Wirtschafts-und Sozialgeschichte einer spätmittelalterlichen Stadt

  • Gliederung:
    Einführung: funktionale Bezüge der Stadt
    Die Stadtdefinitionen
    Der Markt
    Die Kaufleute
    Das Patriziat
    Die Handwerkschaft
    Die Gesellen
    Die Unterschichten und Randgruppen
    Die Kirche und die Stadt
    Die Bettelorden und Beginen
    Das Alltagsleben - Aufwandsordnungen, städtische Infrastruktur, Gefahrenabwehr
    Das Stadtrecht
    Die Stadtkonflikte


    Einführung: funktionale Bezüge der Stadt


    Die Stadt wird in den folgenden Ausführungen ungefähr in dem Zeitraum 1250/1300 bis ins 15. Jahrhundert und teilweise darüber hinaus betrachtet.
    Die Stadt des Spätmittelalters ist als eine Art sozialer Körper vorstellbar, innerhalb der Stadt existieren die unterschiedlichsten Beziehungen. Die verschiedenen Stadtteile- und Viertel sind angepasst an ökonomische Ausrichtungen, die Bewohner respektive der Betrieb zieht in das entsprechende Viertel.


    Die Stadt trennt sich von der Umgebung klar durch die Mauer ab - ein äußerst wichtiger Aspekt. Das gesamte Leben findet innerhalb der Stadt statt, sie ist sehr dicht bebaut und in der Regel kreisförmig, oval oder wenn vorhanden an einen Flussverlauf angepasst, die Straßen führen auf zentrale Plätze zu. Im 18. Jahrhundert wurden die mittelalterlichen Mauern oft abgerissen, im Kern der Stadt erhielt sich aber die spätmittelalterliche Stadt und ist teilweise bis heute in manchen Städten erhalten. Um diese herum entwickelt sich im Laufe der Siedlungs- und Zeitgeschichte die Stadt weiter. Moderne Städte gehen viel mehr in die Fläche und sind funktional vollkommen anders gegliedert wie spätmittelalterliche Städte.


    Die typische Stadt des Okzidents ist Autonom und eine Bürgerstadt. Sie basiert ganz auf Arbeitsteilung, was eine Innovation darstellt gegenüber dem Land. Auf der einen Seite findet sich "das Land" mit ihrer ländlichen Bevölkerung, Agrar-Wirtschaft und Bauernhöfen, auf der anderen Seite die Stadt mit ihrem gewerblichen Teil und dem Markt. Die Stadt besitzt ein eigenes Rechtssystem, was noch häufiger Erwähnung finden wird.
    Folgend die Stadtgliederung, von außen nach innen werden unterschiedliche Gebäude und Baustrukturen vorgestellt und ihre Funktion und Erscheinung, ganz im Sinne dieser Einleitung in die Thematik. Es folgt also eine erst mal eher oberflächliche Charakterisierung der Stadt.


