Sinn und Zweck von Nationalstaaten und Nationalgefühl

  • In dieser Form kann ich nur sagen-
    Diese Drecksnationalstaaten.


    Schlimmste Erfindung seit Menschengedenken.


    Da kann Ich dir nur zustimmen... Nationalstaaten, und die dazugehörige Abgrenzung zwischen "die" und "wir" haben der Menschheit nur Leit gebracht, denn "die" sind immer leich als Feindbild zu nutzen solange die Grenze im Kopf der Menschen vorhanden ist.


    Gruß

  • Nö.


    Der Nationalismus wirkte als vereinigender Moment, zumindest in Deutschland, woanders riss er auseinander.
    Das kann man für Deutschland durchaus begrüßen.
    Für das Osmanische Reich oder auch Habsburg Österreich sehe ich hier durchaus einen Rückschritt da man sich ins nationale KLein Klein verstrickte, mit den entsprechenden Folgen.


    Durch die Vereinigung wurden aber gleichzeitig sehr stark ausgegrenzt und Feindschaften nach Außen definiert und verschärft. Eine Entwicklung die in die Katastrophe führte.
    Durch die Nationalstaatsgründungen wurde auch ganz klar definiert wer nicht dazu gehört. Das Ergebnis waren ein Haufen Völkermorde. Schließlich mussten die beseitigt werden die nicht dazu gehörten.
    Auch:
    Stellen wir uns einmal vor die deutsche Reichsgründung wäre nicht über die Demütigung der Franzosen und einem großen Kriege erfolgt.




    Heute gibt es in der Tat dann auch andere Alternativen zu kleinen Fürstentümern überall auf der Welt.

  • Zitat

    Durch die Nationalstaatsgründungen wurde auch ganz klar definiert wer nicht dazu gehört. Das Ergebnis waren ein Haufen Völkermorde. Schließlich mussten die beseitigt werden die nicht dazu gehörten.


    Völkermorde und Ausgrenzung gab es doch schon weit vor dem Nationalstaat, im römischen Reich findet man da mehr als genug Beispiele.


    Aber worauf ich eigentlich hinaus will: Der Nationalstaat ist eine Entwicklung die eine deutliche Besserung der Situation hervorgebracht hat. Dass er heutzutage ein wenig antiquiert und eher unpraktikabel ist stimmt, dafür sollte man jedoch nicht Idee selbst kritisieren. Eine stärkere Zusammenarbeit der europäischen Nationen (als Beispiel) wäre meiner Meinung nach ohne Nationalstaaten gar nicht erst möglich gewesen.


    Zitat

    Schlimmste Erfindung seit Menschengedenke


    Die schlimmste Erfindung mitnichten, man kritisierte die Muskete in ihrer Spätzeit auch nicht als schlimmste Erfindung, nur weil sie veraltet war, man entwickelte auf ihrer Basis ein neues Konzept. So ähnlich sehe ich das mit Nationalstaaten.

    „The Wheel of Time turns, and Ages come and pass, leaving memories that become legend. Legend fades to myth, and even myth is long forgotten when the Age that gave it birth comes again."

  • Naja, ich glaube der Nationalgedanke bzw. vor allem das Nationalgefühl, was ja den Nationalstaat letztlich prägt, ist einfach eine Tatsache, um die man nicht herumkommt. Das ist so ein bisschen, als würde man sich über das Wetter aufregen.


    Der Nationalgedanke basiert ja letztlich auf einer gemeinsamen Sprache, gemeinsamen kulturellen und religiösen Traditionen und einem gemeinsamen nationalem Geschichtsempfinden. Ich glaube, das ist letzten Endes wohl auch etwas, was den Menschen ein Sicherheitsempfinden und ein Heimatgefühl bietet. Man kann natürlich z.B. die österreichische KuK-Monarchie als positives Gegenbeispiel nennen. Nur vergisst man dann, dass diese ja nicht ohne Grund gescheitert ist und letztlich nicht auf einer freien Selbstbestimmung der Völker beruhte. Der KuK-Staat hatte immer damit zu kämpfen, dass seine Völkerschaften in die nationale Unabhängigkeit strebten.


    Ich glaube sogar, dass der Nationalgedanke sehr segenbringend und friedensstiftend sein kann. Nämlich dann, wenn klare Grenzen und Zuständigkeiten herrschen. Nehmen wir mal das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Vertreibung vieler Deutscher aus den ehemaligen Ostgebieten. Das ist jetzt sehr krass zu sagen, aber ich glaube, dass die Tatsache, dass hier eindeutige nationale und auch ethnische Grenzen geschaffen wurden, überhaupt erst die Voraussetzung für die langfristige friedliche Entwicklung der Nachkriegszeit geschaffen haben. Egal wo man auf der Erde hinsieht. Staatliche Konstrukte, die dem Nationalgedanken und der Berücksichtigung ethnischer Zugehörigkeiten zuwiderlaufen enden meistens in schweren Konflikten und florieren in den seltensten Fällen. In den USA klappt es "noch" so gerade, aber ich bin keinesfalls sicher, dass das so bestehen bleibt. Aber nehmen wir z.B. den Balkan: Kroatien, Slowenien und Serbien haben alle relativ wenig Probleme. Bosnien hingegen ist ein Kunstprodukt und meiner Ansicht nach der Konfliktherd der Zukunft. Genauso wie das Kosovo oder Mazedonien. Und zwar deshalb, weil diese Staaten die ethnischen und nationalen Grenzen in ihrer Konstruktion nicht berücksichtigen. Man könnte das auch auf Israel und Palästina übertragen oder auf Indien und Pakistan. Letztlich ist das traurige daran, dass dieser Gedanke konsequent zu Ende gedacht ethnische Vertreibungen rechtfertigt. Andererseits glaube ich inzwischen tatsächlich, dass erst die erfolgreiche nationale und kulturelle Abgrenzung zueinander den Völkern die Sicherheit verschafft, um DANN wieder friedlich aufeinander zugehen zu können. Sprich, erst als Deutschland und Frankreich oder Polen damit aufhörten, sich gegenseitig die kulturelle Vorherrschaft in einzelnen Regionen streitig zu machen, erst als sie die gegenseitigen GRENZEN anerkannten, erst dann waren sie dazu in der Lage, eine politische "Freundschaft" und einen dauerhaften Frieden zu erlangen. Das heißt letztlich doch, dass die Sicherheit der Grenzen überhaupt erst das Fundament gebildet hat, um den europäischen Frieden dauerhaft zu sichern.


