassung, in den internationalenVerträgen.


    Aber um all diese Aufgaben zu erledigen und anzupacken, brauchen wir den starken Staat,besonders in Bezug auf die wichtigen Zukunftsfragen, um darauf zu reagieren, dass sichzentrale Bereiche unserer Gesellschaft nicht in die richtige Richtung entwickelt haben, weil siedem Markt alleine unterworfen wurden. Das sehen wir doch in den Großstädten, in denen esviel zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt. Es ist übrigens eine Katastrophe, dass in denBallungszentren auch wirklich gut situierte Menschen mit zwei Einkommen zwischenzeitlichihre Miete nicht mehr bezahlen können. Das geht nicht! Das liegt aber auch daran, dass sichder Staat teilweise aus dem geförderten Wohnungsbau zurückgezogen hat.


    Wir sehen es übrigens auch bei den Effizienzsteigerungen in Krankenhäusern oderPflegeeinrichtungen, wo das Personal bis zur totalen Überlastung derjenigen, die da arbeitetenund arbeiten, reduziert wurde. Ich erinnere Euch an den Pfleger, den ich in Moers amNiederrhein getroffen habe. Ich habe ihn oft während des Wahlkampfes zitiert. Er hat mirgesagt: „Herr Schulz, mein Job ist etwas für Melancholiker. Wenn ich abends nach Hausegehe, dann weiß ich, dass ich das, was ich hätte tun müssen, nicht habe tun können, weil mirdas Personal und die Ausstattung dafür fehlen, und dass die Menschen, die hier sind, die nichtnur ihr Alter, sondern auch ihr Vermögen hierherbringen, nicht das bekommen haben, wasihnen zusteht.“ Für den und für die, die er pflegt, hat sich übrigens seit dem Tag und auch seitder Bundestagswahl nichts verbessert.


    Wir sehen das bei der Daseinsvorsorge mit Wasser, mit Strom oder beim Nahverkehr, dienicht privat organisiert sein sollten, sondern als öffentliche Dienstleistungen. Der Sozialstaat,muss seiner Rolle als Sicherheitsnetz für ein selbstbestimmtes Leben im 21. Jahrhundertnachkommen können, und es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Staat das auchkann.


    Denn die Realität ist heute oft eine ganz andere: Unser Staat ist häufig unterfinanziert. Unddas ist nicht gottgegeben, das ist die Folge von politischen Entscheidungen, und das ist auchdie Folge einer neoliberalen Ideologie.


    Ich meine damit nicht nur offensichtliches Staatsversagen. Ich meine nicht nur Klassenzimmer,in die es reinregnet. Ich meine nicht nur Einwohnermeldeämter - die gibt es immer noch - indenen Bürger nicht wie Kunden, sondern wie Untertanen behandelt werden. Ich meine auchvöllig überlastete Gerichte oder Polizeiwachen, die seit 30 Jahren nicht mehr renoviert wurden.Deshalb sind wir auch für eine Kehrtwende, für mehr und besser bezahlte Polizeikräfte und füreine besser ausgestattete Justiz.


    DieModernisierungunseresGemeinwesens isteineextremwichtigeSache,diewiranpackenmüssen. Der Staat muss seiner Schutzfunktion nachkommen können! Das dürfen wir nichtden Staatsverächtern, diesen Privat-statt-Staat-Fetischisten à la Christian Lindner überlassen!Unser Staat muss handlungsfähiger werden, er muss besser werden! Dafür braucht es dieSPD!


    Nachdem die Jamaika-Verhandlungen in verantwortungsloser Weise und unter Missachtungder Interessen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes an die Wand gefahren wordensind, sind wir nun gefordert.