    Beginnen wir außen mit den Straßen die zwischen den Städten verlaufen und diese verbinden. In der Regel sind das so genannte Hohlwege, teilweise mit Holz bebaut oder erweitert. Verantwortliche für die Instandhaltung waren Bewohner des Umlandes. Selten gab es Steinstraßen, sie lassen sich recht selten vorfinden. Kurioser Fakt: Es gab sogar bereits "Überholbuchten" wo langsamere Fuhrwerke überholt werden konnten.
    Außerhalb der Stadt, um sie herum und zwischen ihnen finden sich dann natürlich noch riesige Wälder, wenn es nötig war diese zu roden stellte das einen erheblichen Aufwand da. Landwehren wurden außerhalb der Städte errichtet, dies waren in der Regel Erdwälle mit Gräben davor, entweder besonders tiefe oder mit Wasser gefüllte. Entlang dieser Landwehren fanden sich Türme und einzelne Warten. Solcherlei Befestigungsmaßnahmen gab es nicht nur um Städte herum, sondern es existierten auch territoriale Landwehren. Nähert man sich nun der näheren Umgebung der Stadt an hat man dort oft Wind- und Wassermühlen, dies sind die Energieproduzenten der Städte, aus Platz- und Effizienzgründen sind sie aus der Stadt ausgelagert. Weiterhin befinden sich hier auch diverse sakrale Gegenstände, Kreuzesdarstellungen, Statuen oder Bilddarstellungen. Weitere Einrichtungen außerhalb der Stadt waren Häuser für Leprosen oder Menschen mit ansteckenden Krankheiten.
    Hinrichtungsstätten wie das Rad oder der Galgen finden sich so wohl außerhalb wie auch innerhalb der Stadt, in erster Linie zur Abschreckung, in zweiter auch um ein deutliches Zeichen zu setzen dass hier Stadtrecht beginnt - bereits im Umfeld der Stadt.
    Weitere Einrichtungen wie Ziegelleien wegen der immensen Brandgefahr waren auch aus der Stadt ausgelagert, Feuer war eine der größten Gefahren einer Stadt, ein eigenes Thema das später noch mal eigens behandelt wird.


    Zu guter Letzt: Finden sich Burgen vor der Stadt ist das entweder ein Zeichen für einen einstmals ansässigen Territorialherren dessen Stadt sich emanzipierte, oder ein Herrscher der versucht eine Stadt wieder unter seine Kontrolle zu bekommen. Die Unabhängigkeitsentwicklung der Städte soll hier aber nur am Rande erwähnt sein.


    Gehen wir nun gedanklich weiter kommen wir zu den Gebäuden die Innerhalb der Stadt liegen, dies beginnt bei der Mauer. Sie trennt die Stadt klar vom Land ab, oft findet sie sich auch dargestellt auf Bildern, Siegeln oder Wappen, die Mauer der Stadt ist ein signifikantes und wichtiges Merkmal und spiegelt verschiedenste Aspekte wieder, für die Bewohner etwa ein Symbol der Macht, Stärke und Unabhängigkeit. Die Stadt ist Rechtsfähig und hat eigene Siegel, welche in der Regel bedeutende Kirchen zeigen, das Stadttor oder ähnliches. Auch trennt sie den Rechtsbereich natürlich deutlich ab und ist natürlich auch für die Verteidigung da, teilweise existierte ein Außen- und Innenwall. Das Stadttor findet sich in der Mauer, ein zentralisierter Zugang, wichtiger Punkt der Verteidigung und ein probates Mittel um Zölle durchzusetzen.


    Im unmittelbaren Umfeld der Mauer befinden sich die Häuser der Armen, deren Behausungen sind eher klein, teilweise auch direkt an die Mauer angebaut, dass sich die Armen größtenteils (wenn auch nicht ausschließlich) hier finden hängt im wesentlichen mit der Siedlungsgeschichte der Städte zusammen. Die Bettelorden - später noch ein ganz eigenes Thema - finden sich auch oft hier mit eher kleineren Gebäuden und weniger großen Kirchen, sie richten sich ganz auf die Seelsorge aus, predigen auch auf offenen Plätzen. Das Zeughaus ist ein Lagerplatz für militärische Ausrüstung, hier werden auch Vorräte für Hungerzeiten gelagert. Ähnlichen Verwendungszweck hatten Kornhäuser, während Nahrungsknappheit oder "Agrarkrisen" wurden hiervon die Bürger versorgt, dies war gerade auf Grund der steigenden Bevölkerungszahlen dringend nötig, denn die Stadtbewohner waren keine Bauern mehr und konnten sich in Notzeiten nicht selbst ernähren. Für die Instandhaltung war der Rat zuständig. Das Badehaus war auch eine feste Einrichtung die sich in vielen Städten fand, anders als eventuell vermutet findet sich jedoch eine klare Geschlechtertrennung. Existierte ein Badehaus verbesserten sich die hygienischen Bedingungen einer Stadt.