    Bedauerlicherweise erleben wir durch die Flüchtlingsbewegungen nun, dass die Mehrheit der Bevölkerung in vielen europäischen Ländern nicht mehr das Gefühl hat, dass ihre nationalen und ethnischen Grenzen noch sicher sind.


    Im Grunde ist das eine uralte Sache, die schon vor dem Nationalgedanken immer wieder eine Rolle spielt. Die Nation ersetzt doch heute, was früher vielleicht der Stamm oder der Stadtstaat war. Wenn nun ein großer Stamm anfing, in die Ländereien oder Jagdgebiete eines anderen Stammes zu ziehen, aus welchem Grunde auch immer, dann führte das fast immer zu großen, meist kriegerischen Konflikten. Ich nehme als Beispiel nur einmal den Zug der Helvetier nach Gallien und die Schlacht von Bibracte, welche letztlich Cäsar den Vorwand zu seinen Gallischen Kriegen lieferte.

  • Zitat

    dieser Form kann ich nur sagen-
    Diese Drecksnationalstaaten.


    Schlimmste Erfindung seit Menschengedenken.


    Komm Twiggels, bleibe mal ruhig. Nationalstaaten sind gut.
    Ich denke hier an Willi Brandt als er gesagt hatte, "es wächst zusammen was zusammen gehört".


    Auch mich hat das Ergebnis der Wahlen in Polen entsetzt. Ausgerechnet dieser Nationalreaktionär und Deutschlandhasser Kazinski mit seiner PIS hat die Wahl gewonnen. Ich denke hier an ein Sprichwort meiner Großmutter:"wenns dem Esel zu bunt wird, geht er aufs Eis danze".
    Den Polen scheint es zu gut zugehen, also wählen sie Kazinskis Tussi.


    Ihr habt ÖU die Doppelmonarchie angesprochen, nun wenn die sog. Deutsche Führungsschicht so dumm war und andere Nationalitäten so grass benachteiligt und noch nicht mal eine gleichberechtigte Mehrsprachigkeit eingeführt hatte, brauchen die sich doch nicht zu wundern. Ein Zusammenschluß mehrerer unterschiedlicher Volksgruppen klappt nur, wenn die Minderheiten nicht benachteiligt werden und deren Eigenarten anerkannt wird. Dier Minderheiten dürfen sich allerdings auch nicht die Mehrheiten versuchen zu dominieren. Aber es geht, wie wir alle an der Schweiz sehen können. Es klappt nicht, wenn das Mehrheitsvolk nicht auf die Belange der Minderheiten zugeht, das sehen wir an den Kurden. Ich hoffe sehr, daß die Kurden iren Staat bekommen. Oder wenn sog. Siegermächte Staatsbilden t eingreifen. Siehe 1919 die Tchesslovakei. Hier wurden von den Entetemächten drei Millionnen Deutsche in einen Staat gepresst, den die nicht wollten. Das Ergebnis ist ja bekannt. Genauso ging es in Jugoslavien mit den Serben, Kroaten und Slowenen.
    Das wichtigste in einem Staat mit unterschiedlichen Volks u. Religionsgruppen ist, daß eine Bevölkerungsgruppe der anderen nicht ihre Würde nimmt und nicht unmenschlich wird.


    Ansonsten kann ich dem Beitrag von John nur zustimmen und mich bedanken. :thumbup:

  • Identität kann man über viele Dinge schaffen.
    Nation ist nur eine Form.


    Und natürlich kommt man um das Nationenkonstrukt herum.
    Der Nationalstaat ist eine recht junge Erfindung.


    Europa/das Abendland/Rom/Erdbürger/Unoist/Menschenrechtler/Humanist/Religion x/Kapitalismus/Sozialismus/Personenkult/Mensch wären weitere Möglichkeiten einer Identitätsbildung.
    Leider entfalten diese eben oft nicht die Strahlkraft/Identifikationsmöglichkeit der Nation. Das ist wohl leider so.
    Fan vom 1.FC Menschenrechte.
    Das klappt irgendwie nicht.
    Auch sieht man gerade in Deutschland und Europa wie die eigenen Werte verraten werden.




    Die Religion spielt noch in einer ähnlichen Liga wie die Nation als identitätsstiftender Fakor.
    Ein Staatswesen, welches sich auf eine Religion gründet und dem Nationalstaat vernein...nun das konstituiert sich gerade.






    Nationalstaaten können indes sicher in ihrer Ausprägung "gut" sein, was auch immer das heißen mag.
    Sie sind aber sicher nicht per se: "Gut"


    Leider verleiten sie eben durch ihren ausgrenzenden Impetus zum Gegenteile.
    Aber auch das ist ja nach John gut, weil man so homogene friedliche Staatskonstrukte erreicht,


    Nach dieser Logik ist Europa im Übrigen eine ganz schlechte Idee.



    John.
    Deiner Argumentation des Segensreichtums von reinen Nationalstaaten ohne Fremdkörer folgend müsstest du eigentlich die AFD/Orban wählen.

  • So, Beiträge man in einen neuen Thread verschoben.
    John


    Zur Schweiz:
    Meiner Kenntnis nach funktioniert die Schweiz doch vor allem auch deshalb, weil sich die einzelnen Kantone sprachlich bspw. strikt voneinander abgrenzen nach dem Territorialitätsprinzip. Und die Schweiz grenzt sich ja auch immer mehr nach Außen ab. Das machen ja die Wahlergebnisse auch deutlich.