    Und dabei geht es nicht um die Frage GroKo oder nicht GroKo, Minderheitsregierung odernicht Minderheitsregierung, Kenia oder Neuwahlen. Nein, es geht um die Frage: Wie werdenwir unserer Verantwortung, jetzt und auch der nächsten Generation gegenüber, gerecht?
    Ja, wir müssen Europa stärken.
    Ja, wir müssen uns um die Zukunft der Arbeit im digitalen Zeitalter kümmern.
    Ja, wir brauchen eine Bildungsrevolution; denn Bildung und Qualifizierung sind die Rohstoffefür die Zukunft.
    Ja, wir müssen die Umwelt schützen und den Klimawandel begrenzen.
    Ja, wir müssen den Staat stärken, damit er unsere sozialen Netze aufrechterhält und dieWürde im Alter garantiert.
    All das brauchen wir; all das braucht das Land.


    Und wir müssen uns nun die Frage stellen: Wie setzen wir das durch? In welcher Form, dasmuss ausgelotet werden. Dafür wollen wir ergebnisoffen reden und schauen, zu welcheninhaltlichen Lösungen wir kommen können. Auf den Inhalt kommt es an, nicht auf die Form.
    Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nichtregieren wollen! Entscheidend ist, was wir durchsetzen können!
    Wie ist eigentlich die Lage, wenn wir sagen: „Wir gehen in keine GroKo“, die Grünen sagen:„Wir wollen kein Kenia“, die CDU sagt: „Wir machen keine Minderheitsregierung“ und derBundespräsident sagt: „Ich will keine Neuwahlen“?


    Dann, aber nur dann, stünde unser Land vor einer echten Krise. Vor dieser Situation stehenwir aber nicht. Denn es gibt verschiedene, gleichwertige Wege, wie man zurRegierungsbildung in diesem Lande beitragen kann.
    Unser Leitantrag ist eine Beschreibung der unterschiedlichen Optionen, über die wir redenmüssen. Lasst uns zuerst sehen, welche Inhalte wir durchsetzen können, und lasst uns dannentscheiden, in welcher Form wir dies tun. Dieser Leitantrag kombiniert beides: unserepolitischen Inhalte zuerst und keinen Automatismus in irgendeine Richtung.


    Ich wiederhole das, weil ich die Debatte kenne: unsere politischen Inhalte zuerst und keinenAutomatismus in irgendeine Richtung! Für dieses Vorgehen gebe ich Euch meine Garantie.
    Und deshalb bitte ich Euch um Zustimmung zu diesem Leitantrag, der keine Option vom Tischnimmt, der uns alle Wege offenhält, um ein Maximum an sozialdemokratischer Politikdurchzusetzen.


    Wer in den letzten Tagen und Wochen die Zeitungen gelesen hat, der konnte den Eindruckgewinnen, der Satz „erst das Land, dann die Partei“ gilt nur für die Sozialdemokratische ParteiDeutschlands. Richtig ist aber doch vielmehr: Wenn die soziale Demokratie in diesem Landund unsere Partei es nicht schaffen, stark zu sein, wenn die Idee der Solidarität, derGleichberechtigung, der Toleranz, des demokratischen Respekts vor dem Individuumuntergeht oder immer weiter geschwächt wird, dann geht es auch dem Land schlecht. DieErneuerung der SPD dient dem Land. Und die Erneuerung der SPD kann nicht gegen dieInteressen des Landes ausgespielt werden - so wenig, wie die Interessen des Landes und diestaatspolitische Verantwortung gegen die Interessen der Partei ausgespielt werden können.
    Der Erneuerungsprozess der SPD, organisatorisch und politisch, wird weitergehen, und ermuss weitergehen. Denn wir haben eine Führungsverantwortung als Sozialdemokraten inDeutschland und in Europa und in unserer sozialdemokratischen Parteienfamilie.