    Die sakralen Gebäudearten wie Kirchen etwa prägen das Stadtbild im wesentlichen Maße. Stadt und Kirche gehörten fest zusammen, zu Beginn der Stadtentwicklung stand immer ein kirchliches Gebäude und die Stadt entstand drum herum, was ein wesentlicher und wichtiger Aspekt ist, auch für die Identität einer Stadt. Kirchen strukturieren eine Stadt und prägen ihr Bild, eine Stadt ist durchzogen von sakralen Gebäudearten. Es wird auch innerhalb der Stadt begraben, daneben gab es, meist an die Kirche angebaut, das so genannte Beinhaus, hier wurden aus Platzgründen Tote aus den Gräbern geholt, geweiht und aufgebahrt. Hospitäler waren eine Angelegenheit der Kirche, wurden allerdings zunehmen kommunalisiert, gehen also in die Hand der Stadt oder des Rates über. In der Regel hat man in einer Stadt 4-6 Stück welche sich verteilen. Sie verfügten oft noch angebaut über eine eigene Kapelle oder einen Kirchhof, zu Beginn waren hier alle Kranken und Bedürftigen untergebracht, dass änderte sich mit der Zeit aber und es wurde differenziert zwischen Armen, Alten, Irren oder Pilgern, weitere Differenzierungen und Ausrichtungen fanden sich eben so. Synagogen finden sich auch in mittelalterlichen Städten, Juden lebten in der Regel in eigenen Vierteln und Rechtsbereichen, für diese Rechtssicherheit hatten sie ein Schutzgeld an den Kaiser, König oder Bischof zu zahlen.


    Nähern wir uns nun dem Markt, seine Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, auch hier finden sich wieder einige typische Gebäude. Der Markt allgemein war in der Regel mittig, häufig zentral gelegen auf einem großen Platz. Es existierten daneben auch Straßenmärkte die entlang großer Straßen verliefen, das war nicht die Regel, aber auch nicht unüblich. Im Gegensatz zu der heutigen Zeit war der Markt(platz) nicht offen und frei, sondern zerklüftet und verschachtelt. Eingeteilt in bestimmte Bereiche für bestimmte Waren und Güter, war ein Fluss vorhanden gab es auch Ufermärkte die ihre Waren direkt von den Schiffen bezogen und verkauften. Aber der in der Regel übliche Markt war der Zentralmarkt, die Straßen laufen darauf zu. Bebaut war er mit Gebäuden, den so genannten "Scharren", diese sehr kleinen Gebäude hatten ihren Verkaufsstand direkt im Erdgeschoss und Lagerräume/Schlafräume im 1. Stock und darüber. Hier fanden sich aber eher die armen Leute. Interessante Zusatzinfo: In der Regel waren die Verkaufsstände mit Holzläden verschlossen, die Morgens bei Beginn des Marktes geöffnet wurden, daher kommt die Bezeichnung "Laden" für eine Einkaufsladen. Diese erwähnten Scharren verschwinden im Laufe der Zeit, bei Ausgrabungen auf großen Marktplätzen älterer Städte finden sich noch heute Überreste die von diesen Gebäuden Zeugnis ablegen.


    Auch auf dem respektive an dem Marktplatz findet sich das Rathaus, "Haus der Kaufleute" war seine ursprüngliche Bedeutung aus dem Lateinischen, das eigentliche Rathaus entwickelte sich daraus. Es ist das ökonomische Zentrum der Stadt, besaß oft einen Tanzsaal, gesellschaftlicher Treffpunkt und Kommunikationsort der höheren Schichten. Das Gericht hatte Räumlichkeiten dort, meist ausgeschmückt mit biblischen Bemalungen des Jüngsten Gerichts, auch aus repräsentativen Gründen war dort auch das Gefängnis. Der bischöfliche Richter fand sich dort ebenso, hatte aber nicht selten auch ein eigenes Gerichtsgebäude am Markt. Der Ratskeller bot neben dem Tanzsaal auch Möglichkeiten der Versammlung für höhere Schichten.


