Griechenland-Krise

  • Schon seltsam, wenn man sich die Berichterstattung zur Griechenland-Krise in der ARD anschaut. Jeder Brennpunkt, jeder Tagesschaubeitrag stellt sehr genau heraus, wie unprofessionell, inkompetent und unverantwortlich die griechische Regierung sei; wie sehr die Menschen dort darunter zu leiden hätten und wie empört die deutsche Regierung und die anderen Verantwortlichen der EU darüber sind. Das sind die drei Themen, die es immer wieder gibt in den jüngsten Beiträgen. Zuletzt hieß es: "Tsipras macht einen letzten Vorschlag" und im Beitrag wieder: Empörung von EU-Politikern. Merkel, die sagt, dass sie nicht verhandelt.


    Einen kleinen Aspekt unterschlagen die Regierungssprecher Merkels von der ARD. Und das sind die konkreten Inhalte der griechischen Angebote. Wenn man über Verhandlungen berichtet ist es ja auch völlig unerheblich, was eine Seite so konkret vorschlägt... :ironie:


    Meine von der Seriosität dieser Medien überzeugten Eltern antworteten mir beim letzten Besuch auf diese Frage: "Gar nichts." Und da wurde mir klar, dass dies eine ganz logische Konsequenz des Vertrauens in unsere Medien ist. Meine Hypothese dazu ist - aber Achtung, die ist jetzt echt gewagt (hoffentlich provoziere ich jetzt nicht zu sehr, hoffentlich erschüttere ich nicht mit dieser These die gesamte öffentliche Meinung in Deutschland) - meine Hypothese ist: Die Griechen müssen etwas Konkretes vorgeschlagen haben. Ich würde mal gerne erfahren, was genau, damit ich mir erlauben kann, mir über diese Frage eine Meinung zu bilden. Weiß jemand etwas darüber?

  • Das ist jedenfalls das aktuelle Angebot der EU über das abgestimmt wird:
    Gestern wurden noch Konzessionen bei der Erhöhung der Hotelsteuer gemacht. Sie muss jetzt nicht mehr so stark angehoben werden.


    http://europa.eu/rapid/attachm…2026%20June%2020%2000.pdf



    Was Griechenland genau wann wie anbot und was dann wieder diskutiert und verworfen...etc. wurde ist für Außenstehende sehr undurchsichtig. Prinzipiell sind Äußerungen der Verhandlungspartner dazu auch mit Vorsicht zu genießen, da es ihnen natürlich auch um die öffentliche Meinung geht.
    Jedenfalls gabs am 22. Juni von Griechenland ein Angebot welches in der darauf folgenden Woche als Verhandlunsbasis diente.
    Wie das genau aussah ist nach meinem Wissen nicht allgemein bekannt. Man kann sich aber über verschiedene Äußerungen was zusammenklauben.


    Griechenland: Tsipras kommt Geldgebern weit entgegen | ZEIT ONLINE
    Stathakis: Greece rescued - BBC News
    Schäuble: Keine "substanziellen Vorschläge" aus Griechenland | Telepolis


    edit: eventuell ganz interessant. Die Griechische Position
    As it happened – Yanis Varoufakis’ intervention during the 27th June 2015 Eurogroup Meeting | Yanis Varoufakis

  • Naja, das was in der Zeit dargestellt wird scheint wirklich großzügig zu sein. Aber es ist ja nicht bestätigt. Und wenn es dieses Angebot wirklich offiziell gab würde mich interessieren, warum es abgelehnt wurde. Mich stört es extrem, dass man über den Diskurs in den Medien nicht aufgeklärt wird, sondern nur über die Reaktionen und möglichen Auswirkungen.


    Egal. Wer hat denn jetzt recht? Und können die das nicht ingame klären? :D

  • Wer hat womit Recht?
    Muss denn jemand Recht haben?
    Kann es nicht einfach nur zwei SIchtweisen und Ziele geben?



    Wenn ich die Sache richtig verstehe, geht es der griechischen Regierung um ein Konzept welches prinzipiell einen Wirtschaftsaufschwung ermöglicht ohne dabei übergroße Härten bei den sozial schwachen in Kauf zu nehmen.