    Identität kann man über viele Dinge schaffen.
    Nation ist nur eine Form.


    Und natürlich kommt man um das Nationenkonstrukt herum.
    Der Nationalstaat ist eine recht junge Erfindung.


    Europa/das Abendland/Rom/Erdbürger/Unoist/Menschenrechtler/Humanist/Religion x/Kapitalismus/Sozialismus/Personenkult/Mensch wären weitere Möglichkeiten einer Identitätsbildung.
    Leider entfalten diese eben oft nicht die Strahlkraft/Identifikationsmöglichkeit der Nation. Das ist wohl leider so.


    Diese Aussage von dir widerspricht sich doch selbst. Theoretisch kann man natürlich eine Identität über andere Dinge schaffen. Vereinzelt wird das wohl auch funktionieren. Aber wie du selbst schreibst, ist die Stahlkraft der Nation bisher unübertroffen. Höchstens vielleicht noch von der Religion. Alle von dir genannten Alternativen haben sich bisher in der Menschheitsgeschichte als eher kurzlebig erwiesen. Am ehesten funktionierte wohl noch der Reichsgedanke, nachdem sich ein König- oder Kaiserreich nach Außen abgrenzte. Aber auch hier haben wir eben eine Form von Abgrenzung, die das Ganze erst stabil macht. Trotzdem sind diese König- und Kaiserreiche letztlich zerfallen als der Nationalgedanke Verbreitung fand. Die Kolonialreiche sind zusammengebrochen. Vielvölkerstaaten zerbrochen.


    Die Religion spielt noch in einer ähnlichen Liga wie die Nation als identitätsstiftender Fakor.
    Ein Staatswesen, welches sich auf eine Religion gründet und dem Nationalstaat vernein...nun das konstituiert sich gerade.

    Nun, ob der IS als Staat funktioniert bezweifle ich. Ich glaube allerdings, dass du recht haben könntest und die Theokratie ein ähnlich identitätsstiftender Faktor sein könnte. Die Geschichte des christlichen Europas spricht allerdings eher dagegen. Andererseits haben wir gerade in der Region in Syrien bisher eine krasse Missachtung des Nationalitätsprinzips gehabt. Die Kurden haben keinen eigenen Nationalstaat. Die Alawiten nicht. Die Sunniten nicht. Das betrifft auch den Irak. All diese Länder wurden willkürlich, ohne Beachtung des Nationalitätsprinzips gegründet. Und deswegen funktionieren sie auch heute nicht mehr und stehen vor dem Auseinanderbrechen oder dem Bürgerkrieg.
    Zusätzlich mag der IS sich auf Religion gründen. Vor allem gründet er sich aber auch wieder auf ABGRENZUNG nach Außen und brutal erzwungener Homogenität nach innen.


    Nationalstaaten können indes sicher in ihrer Ausprägung "gut" sein, was auch immer das heißen mag.
    Sie sind aber sicher nicht per se: "Gut"


    Leider verleiten sie eben durch ihren ausgrenzenden Impetus zum Gegenteile.
    Aber auch das ist ja nach John gut, weil man so homogene friedliche Staatskonstrukte erreicht,


    Nach dieser Logik ist Europa im Übrigen eine ganz schlechte Idee.

    Twiggels du verstehst nicht ganz, was ich sagen möchte. Es geht mir hier nicht um "gut" oder "schlecht", sondern darum eine Tatsache anzuerkennen, die du in deinem Eingangspost mit "Drecknationalstaaten" völlig negierst. Es geht hier eigentlich auch nur sekundär um das Nationalprinzip. Vor allem geht es erst einmal um ein Grundbedürfnis nach "Abgrenzung", weil dies erst den Menschen ein, wahrscheinlich als eingeborenes Urempfinden, Sicherheitsgefühl gibt. Was machen die meisten Grundstücksbesitzer zuerst? Sie bauen einen Zaun oder Zäunchen um ihr Grundstück. Das gilt in vielen Bereichen sogar als Zierde, bspw. im Gartenbau. Und selbst wenn ein solches Zäunchen nur symbolischen Charakter hat, so markiert es doch einen Grenze nach Außen. Wir alle haben in der Regel abschließbare Wohnungstüren und sogar abschließbare Zimmertüren? Warum? Weil wir damit unserem Grundbedürfnis nach Abgrenzung und Sicherheit entsprechen. Wir markieren damit ständig nach Außen: Das ist meins. Das gehört mir. Das darfst du nicht einfach betreten oder wegnehmen. Alle Ideologien, die versuchten das zu überwinden sind daran gescheitert. Der Kommunismus oder realexistierende Sozialismus proklamierte das Volkseigentum. Mit welchem Effekt? Niemand fühlte sich mehr für etwas verantwortlich, was lediglich "allen gehören" sollte. Zudem zeigte gerade die Führungsschicht dieser Staaten, dass dieses Konzept nicht ehrlich funktioniert. Sie grenzte sich nämlich radikal vom eigenen Volk ab. Wohnte in abgeschirmten Siedlungen usw.. Der Ost-West-Konflikt zeigt uns übrigens auch, wie friedensstiftend Grenzen sein können. Erst die radikale Abgrenzung der Einflusszonen des Ostblock und des Westens, verbunden mit einer grundsätzlichen Anerkennung durch die Nichteinmischungspolitik konnte, während des Kalten Krieges den Frieden in Europa sichern. Überall wo das nicht funktionierte (z.B. Vietnam, Korea, Afrika) kam es teils zu heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Systemen.