    Nein, wir dürfen uns das nicht einreden. Nicht erst das Land, dann die Partei. Auch nichtumgekehrt, wie bei Herrn Lindner: Erst die Partei, und das Land ist uns egal. Nein, eine starkePartei, eine starke SPD, ist notwendig, um Deutschland stark zu machen, und ein starkesDeutschland ist notwendig, um Europa stark zu machen!
    Dafür, will ich Politik machen: für eine starke SPD und für ein starkes Land! Dafür bewerbe ichmich erneut um den Vorsitz unserer Partei.
    Ein Parteivorsitzender der SPD darf nie gewählt werden, nur weil es keine Alternativen zugeben scheint. Ein Parteivorsitzender der SPD darf auch nie gewählt werden, weil er erst vorein paar Monaten mit 100 Prozent gewählt worden ist. Ein Parteivorsitzender der SPD darfauch nie gewählt werden als Ergebnis irgendeines Deals, nach dem Motto zwei links, zweirechts, und einen fallen lassen.


    Wir sind die SPD, eine stolze Partei, und das aus gutem Grund. Wir sind es unseremSelbstverständnis, unserem Land und unserer Geschichte schuldig, dass wir mit offenemVisier, mit klarem Blick, mit kühlem Verstand, mit Herz und Leidenschaft unser Land und dieErneuerung unserer Partei voranbringen.
    Und genau deshalb bewerbe ich mich um das Amt des Parteivorsitzenden: Weil ich weiß,warum die SPD gerade in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil ich spüre, für wen die SPDeintreten muss, und weil ich auf diese Menschen zugehen will und es auch kann. Ja, ich sagedas: Auch, weil es in mir brennt und ich mehr Menschen überzeugen möchte, bei unsmitzumachen und bei diesem Neuaufbau anzupacken.
    Darum möchte ich mich als Parteivorsitzender kümmern.


    Deshalb: Ich werbe um Euer Vertrauen. Dabei geht es um sehr, sehr viel. Das hier ist nichtirgendein Parteitag. Wir alle tragen große Verantwortung. Ich bin mir dieser Verantwortungbewusst. Ich weiß: Ihr seid Euch dieser Verantwortung ebenso bewusst. Ich bin nicht verzagtvor der großen Aufgabe, die wir zu bewältigen haben.
    Wir haben in diesem Jahr 30.000 neue Mitglieder aufgenommen, und wir habenHunderttausende erfahrene Genossinnen und Genossen in unseren Reihen. Es gibt eine Re-Politisierung in unserer Gesellschaft mit großartigen Menschen, die sich engagieren.
    Es gibt ein Bedürfnis nach glaubwürdiger und guter Politik, nach solider Arbeit undauthentischem Auftreten, so wie Stephan Weil und die niedersächsische SPD es gezeigthaben. So kann man Wahlen gewinnen!


    Sicher ist, nicht ich oder Andrea Nahles oder wir alle hier oben auf der Vorstandstribüne, nichtwir alleine werden diese Aufgabe bewältigen. Aber wir zusammen, die Parteiführung Seit ́ anSeit ́ mit allen Mitgliedern und mit ausgestreckter Hand zu allen, die mit uns für Respekt,Würde und Solidarität in der Gesellschaft kämpfen wollen, mit denen zusammen können wirdas hinbekommen. Nein, ich bin mir sicher: Wir werden es hinbekommen.
    Deshalb lasst uns zusammen aufbrechen. Einigkeit macht stark. Für Deutschland, für Europaund für eine bessere Welt.


    Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit. "


    Link: Rede als PDF-Datei zum Download.

  • Ich habe mir heute Morgen tatsächlich die gesamte Rede durchgelesen. Nur: Was will uns der Autor damit sagen? All die vertretenen Ziele resp. Standpunkte könnte ich zu einem Großteil unterschreiben. Die Schlussfolgerungen sind nur nicht neu. Ich sehe nun das Problem darin, dass die SPD ein Vertrauensproblem in der Bevölkerung besitzt. In den letzten 19 Jahren war die Partei davon 15 Jahre an der Regierung beteiligt: Warum erst jetzt das Umdenken? Sie muss zunächst einmal liefern, aber dafür braucht sie auch das entsprechende Mandant. Keine einfache Situation für Schulz und Co.