    Merkel und Co geht es vor allen darum, gewisse Strukturreformen (durchaus gegen griechischen WIederstand) in Griechenland durchzusetzen, möglichst wenig zu bezahlen und Griechenland im Euro zu halten.

  • Also ich weiß nicht, wie genaue Angaben zum griechischen Angebot du dir von den Medien erwartet hast, wie das in den Deutschen Medien war, und wie viel an die Öffentlichkeit gelangt ist.


    Aber was ich gelesen habe (Die Presse und Der Standard), hat die griechische Regierung vor allem Steuererhöhungen (Körperschaftssteuer, Unternehmenssteuer, Mehrwersteuer) vorgeschlagen, was vor allem der IWF mit Hinweis auf die Uneintreibbarkeit dieser kritisiert hat.
    Der Weiteren ist die griechische Regierung den Geldgebern bei den Kürzungen von Pensionen und Militärausgaben etwas entgegen gekommen, allerdings nicht so weit wie von diversen Staaten gefordert.
    In anderen Forderungen der Euro-Partner, z.b. ein Ende des Steuerrabatts auf den Inseln, höhere Mehrwertsteuer für Hotels, und diverse Kürzungen im Beamtenapparat, und dem Pensionsantrittsalter hat Griechenland abgelehnt.

  • Aber sie könnten einfach so lang Drachmen drucken bis die Schulden bezahlt sind oder durch die Hyperinflation wertlos geworden sind (gilt zumindest für Schulden beim eigenen Volk die dann in Drachmen gerechnet werden).


    Japan mach das zum beispiel gerade und liefert sich dabei ein Wettrennen mit dem Euro und dem Dollar im Abwerten, dabei ist Japan mit ein Grund warum der Leitzins so niedrig bleibt gerade trotz Erholung der meisten Eurostaaten.
    Haben die Griechen eigentlich eine Vermögenssteuer? Wenn man eh schon Transaktionen ins Ausland blockiert kann man das doch machen, es ist ne linke Partei in Geldnöten, nichts läge näher als das :D

  • Wobei man sich fragen kann, wie links Syriza wirklich ist. Koalieren mit einer rechts-außen Partei, wehren sich dagegen Einsparungen beim großen Militäretat vorzunehmen, versäumen es nach wie vor die Reichen stärker zu besteuern, hetzen gegen das Ausland...


    So links klingt das für mich langsam nicht mehr.

  • Wobei man sich fragen kann, wie links Syriza wirklich ist. Koalieren mit einer rechts-außen Partei, wehren sich dagegen Einsparungen beim großen Militäretat vorzunehmen, versäumen es nach wie vor die Reichen stärker zu besteuern, hetzen gegen das Ausland...


    So links klingt das für mich langsam nicht mehr.



    Das Feindbild "Ausland" hat im Sozialismus eine große Tradition, genau wie ein großes Militär und die Idee, das manche eben doch "gleicher" sind als andere.
    War schon unter Stalin, Hitler, Mao und den Kims in Nordkorea nie anders, alles Sozialisten ;)


    Gruß

  • Das ist eine Verallgemeinerung (und nicht mal eine korrekte) zu nenne wäre untertrieben.

    Früher, beim Gipskrieg, als die Gummistiefel noch selbst gestrickt,

    das Freibier noch gratis aber nicht umsonst,

    die Cola noch weiß, der Kaiser noch am Leben,

    Jesus jung und die Zeiten besser waren.

    -Maximilian L.

  • Ich würde jetzt auch keine Parallele zwischen diesen sozialistischen Ländern und einem in westliche Bündnisse integriertes Griechenland sehen. Zudem sind doch die Militärausgaben bereits heruntergefahren worden, so wie ich das sehe.
    Jetzt müsste halt noch was im Steuersystem passieren - also vor allem bei der Privilegierung der Reeder und anderer.

  • Der Beitrag war auch nicht ganz ernst gemeint, auch wenn sozialistische Systeme zumindest nach den mir bekannten Informationen wirklich oft ein äußeres bzw. Systemfremdes Feindbild pflegen und es nicht ganz genau mit der "Gleichheit" nehmen. Zumindest ist mir kein kapitalistisches Land bekannt, was ne Mauer bauen musste um sein Sterben in die Länge zu ziehen.