    Kommen wir nun zu Europa und der europäischen Union. Es ist ein Trugschluss, wenn man glaubt Europa habe durch die Aufhebung der Grenzen funktioniert. Mit nichten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Grenzen waren derart etabliert, gegenseitig anerkannt und damit ungefährdet, dass erst dieser Umstand ermöglicht hat, sie zu öffnen, weil jedes Land darauf vertrauen durfte, dass die eigenen Grenzen trotz Grenzöffnung geachtet werden. Zudem ging das Ganze vom Konzept einher mit einer wesentlich stärkeren Abgrenzung nach außen. Diese Grenzöffnung nach Innen funktioniert aber nur so lange, wie es nicht zu Konflikten führt, die den Anschein erwecken, die Nationalgrenzen fänden keine Beachtung mehr. Wären bspw. Millionen von Rumänen, Polen, Spaniern oder Franzosen nach Deutschland gekommen, um hier dauerhaft zu bleiben, dann hätte das mit Sicherheit zu großen Problemen und zu einer massiven Ablehnung der offenen Grenzen geführt. Dies ist aber nicht in dem Maße geschehen, dass es sich für Deutschland spürbar negativ bemerkbar gemacht hätte. Insofern ist der Konflikt ausgeblieben. Zumal es durch den Europäischen Gerichtshof Urteile gibt, welche die innereuropäische Einwanderung in ein benachbartes Sozialsystem verhindern. Sozusagen eine Abgrenzung im Sozialbereich durch Gesetze. Europa funktioniert, ähnlich wie die Schweiz, also solange gut, solange die Abgrenzung der einzelnen Nationalstaaten zueinander in Sprache, Kultur und Wohlstand nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist mit der Griechischen Krise zum ersten Mal geschehen. Die Staatswirtschaftliche Abgrenzung funktionierte dort nicht mehr, weil Deutschland plötzlich für griechische Schulden zahlen sollte. Prompt hatten wir einen enormen Umschwung im Verhältnis der Bevölkerung zu Europa. Jetzt erleben wir eine neue Situation. Die Außengrenzen Europas sind für jeden erkennbar nicht mehr sicher. Die Binnengrenzen, also die Grenzen der Nationalstaaten auch nicht mehr. Dadurch wird, meiner Ansicht nach, ein elementares Grundbedürfnis der Bevölkerung, nämlich dem nach sicheren Grenzen nach außen, nicht mehr Rechnung getragen. Und das kann nur zu schweren Konflikten und politischen Umbrüchen führen. Ich glaube das ist schon fast eine geradezu natürliche Reaktion, weil sie einem Urinstinkt folgt. In den osteuropäischen Ländern hat das schon stattgefunden (Beispiel Ungarn, Polen usw.). Es droht auch hier stattzufinden, wenn sich die Entwicklung nicht wandelt.


    John.
    Deiner Argumentation des Segensreichtums von reinen Nationalstaaten ohne Fremdkörer folgend müsstest du eigentlich die AFD/Orban wählen.

    Nein, weil für mich persönlich das Prinzip der Humanität und Solidarität darüber steht. Das gilt aber nur für mich persönlich. Das heißt aber nicht, dass ich nicht erkennen könnte, dass die Missachtung nationaler Grenzen langfristig dazu führen wird, dass eine Mehrheit der Bevölkerung, so oder so, dafür sorgen wird, dass diese nationalen Grenzen wieder "gesichert" werden. Das kann zum einen geschehen, indem die Abgrenzung Europas nach Außen wieder derart effektiv umgesetzt wird, dass die Binnengrenzen wieder als sicher gelten und offen gelassen werden können. Es könnte, falls dies nicht geschieht, spätestens in Folge von Neuwahlen, dazu führen, dass die nationalen Grenzen geschlossen werden, ähnlich wie in Ungarn schon heute. Falls auch das nicht geschieht, rechne ich damit, dass wir ein Auseinanderfallen der Gesellschaft befürchten müssen und vielleicht "Gated Communities" und eine allgemeine Endsolidarisierung erleben, als letztmögliche Form der dann persönlichen Abgrenzung, falls das Nationalstaatsprinzip als bisherige letzte Abgrenzungsmöglichkeit versagt. Das ist eine von mir befürchtete Zustandsbeschreibung und nicht eine von mir erwünschte Entwicklung.


    Wir haben hier im Grunde einen Konflikt, zwischen dem Grundbedürfnis auf Abgrenzung und Sicherheit auf der einen Seite und dem Bedürfnis nach Humanität, Hilfsbereitschaft und dem Retten von Menschenleben auf der anderen Seite. Wir könne diese Krise aber aus meiner Sicht nur dann bewältigen, wenn wir beide Seiten bewältigen. Helfen ohne die Grenzen wieder zu sichern, in welcher Form auch immer, wird nicht dauerhaft funktionieren. Das sehen wir schon jetzt. Die Grenzen zu sichern, ohne dabei zu helfen und die Katastrophe zu verhindern, wird aber definitiv auch nicht funktionieren. Auch das zeichnet sich schon jetzt bereits ab. Momentan geschieht politisch bisher weder das eine noch das andere. Es wird zwar geholfen, aber eben vor allem symptomatisch, nicht ursächlich. Und auch nicht in erster Linie politisch, sondern eher privat. Und die Grenzen werden auch nicht gesichert. Das ist ja offensichtlich.

  • Hallo Twiggels,


    tut mir leid, deine Verdammnis von Nationalstaaten kann ich nicht nachvollziehen.


    Es gibt viele Beispiele in der Geschichte, indem es zu heftigen Bürgerkriegen gekommen ist bzw. kommt, weil unterschiedliche Völker nicht in einem Staat leben wollen.


    Sicher büßen viele Völker der dritten Welt die Fehler und Wurschtigkeit der Kolonialmächte. Ich versteh immer noch nicht, warum die Völker Afrikas sich die von den Kolonialmächten gezogenen Grenzen gefallen lassen, anstatt den Kontinent nach Völker zu trennen. Die Auswirkungen sehen wir doch im Nahen Osten. Es wäre wesentlich sinnvoller gewesen die Völker in Syrien, im Libanon und im Irak nach Volksgruppen und Religionen zu trennen. Hätten die Tutsis einen eigenen Staat gehabt wäre ca 850.000 Menschen nicht bestialisch ermordet worden.