    Ein neuer Generalsekretär aus dem Seeheimer Kreis mag parteipolitisch notwendig sein, aber ob man so die ehemaligen Wähler zurückgewinnen kann? Ich bleib dabei, die SPD muss zunächst liefern. Angesichts der letzten Wahlergebnisse für die Partei könnte hierfür jedoch bereits das notwendige Gewicht an Wählerstimmen fehlen. Eine Jahrhundertaufgabe.

  • Die Friedrich Ebert Stiftung (SPD) stuft die Grünen derweil linker als die SPD ein. Sehr amüsant.
    UNd ist auch noch stolz drauf, da man so mehr Wähler erreicht.



    https://www.fes.de/internation…eutschland-november-2017/



    Auch berkenswert ist, dass in der Studie die Wählerklientel der SPD insgesamt etwas rechtsautoritärer verortet, wird als sich die SPD gibt.


    Das lässt ja nicht hoffen für die zukünftige programmatische Ausrichtung.

  • Warum?
    Ehrlich gesagt bin ich da eher positiv überrascht. Hätte da tiefere Ausschläge richtung CDU befürchtet.


    Aber da gibt es ja zumindest bei den Parteipositionen der CDU/CSU ja laut Grafik de facto keine Deckung. Ebensowenig mit der FDP.
    (was durchaus anderen Studien widerspricht, bzw. die Beschränktheit dieser Grafil mit seinen nur 2 Dimensionen aufzeigt)


    Wobei mich die Position der FDP etwas überrascht. Ich hätte sie libertärer eingeschätzt.
    Namensbetrug?

  • Auch berkenswert ist, dass in der Studie die Wählerklientel der SPD insgesamt etwas rechtsautoritärer verortet, wird als sich die SPD gibt.

    Wobei bei der SPD die Schnittmenge der Partei in ihrer Außendarstellung und Wunschvorstellung zu ihrem Wählervolk am besten von allen Parteien übereinstimmt.
    Das sind aber auch nicht mehr so viele, die die wählen (würden).
    Bei den anderen Parteien sind doch erstaunliche Abweichungen, bis zu kaum einer Überschneidung.

  • Meine Sichtweise: Die SPD ist eine Partei der bundesrepublikanischen Mitte, die etwas nach links tendiert und ihre Wurzeln im demokratischen Sozialismus des Kaiserreichs hat. Sie hat bis in die späten Siebziger die Schichten der sozialistisch orientierten Industriearbeiter vertreten und würde dann später eine politische Heimat für einen Teil der 68er Bewegung. Heute vertritt sie eher links orientierte Teile des deutschen Bürgertums und zwar so ziemlich aller Schichten und Einkommensklassen.
    Wirtschaftlich steht die SPD für die soziale Marktwirtschaft. Sozial hat sie zum Ziel den Sozialstaat langfristig unter sich verändernden Bedingungen finanziell zu erhalten und abzusichern, was nicht gleichbedeutend ist damit, den Versorgungsstand immer weiter auszubauen, sondern lediglich damit, ein menschenwürdiges Leben und Teilhabe am gesellschaftlichen Dasein für alle zu ermöglichen und zu garantieren. Generell vertritt die SPD eher eine staatsorientierte Politik. Das heißt dass Sozialdemokraten mehrheitlich die positiven Aspekte staatlicher Kontrollen, Regelungen und Eingriffe sehen, während bspw. Liberale und Konservative die Macht des Staates gerade im Bereich der Wirtschaft, Bildung eher in einschränken und diese verstärkt in private Hände legen wollen. Das alles hat aber nichts mit dem zu tun, was bspw. große Teile von Die Linke fordern, denen eher ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Systemwechsel vorschwebt. Die SPD lehnt dies auch deshalb ab, weil es dafür vorhersehbar keine demokratisch erreichbaren langfristigen Mehrheiten in der Gesellschaft gibt.

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