    Demgegenüber war am Markt auch die Innungsstube der Zünfte zu finden, Ort für Geselligkeiten und Gerichtstagungen. Am Markt auch der Pranger, Straftäter von "kleineren" Vergehen wurden hier öffentlich zur Schau gestellt, neben den üblichen Vergehen auch wirtschaftliche und ökonomische Straftaten.
    Brunnen waren ein Gesprächsort der städtischen Bevölkerung, ein Herrschaftssymbol und Verkündigungsort städtischer Edikte die hier oft verlesen wurden. Nicht zuletzt diente er natürlich auch der Wasserversorgung. Statuen seien am Rande erwähnt, teilweise über die Stadt verteilt, Symbolik für städtische Freiheit.
    Die Straßen einer Stadt laufen auf die zentralen Punkte zu, sind aber nicht streng geradlinig, denn ihr Verlauf hängt mit der Siedlungsgeschichte einer Stadt zusammen und waren ursprünglich an die natürlichen Gegebenheiten angepasst. Auch sie sind ein Ort der Kommunikation, einfach weil man sich dort traf, genau so verliefen Prozessionen an den Hauptstraßen ab. Entlang fanden sich Abwasserkanäle, diese dienten den Schlachtern, als Kloake oder für Müll. Flüsse waren natürlich auch ein probate und äußerst wichtige Transport- und Reisemöglichkeit, gerade für lange Strecken. Sie verlaufen teilweise durch die Stadt oder außen herum, wenn sie vorhanden waren nahmen sie eine zentrale Bedeutung für die Stadt ein, sei es für den Transport von Waren wie Holz, welches als Energielieferant und Brennmaterial diente oder sogar auch für Hinrichtungen.


    Auch in der Stadt noch vorzufinden sind Relikte aus älterer Zeit, Einzelbesfestigungen etwa aus dem Hochmittelalter vom Adel. Ein Aufsiedlungsprozess sorgt dafür dass ältere Gebäude mit der Zeit verschwinden und aufgewertet werden oder gleich abgerissen und neu errichtet werden, die bessere Wohnhäuser finden sich dabei immer in der Regel in der Nähe des Marktes oder an zentralen und wichtigen Plätzen. Die Handwerker wie Bäcker wohnten nah beim Kunden, entlang der Hauptstraßen beispielsweise. Es finden sich auch kleine Häuser der Armen angebaut an den großen Häusern der Reichen, "hinten dran" sozusagen.


    Dies war die Einleitung in die Thematik, im Rahmen der Charakterisierung einer typischen spätmittelalterlichen Stadt wurden viele unterschiedliche Aspekte angesprochen, im Laufe weiterer Artikel werden die hier vorgenommenen oberflächlichen Anschneidungen vertieft dargestellt und erweitert. Die Literaturliste wird sich am Ende der Ausarbeitung finden.


    Die Stadtdefinitionen


    Das überhaupt unterschiedliche Stadttypen existierten ist ein Ausdruck von Arbeitsteilung im großen Maßstab, die produzierten Gewerbegüter stammen nicht mehr vom Land, sondern werden selbst, teilweise in getrennten Arbeitsprozessen, hergestellt, gleichwie aber auch werden Güter vom Land bezogen. Die Stadt durchbricht die Autarkie von Land- Höfen und Gemeinschaften, sie trennt sich klar vom Land ab, es ist also ein Vorgang der Absonderung, aber auf der anderen Seite auch der Zusammenarbeit von Stadt und Land. Es entsteht ein Markt auf dem ein wechselseitiges System von Angebot und Nachfrage sich etabliert, Marktorientierung ist das Stichwort. Man produziert nun nicht mehr für sich selbst, sondern für den Markt.