    Z.B. Ceylon, hier wäre es sinnvoller gewesen einen Staat der Tamilen und der Ceylonesen zu bilden, Cypern, eine Teilung zwischen Türken und Griechen, Nigeria eine Teilung des Landes in einen Christlichen und Muslimischen Teil, der Sudan. Oder Burma, hier versuchen ca 5 Volksgruppen ihren eigenen Staat zu bilden, man sollte sie lassen.
    Auch wenn der neue Staat Südsudan z.Zt. sich im Bürgerkrieg befindet. Jugoslawien ist ein weiteres Beispiel.


    Slowenien und Kroatien; Belgien, Wallonen und Flamen sind sich selbst nach 150 Jahren nicht grün. Oder Slowakei und Tchechien, eine vorbildliche Trennung! Warum ist den die SU zusammen gebrochen, weil die vielen Völker nicht mehr unter der Vorherrschaft der Russen leben wollten.


    Bosnien, hier verstehe ich nicht, warum man die Serben in Bosnien sich nicht Serbien anschließen lässt.
    Nochmal Willi Brandt: Das was zusammen gehört wird zusammen kommen, das was nicht zusammen gehört, kann man auch nicht in einem Staat pressen. Auch wenn das Bedeutet, daß Volksgruppen friedlich umgesiedelt werden müssen.


    Ich habe auch kein Problem damit, wenn die Sorben oder die Friesen ihren eigenen Staat haben wollten. Von meiner Seite aus gerne.


    Ein Mehrvölkerstaat wird nur gelingen, wenn die Volksgruppen freiwillig sich zusammenschließen; siehe hier die Schweiz. Oder wenn vorhandene Bewohner bereit sind, Einwanderer aufzunehmen wie z.B. die USA und Canada.
    Nur wenn das Volk in einem Nationalstaat glaubt besser zu sein, wie das Nachbarvolk, kann es gefährlich werden, wie es vor dem ersten Weltkrieg war, oder das Hitlerdeutschland.


    In diesem Sinne,
    ein friedlicher Dienstag,
    RvD.

  • Hätten die Tutsis einen eigenen Staat gehabt wäre ca 850.000 Menschen nicht bestialisch ermordet worden.


    Dazu kann erwähnt werden das Hutu und Tutsi eigentlich ein und das Selbe "Volk" sind. Erst die Kolonialherren haben die beiden Völker erschaffen. Vor der Kolonialzeit waren es die Namen der Kasten, und durch Durchlässigkeit zwischen den Kasten gab es keine Probleme, erst durch die belgischen Kolonialherren ist diese Durchlässigkeit entfernt und die Kasten als Völker definiert worden.


    Gruß

  • Vielleicht bin ich oben in der Absolutheit etwas falsch rübergekommen.
    Ich verdamme Nationalstaaten nicht per se.


    In der Regel verteidige ich sie sogar gegenüber der doch seeeehr linken Grünen Jugend, unter anderen mit einigen Argumenten die hier noch gar nicht gebracht worden.
    In der Tat halte ich einen aufgeklärten, offenen Gesinnungsnationalstaat in der jeder dazugehört der den Gesellschaftsvertrag anerkennt im MOment als die sinnvollste Lösung.



    Die polnisch ungarische...etc. Entwicklung führte mir jedoch mal wieder vor Augen warum die grundlegende Kritik an ihnen gerechtfertigt ist, was zu meinen obigen emotionalen Ausbruch führte.



    Daher bin ich auch der Meinung, dass man den Nationalstaat überkommen muss.
    Europa ist hier der richtige Schritt.
    Aber auch nur ein Zwischenschritt in meinen Augen.

  • In der Tat halte ich einen aufgeklärten, offenen Gesinnungsnationalstaat in der jeder dazugehört der den Gesellschaftsvertrag anerkennt im MOment als die sinnvollste Lösung.

    Da stimme ich dir voll und ganz zu.


    Die polnisch ungarische...etc. Entwicklung führte mir jedoch mal wieder vor Augen warum die grundlegende Kritik an ihnen gerechtfertigt ist, was zu meinen obigen emotionalen Ausbruch führte.



    Daher bin ich auch der Meinung, dass man den Nationalstaat überkommen muss.
    Europa ist hier der richtige Schritt.
    Aber auch nur ein Zwischenschritt in meinen Augen.

    Auch wenn mir der übertriebene Nationalismus genau so unangenehm ist wie dir, würde ich nicht soweit gehen zu sagen, wir müssen den Nationalstaat letztlich abschaffen. Ich glaube nicht daran, dass das funktionieren würde. Die Nation als gesellschaftliches Ordnungsmoment ist meiner Ansicht nach etwas ganz Natürliches und entspricht auch letztlich den menschlichen Bedürfnissen nach Schutz, Gemeinschaft und Ordnung. Die Sprachgemeinschaft spielt hier denke ich auch eine ganz große Rolle. Eine gemeinsam vereinbarte einheitliche Sprache ist meiner Ansicht nach extrem wichtig, für ein funktionierendes Gemeinwesen. In Ausnahmefällen kann man das um eine zweite oder dritte Sprache erweitern (z.B. Sorbisch). Aber bspw. Vereinigte Staaten von Europa zu schaffen, in denen dann für alle verbindlich Englisch vorgeschrieben wäre, ähnlich wie Russisch in der Sowjetunion und im Ostblock, hielte ich für eine Katastrophe. Ich glaube erst ein sicherer und funktionierender Nationalstaat kann friedlich nach Außen hin wirken und eine freundschaftliche Politik mit seinen Nachbarstaaten führen. Bedroht man hingegen das nationale Konzept zu sehr durch Einschränkungen, wird man genau das Gegenteil erreichen, nämlich eine Stärkung des Nationalgefühls in Abgrenzung zu den Nachbarn.