    Natürlich ist der Vergleich etwas übertrieben, aber ein bisschen Übertreibung hat noch nie geschadet.


    Ich bin übrigens kein Freund der aktuellen griechischen Regierung, denn: Im Grunde genommen lügt Sie ständig (Wir wollen lieber Ende des Monats gebündelt zahlen > Ätsch, wir zahlen doch nicht und lassen unser Volk abstimmen ob wir sparen wollen), ist dadurch unzuverlässig und nutzt eine ausländerfeindliche und europafeindliche Partei zur Koalition, womit Sie bei mir komplett unten durch ist.


    Gruß

  • Ich verstehe den Zusammenhang zwischen Verbleib im Euro und Schuldenkrise nicht ganz. Wenn Griechenland die Drachme wieder bekommt, sind die Schulden doch nicht weg.


    Aber sie könnten einfach so lang Drachmen drucken bis die Schulden bezahlt sind oder durch die Hyperinflation wertlos geworden sind (gilt zumindest für Schulden beim eigenen Volk die dann in Drachmen gerechnet werden).


    Der Zugsamenhang ist auch nicht 100% zwingend.
    Allerdings dürfte es woh dochl so sein, dass Griechenland bei einem Austritt aus der Eurozone mit ziemlicher Sicherheit Bankrott gehen würde, da die Schulen eben nicht einfach weginflationiert werden könnten, sie sind ja in Euro und Dollar.
    Wobei es eher wahrscheinlich wäre, dass erst der Bankrott und dann der Austritt aus der Eurozone käme, denn wenn man die Schulden schon für nicht bezahlbar erklärt hat, kann man danach Drachmen drucken um die laufenden Ausgaben zu bestreiten.
    Es kann aber auch sein, dass Griechenland in der Eurozone bleibt und entweder nicht bankrott geht (wegen weiteren Hilfsgeldern oder Sparmaßnahmen) oder bankrott geht und dennoch drinnen bleibt.



    Zu linken Spar- und Steuervorschlägen:
    Die Militärausgaben liegen nicht nur daran, dass der Koalitionspartner ziemlich rechts ist, und auch links außen stehende Parteien in Regierungsverantwortung meist eher militaristisch sind, sondern im konkreten Fall auch daran, dass es griechische Parteien sind, und ein Land repräsentieren dass eben mit mehreren Nachbarn eher unfreundlich wahrgenommene Beziehungen hat.
    Eine stärkere Besteuerung von Reichen wurde übrigens tatsächlich von den Geldgebern vorgeschlagen, zu dem Zeitpunkt scheint Tsipras es allerdings schon darauf angelegt zu haben, die Verhandlungen zu sprengen.

  • Wie werden die Griechen abstimmen? 13

    1. Die Griechen werden mit NAI (JA) für die Annahme der Gläubigerbedingungen stimmen. (Position EU, IWF und Griechische Opposition) (7) 54%
    2. Die Griechen werden mit OXI (NEIN) für die Ablehnung der Gläubigerbedingungen stimmen. (Position Syriza-Regierung, Paul Krugman usw.) (6) 46%

    Und? Gebt mal einen Tipp ab, wie wird das Griechische Referendum enden? Die Umfrage läuft bis 17:55 Uhr:

  • Ich find's schwierig, die Bevölkerung momentan einzuschätzen.
    Zum einen haben sie die Regierung gewählt, die bei einem "Ja" nicht mehr so weitermacht. Und die Wut auf die restlichen Europäer ist schon sehr groß. Da hätte man dann wenigstens noch das Mittel der Wahlen als Einfluss nehmende Maßnahme, wenn Tsipras & co. aufhören.
    Auf der anderen Seite sind die Folgen eines "Neins" nicht abzusehen. Was dann passiert kann wohl dann niemand mehr vorhersehen.

    Der Anführer eines großen Heeres kann besiegt werden. Aber den festen Entschluss eines Einzigen kannst du nicht wankend machen.

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