    Es kann zwischen 3 Stadttypen differenziert werden: Zuerst die so genannten Konsumentenstädte, typisches Beispiel hier die "Residenzstadt" wo der König lebt oder sich größtenteils aufhält, der Hof ist ein Großkonsument welcher eine unglaubliche Menge an Gütern verschlingt. Daneben die Händler- und Hansestädte deren führende Schicht die Kaufmannsschaft ausmacht. Zuletzt die Produzentenstädte, deren Name schon das wesentliche erfasst.


    Definition der Stadt nach Weber:


    Auszüge aus Weber, Die Stadt = Die nichtlegitime Herrschaft (Typologie der Städte): 5.732:,,Wir wollen von ,,Stadt" im ökonomischen Sinn erst da sprechen, wo die ortsansässige Bevölkerung einen ökonomisch wesentlichen Teil ihres Alltagsbedarfs auf dem örtlichen Markt befriedigt, und zwar zu einem wesentlichen Teil durch Erzeugnisse, welche die ortsansässige und die Bevölkerung des nächsten Umlandes für den Absatz auf dem Markt erzeugt oder sonst erworben hat. Jede Stadt im hier gebrauchten Sinne des Wortes ist ,,Marktort", d.h. hat einen Lokalmarkt als ökonomischen Mittelpunkt der Ansiedlung, auf welchem, infolge einer ökonomischen Produktspezialisierung, auch die nicht städtische Bevölkerung ihren Bedarf an gewerblichen Erzeugnissen oder Handelsartikeln oder an beiden deckt. Und auf welchen natürlich auch die Städter selbst die Spezialprodukte und den Konsumbedarf ihrer Wirtschaften gegenseitig ein- und austauschen ."


    S.742:,, Die Stadtbürgerschaft usurpierte daher- und dies war die eine große, der Sache nach revolutionäre Neuerung der mittelalterlich-okzidentalen gegenüber allen anderen Städten - die Durchbrechung des Herrenrechts. In den mittel- und norddeutschen Städten entstand der bekannte Grundsatz ,,Stadtluft macht frei",..." 749 ,,Entscheidend war für die Entwicklung der mittelalterlichen Stadt zum Verband aber, dass die Bürger in einer Zeit als ihre ökonomischen Interessen zur anstaltsmäßigen Vergesellschaftung drängten, einerseits daran nicht durch magische oder religiöse Schranken gehindert waren, und dass andererseits auch keine rationale Verwaltung eines politischen Verbandes über ihnen stand."


    Der Markt


    Der Markt war eine wöchentliche oder tägliche Einrichtung der Stadt auf dem Marktplatz, daneben gab es auch schon große Messen für bestimmte Warentypen, eine meist jährliche Veranstaltung die noch mal bei den Händlern Erwähnung finden wird. Der Markt war in unterschiedliche Zonen differenziert, etwa für Getreide, Fisch usw., diese festgelegten Zonen für bestimmte Produkte wurden angedeutet durch eine Benennung von Straßen oder bestimmte Kreuze. Oft auch in Ufernähe zu finden, wenn vorhanden, in der Regel aber ein Platz auf den mehrere Straßen zulaufen, oder gar an größeren Straßen selbst gelegen. Der Marktplatz ist mit Scharren zugebaut an denen auch Waren feil geboten werden. Es gab verschiedene visuelle Hinweise für einen Markt, etwa Statuen oder Kreuze die Marktrecht anzeigten.