  • Die Nationalisten, Populisten und Reaktionären aller Länder drehen ja zur Zeit frei. Sie provozieren, polarisieren und loten ihre Grenzen aus.


    Nun also auch wieder Dänemark, wo der Vizechef einer kleinen, unbeugsamen Partei, der Dansk Folksparti, die Forderung aufstellt die Südgrenze wieder an den Fluss zu verlegen, der über ein knappes Jahrtausend ebendiese zwischen Dänemark und "Deutschland" bildete. Er fordert also nichts Geringeres als Danmark til Ejderen.


    So sehr ich diese Forderung emotional und romantisert unterstütze, mir gar wünschte die Forderung wäre noch weitgreifender und die Grenze würde heruntergezogen bis Hamburg-Altona, gemäß dem Schlachtruf Altona skal være dansk, so muss ich leider doch (an-)erkennen, dass diese Forderung bar jeder Vernunft scheint. In kaum einer Grenzregion der Welt wird der Minderheitenschutz so groß geschrieben, wie in Schleswig, beiderseits der Landesgrenze. Egal ob man der Minderheit tatsächlich ethnisch angehört oder per Willenserklärung angehören möchte.


    Und warum sollte Dänemark es eigentlich bei der Korrektur der Südgrenze belassen und nicht gleich die gierigen Finger nach Norden ausstrecken? Warum nicht auch noch Südschweden, also Skåne, einfordern, ach was natürlich auch Norwegen, Island und Grönland und wenn man schon mal dabei ist auch das östliche England, dem fruchtbaren Danelag, danach würde ein Anspruch auf Neufundland, Du schönes Vinland, kaum noch für Aufsehen sorgen.


    Herrlich wäre es ein Russland in den Grenzen der UdSSR auferstehen zu sehen, ein Großserbien, ach was besser, das Habsburger Reich - es ist Österreich bestimmt, die Welt zu beherrschen - der kleine Sultan soll sein Osmanisches Reich bekommen - und wieder ein paar unnötige, nicht lebensfähige Staaten von der Landkarte getilgt. Was soll auch diese ganze Kleinstaaterei? Wer kann sich all die Länder auf dem Balkan und im Baltikum nur merken, und frage da bloß keiner nach den Hauptstädten. Demnächst wollen diese Zwergstaaten noch eigene Währungen einführen. Und danach? Eigene Maßeinheiten für Länge, Gewicht, Volumen? Irgendwo und -wann hat es auch seine Grenzen.


    Also her mit den Großreichen! Rom soll wieder auferstehen! Ebenfalls das antike Griechenland und Persien, Frankreich in napoleonischen Grenzen geeint. Deutschland von Stalingrad bis zur Biskaya, oh wie ist das wunderbar. Vom Nordkap bis zur Sahahara, einfach nur noch wunderbar. Von der Etsch bis an den Belt, uns gehört die Welt!
    Phantastische Großreiche mit einer Währung, einer Wirtschaft, einem Militär, einem Recht und Gesetz.
    Problematisch für die Großreiche wurde leider schließlich schließlich, dass aus kleinen Minderheiten große wurden. Der Hunger auf ein Mehr nicht gestillt werden konnte. Mehr Land, mehr Macht, mehr Geld, mehr Ansehen in der Welt. Herauskam meist noch ein Mehr an Bürokratie; obwohl es doch einfacher werden sollte; ein Mehr an Korruption, mehr Trägheit, mehr Verschleiß an Werten und Vernunft. Ein signifikantes Weniger des Zuhörens und Mitnehmens der Kleinen, der Minderheiten, der Besonderen und ihrer Eigenheiten. Und wiederum ein Mehr an Abgrenzung und Bevormundung der großen und kleinen Anderen, die nicht zur Gemeinschaft gehörten So mussten die Reiche letztendlich fallen.


    Zum Glück gibt's heut' die EU. Da muss nicht mehr eine Nation die andere unterjochen, um grenzfrei vom Nordmeer zum Mittelmeer reisen zu können. Ein Großerreich frei von jedwedem nationalistischemTamtam.In der Gemeinschaft groß und stark! Mit schlanker Bürokratie, wo auf die Bedürfnisse Aller in gleichem Maße eingegangen wird und kein Gesetz oder Entscheid den Bedürfnissen, auch kleinster, regionaler Gruppen oder den schon Dagewesenen zuwiderläuft und jeder, der nicht der Gemeinschaft angehört, eingeladen ist an der Glückseligkeit teilzuhabem. Jeder ist Gleicher unter Gleichen und die EU wird ewiglich bestehen.


    Schöne neue Welt.

  • Und was ist jetzt die Quintessenz deines Posts?


    "Schöne neue Welt" spielt auf Huxley an und ist damit eine ironische Floskel. Wüsste allerdings nicht, worin die Ironie bei deiner abschließenden Beschreibung der EU liegen sollte, denn die ist ja durchaus zutreffend und die EU stellt ja in der Tat die beste Lösung des Problems dar. Also warum die Ironie am Ende?

  • Moin,


    Nationalismus ist schlecht! Das wissen wir alle. Wissen alle das?


    Warum sollte er schlecht sein, wenn er doch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Identität bescheren kann? Es wird erst prekär, wenn man, wie Søren Espersen, anfängt mit dem Feuer zu spielen und historische Großmachtphantasien, mit einem Lächeln, wiederbelebt.
    Die Grenzen Europas wurden in tausendjähriger Geschichte mit dem Blut hunderter Millionen von Menschen immer wieder neu auf die Landkarte gemalt. Zuletzt in den Neunzigern des letzten Jahrhunderts. Diese Grenzen sollten die nächsten tausend Jahre Bestand haben und nicht an diesen gerüttelt werden. Weder militärisch noch verbal. Folgerichtig wurde nach dem Weltkrieg die NATO und die EWG gegründet, um ua. den militärischen Nationalismus Einhalt zu gebieten und die Verständigung und den Wohlstand der Völker Europas zu fördern.


