Möchte mal auf die Schnelle nur einige Aussagen aus dem Artikel herausfischen, die ich recht hinterfragenswert finde.
"Erwerbsarbeit ist mittlerweile so prekär geworden, dass ältere Generationen nicht mehr verstehen, wenn einige Jüngere das als einen Vorteil, eine Herausforderung, einen Lebensstil gar betrachten."
Diese Aussage halte ich mit Hinblick auf Deutschland für falsch. Die Einkommensstruktur und sämtliche Umfragen sagen eigentlich immer wieder, dass die Deutschen ihre persönliche wirtschaftliche Situation als in großer Mehrheit gut bis sehr gut einschätzen. So gut wie nirgendwo sonst in Europa.
"Seit 1989 ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Im Osten nicht und auch im Westen nicht."
Naja, auch das sehe ich nicht so. Und wenn ich die Situation von vor 1989 in Osteuropa betrachte, dann würde ich sagen es ist heute eher besser als damals. Also wo ist das Problem? Zumal die Idealisierung der Bundesrepublik ja auch Quatsch ist. Ja, es gab keinen islamischen Terror. Dafür gab es aber bspw. die RAF. Es gab heftigste Unruhen in der Frage der Nachrüstung und man lebte unter der ständigen Gefahr eines plötzlich ausbrechenden Atomkrieges in Mitteleuropa, sprich Deutschland. Keine Ahnung, was daran jetzt so toll und beruhigend gewesen sein soll. Wenn man sich die Pop-Songs dieser Zeit ansieht, dann kommt das Thema Nukleare-Apokalypse verdammt häufig darin vor. Und Feindschaft gegenüber Türken, Italienern, Jugoslawen (Westen) oder Vietnamesen und Kubanern (Osten) gab es auch damals schon nicht zu knapp.
"Warum kümmert sich die Politik nicht mehr um Fragen der gerechten Verteilung von Wohlstand und Vermögen?" Wer sagt denn das? Nehme ich ganz anders wahr. Nach meiner Ansicht beschäftigt sich die Politik mit nahezu nichts anderem. Schon um wiedergewählt zu werden. Beispiele: Rentendebatte, Reform des Gesundheitswesens, Steuerreform, Pflegereform, Bildungsreformen usw. usf. Wozu würde der Verfasser denn die Einführung eines Mindestlohns zählen, wenn nicht zu den Versuchen für eine gerechtere Verteilung von Wohlstand zu sorgen? Wozu zählt er die ständigen Debatten um eine Wiedereinführung einer Vermögenssteuer?
"Warum ist in Ostdeutschland ein Raum entstanden, in dem sich alle Faktoren radikalisieren können?" Auch das stimmt ja einfach nicht. Ja, die AfD hat ihre Ursprünge im Osten (Nachtrag: Mein Fehler. Lucke kommt aus dem Westen oder?) und ist hier mit Abstand am stärksten. Aber sie ist auch hier in der Minderheit. Auch hier ist die AfD eine Randpartei. Die stärksten Parteien im Osten sind nach wie vor CDU, SPD und Linke. Die decken zusammen eine breite politische Mehrheit der ostdeutschen Gesellschaft ab. Die AfD hingegen ist schon gut bedient, wenn sie zweistellige Ergebnisse einfährt. Sprich, die große Mehrheit der Menschen im Osten ist keineswegs komplett radikalisiert. Es stimmt allerdings, dass die Armut hier insgesamt größer ist und das auch einen Bildungsmangel nach sich zieht. Die AfD holt ihre meisten Stimmen wohl in diesem Bereich, der sog. "Wendeverlierer".
"Die AfD hat keine Lösungen, aber sie zeigt Probleme auf." Die AfD zeigt keine Probleme auf, sie konstruiert vermeintliche Probleme, die es gar nicht gibt, um damit Ängste zu schüren. Sie behauptet den bevorstehenden Untergang des Abendlandes und eine Überfremdung Deutschlands. In Wirklichkeit sind die Flüchtlingseinreisen massiv zurückgegangen und es läuft eigentlich insgesamt ganz hervorragend mit der Einbindung der Flüchtlinge, gemessen an den "Katastrophenszenarios", die noch vor zwei Jahren an die Wand gezeichnet wurden.
Ich teile die Auffassungen des Autors dieses Artikels überhaupt nicht. Meiner Ansicht nach geht er der AfD damit leider voll auf den Leim.