    Ergo, ist Nationalbewustsein schlecht und ein einig Europa, mit einer Zenralregierung das Himmelreich!?


    Aber ginge es nicht zunächst auch kleiner? Muss man nicht zuvor ein stolzer Bürger seiner Stadt, seines Landkreises, seines Landes, seiner Region sein, bevor man sich zum stolzen Bürger Europas emporheben kann? Sicher, einige benötigen diese einzelnen Stufen des Stolzes nicht, sondern erreichen sofort die finale Glückseligkeit. Aber vielen ist der Schritt auf die letzte Stufe der europäischen Evolution zu schnell und zu groß.


    Wieso werden Wirtschaftsräume, die nie zusammengehörten und bisher noch nicht zusammengehören zusammengeworfen?


    Ich bin kein Freund eines zentralistischen Europas, in der aktuellen Zeit, sondern für ein Europa der Regionen, nicht Nationen, oder auch mehrerer Euopas. Warum müssen 50 europäische Hauptstädte im Schnelldurchlauf durch eine ersetzt werden? Hätte man nicht zunächst auf 20 und später auf 10 reduzieren können?
    Hier wären wir wieder bei dem Modell der verschiedenen Europi. Länder, die eine ähnliche Wirtschaftskraft oder ein ähnliches Prokopfeinkommen aufweisen bilden ein Teileuropa. Es wäre ein, bzw. mehrere Europi der Wirtschatszonen, z.B. Zentraleuropa, Balkaneuropa, Osteuropa, Südwesteuropa, ff. Erst wenn diese Teileuropas ihre Gesamtwirtschaft konsolidiert haben, werden größere, wiederum wirtschaftlich ähnliche Teileuropi gebildet, bevor man an die Endausbaustufe des Gesamteuropas herangeht.


    Das andere Modell, vor dem Ideal, wäre ein Europa der Regionen, mit regionalen, ebenfalls länderübergreifenden Teilregierungen und darüber das beratende, nicht bestimmende, das moderierende Gesamtkonzil.


    Aktuell existiert das Europa der Regionen hauptsächlich nur als folkloristisches Kuriosum. Jedoch, wird in vielen supranationalen Regionen eine Sprache gesprochen, siehe hier exemplarisch das Baskenland, Katalonien oder Tirol. In den meisten supranationalen Regionen besteht ein ähnlicher kultureller Hintergrund und die Menschen arbeiten in ähnlichen Wirtschaftszweigen. Diese Regionen sind sich zunächst häufig sogar näher, als den entfernten Teilen ihres Nationalstaates. Der Mensch aus dem oben genannten Schleswig, ob Deutscher oder Däne, versteht wahrscheinlich die Sorgen und Wünsche seines direktem Nachbarn besser, als die der Alpenbürger oder der Kopenhagener.
    In der Region Schleswig-Jütland haben Deutsche und Dänen, trotz Sprachbarriere, über Jahrhunderte friedlich zusammengelebt, bis in Deutschland und den Deutschen der Gedanke des Nationalismus und Nationalstaates keimte und Dänemark die Karte der Großnation zog. Wie das endete ist bekannt: Dänemark wurde auf den Rumpstaat zurückgestutzt.
    Oder ähnlich verhält es sich mit der Deutsch-Niederländischen/friesischen Region. Hier fehlt, aufgrund des Sprachkontinums, zu ihrem Vorteil, das Hemmnis des verbalen Unverständnis und auch sie haben gemeinsame Probleme und Bedürfnisse, die sie besser verstehen und nachempfinden können als die der fernen Regionen. Hier der Küstenschutz und die Fangquoten, dort die Lawinengefahr und der Schneemangel in den Skigebieten. Oder die Region Saarland-Elsass-Lothringen etc.
    Oder auch, was versteht der spanische Fischer oder der griechische Olivenbauer von der Sorgen des polnischen Bergarbeiters.


    Was ich damit sagen will, ist dass der zweite Schritt vor dem ersten gemacht wurde und nicht zuvorderst dafür gesorgt wurde, dass die Regionen oder auch Wirtschaftszonen eine ihnen zustehende Beachtung und Förderung erfahren haben, sondern sofort, von den geistigen Eliten, die große Idealwelt den Bürgern übergestülpt wurde.
    So kam und kommt es, dass viele Bürger Europas sich nicht verstanden, überfahren, bevormundet, missverstanden und nicht gehört fühlen. Nicht vom Zaren, Habsburger Kaiser oder römischen Imperator, sondern von der europäischen Regierung in ihrem Elfenbeinturm.


    Von daher denke ich, dass das "Großreich Europäische Union" genauso untergehen wird wie die Reiche vor ihr.


    Und, um abschließend nochmal den Bogen zu Brave new World zu spannen, die elitäre, eurokratische Blase in Brüssel oder Straßburg wünscht sich sicherlich manchmal einen Wirkstoff wie Soma, der "ihren" Bürgern die Fähigkeit nimmt, die Form der Freiheit, des Friedens, des Wohlstands und der Stabilität der europäischen Regierungskaste zu hinterfragen. Stattdessen gefälligst genügsam zu dienen, die Entscheide hinzunehmen habe, den Granden zujubeln möge und deren Paninibildchen zu tauschen.


    Farvel - Like

  • Zitat

    Warum sollte er schlecht sein, wenn er doch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Identität bescheren kann?



    Weil er gleichzeitig immer ausgrenzend wirkt und wirken muss.


    Das macht im Übrigen auch das Konzept Europa. Der Vorteil ist allerdings dass die automatisch eingeschlossene Gruppe hier wesentlich größer ist.





    Der Ansatz von Europa ist gerade und wenn dann auch in der Zukunft keine zentralistische Kracke, sondern ein sehr föderalistisch organisierter Raum.
    Daher verstehe ich deine Kritik nicht so Recht.

  • Wenn nur die starken Staaten einen Privatclub machen, was haben dann die schwachen Staaten davon?


    Wenn man das runterbericht, könnte man auch in Deutschland gut und gerne auf einige Bundesländer verzichten, zumindest rein wirtschaftlich gesehen. Das selbe bei den USA, dort könnten die Küsten nen Privatclub der besseren USA aufmachen und die Staaten in der Mitte werden dann die Vereinigten Looserstaaten von Amerika.


    Sinnvoll? Ich denke nicht!


    @Likedeeler


    Krieg in Europa zuletzt in den 1990er Jahren?


    Hast du seit der Krim-Krise in der Ukraine keine Nachrichten mehr geschaut? :confused:

  • @Likedeeler:


    Aus meiner Sicht tut Europa genau das. Es fördert die Regionen. Insbesondere in grenzübergreifenden Gebieten. Früher habe ich in der Nähe des Dreiländerecks Frankreich, Deutschland, Luxemburg gelebt. Die Region wird natürlich durch die EU gefördert. Selbiges gilt für die Grenzregionen zwischen Deutschland und Polen, wo ich jetzt lebe. Früher hörte ja die Welt oft mit "der Grenze" auf. Für die Grenzregionen ein
    RIESIGER wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Nachteil. Heute arbeitet man in Deutschland aber kauft und tankt in Polen oder umgekehrt. Beide Seiten profitieren extrem durch den regelmäßigen Pendelverkehr. Fast alle Grenzregionen Europas haben extrem profitiert durch die Öffnung der Grenzen.


    Kaum eine Institution setzt sich im Übrigen so für den Minderheitenschutz ein, wie die EU. Sorben, Basken, Dänische Minderheit, Deutsche Minderheit in Belgien, Rumänien-Deutsche, Sinti und Roma usw. usf.. Gerade den Schutz der Kultur und Sprache von Minderheiten hat sich die EU auf die Fahnen geschrieben, nachdem jahrhundertelang die Nationalstaaten versucht haben, den Minderheiten zu Gunsten eines Nationalstaats ihre sprachliche und kulturelle Identität zu rauben. Bestes Beispiel sind dafür die Basken. Was glaubst du wohl, warum die Schotten so EU freundlich sind?


    Und "eine große EU Hauptstadt"? Welche meinst du? Brüssel oder Straßburg? Außerdem vergisst du, dass es kaum eine große Entscheidung der EU gibt, die nicht vorher noch in den nationalen Hauptstädten oder sogar den Regionalparlamenten zur Abstimmung gebracht wird. Ich erinnere mal an CETA, das beinahe scheiterte, weil sich eine flämische Region dagegen stämmte. Also ein "Zentralstaat" ist das nun wirklich nicht. Zumal die Nationalstaaten
    immer noch durchaus selbst ihre Politik bestimmen. Aber innerhalb der EU eben als Team miteinander, so dass der eine Staat sich nicht auf Kosten des anderen erhöht. Ja man hilft sich sogar ständig gegenseitig, weil gegenseitige Hilfe den Frieden fördert und sicherstellt, dass es am Ende ALLEN besser geht. Die deutsche Wirtschaft profitiert zur Zeit übrigens enorm von all den jungen Spaniern und Portugiesen, die zur Zeit hier arbeiten. Ohne die, hätten viele Betriebe gar keine Auszubildenden mehr. Gleichzeitig entspannt sich dadurch etwas die höchst dramatische Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Portugal. Was soll daran schlecht sein?


    Und Stolz? Stolz auf mein Land? Stolz auf meine Region? Stolz auf meine Stadt?


    Ich bin stolz, wenn ich meinen Beruf gut mache, die Schüler gute Ergebnisse erzielen und mich als Lehrer zu schätzen wissen. Ich bin stolz, wenn ich positives Feedback der Eltern kriege. Ich bin stolz, wenn mich jemand dafür lobt, dass ich ehrenamtlichen Deutsch-Unterricht erteile. Ich bin stolz auf die hiesige Freiwillige Feuerwehr und deren Männer, die ihre Freizeit und ihre berufliche Karriere oder sogar ihr Leben riskieren, um anderen zu helfen. Ich bin auch stolz, wenn sich in unserer Stadt ein Patenschaftssystem für Flüchtlinge entwickelt und sich zeigt, wie toll die Menschen im persönlichen Bereich, bei Parties, bei der Ausbildung, beim Fußball usw. miteinander umgehen, wie sie Sprachbarrieren zunächst durch Humor und Freundlichkeit überwinden. Ich bin stolz wenn ein 18 jähriges junger Afghane dem 87 jährigen Großvaters eines Freundes freiwillig und unaufgefordert bei der Gartenarbeit zur Hand geht und beide hinterher glücklich auf der Veranda sitzen und er ihn fragt, ob er ihn "Opa" nennen dürfe, weil sein eigener "Opa" ja nun so weit weg lebe, so dass "unser Opa" vor Freude Tränen in den Augen hatte. Auf sowas bin ich stolz. Ich bin auch stolz, wenn sich jemand aktiv für die Belange seiner Stadt, seines Kreises oder Landes einsetzt.


    Aber stolz ein Deutscher zu sein? Stolz in einer Stadt geboren zu sein? Was habe ich denn dazu beigetragen? Außerdem sehe ich all zu oft, dass diejenigen, die besonders laut ihren Stolz auf Deutschland herausbrüllen und grölen, oft diejenigen sind, die den Anschein erwecken, ansonsten auf nicht mehr sehr viel stolz sein zu können. Besonders zum fremdschämen wirds dann, wenn ausgerechnet diese Leute sich dann auch noch einbilden, die Tatsache, dass sie Deutsche seien, würde sie automatisch über so ziemlich jeden hierhin geflohenen Ausländer erheben, selbst wenn sie für jeden erkennbar ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe kriegen. Was bei manchen schon hieße, den Griff zur Flasche zu vermeiden.


    P.S. Noch ein Beispiel zum Fremdschämen.

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