    Kurz sei auf das Stadtrecht schon hier eingegangen: Eine Besonderheit ist es, dass einheitliches Stadtrecht existiert, beispielsweise ist Kaufmannsrecht auch Bürgerrecht, das Rechtssystem ist also für alle gültig (mit ein paar Ausnahmen, etwa dem Klerus). Ein großer Unterschied zum Land, dort sah das Recht vollkommen anders aus. Es gab in der Stadt eine verantwortliche Instanz für die Stadtwirtschaftspolitik, welche zuständig war für das Produktions- und Distributionsrecht. Dies übernahm häufig der Rat als zuständiges Rechtsorgan. Die Stadtobrigkeit kontrollierte also auch die Qualität der Ware. Im Rathaus befand sich auch die Maß-Waage für die exakte Berechnung von Gewichten, daneben "die Legge", ein separates Kontrollgebäude, wo auch die Messgeräte aufbewahrt werden, in der Regel für Wolle, Tuch und Textilqualität. Siegel, Prüfzeichen und Plomben, vor allen Dingen an Textilien, waren ein Qualitätsbeleg welches sich etablierte. Qualitätskontrolle schütze den Kunden ebenso wie den Produzenten vor billigen und schlechten Produkten. Preisaufsicht war auch wichtig, etwa bei der Brotkontrolle, es war genau vorgeschrieben wie groß ein Brot zu sein hat, wie viel von welcher Zutat verwendet werden durfte und wie viel es dann Maximal oder Minimal kosten darf. Dies alles sind Normierungsversuche des Rates zur Regulierung des Marktes.


    Auf dem Markt gehörte verhandeln - wie man es so amüsant aus dem Film "das Leben des Brian" im Gedächtnis hat - dazu. Es war normal das man über den Preis verhandelte, genauso wie das betrachten, beschauen und anfassen der Ware normal war, man durfte und wollte die Ware mit eigenen Händen kontrollieren, deswegen wurde sie von den Händlern ausgestellt. Teilweise produzierte man auch zum zuschauen direkt am Marktstand. Eine häufige Konfliktursache auf dem Markt war entweder die Qualität der Ware oder unter den Händlern wegen der Standorte ihrer Stände. Ob schlussendlich ein Handel stattfindet hing von sehr vielen Faktoren ab.
    Das Kaufhaus am Marktplatz war die erste Stufe der Kaufmannsschaft, eines Zusammenschlusses der Händler. Das Gebäude stellte einen Versammlungsort da, später entstehen hier raus häufig die Rathäuser. Im Hochmittelalter gehörten sie zu den größten, meist aus Stein errichteten Gebäuden. Hier befand sich auch das Kaufmannsgericht. Wenn eine eigene Gilde existierte, hatte diese auch noch ein eigenes Gebäude in der Regel.


    Quelle, Gründung eines Marktes:
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    Quelle, verschiedene Rechtsprechungen, Verordnungen und Gründungen im Zusammenhang mit dem Markt:
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    Definition des Marktes nach Weber:


    Weber, Max, Die Nichtlegitime Herrschaft (Typologie der Städte), in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Aufl. Tübingen 1980, S. 727-814. Auszüge aus Weber, Die Stadt = Die nichtlegitime Herrschaft (Typologie der Städte): S.732:,,Wir wollen von ,,Stadt" im ökonomischen Sinn erst da sprechen, wo die ortsansässige Bevölkerung einen ökonomisch wesentlichen Teil ihres Alltagsbedarfs auf dem örtlichen Markt befriedigt, und zwar zu einem wesentlichen Teil durch Erzeugnisse, welche die ortsansässige und die Bevölkerung des nächsten Umlandes für den Absatz auf dem Markt erzeugt oder sonst erworben hat' Jede Stadt im hier gebrauchten Sinne des Wortes ist ,,Marktort", d.h. hat einen Lokalmarkt als ökonomischen Mittelpunkt der Ansiedlung, auf welchem, infolge einer ökonomischen Produktspezialisierung, auch die nicht städtische Bevölkerung ihren Bedarf an gewerblichen Erzeugnissen oder Handelsartikeln oder an beiden deckt. Und auf welchen natürlich auch die Städter selbst die Spezialprodukte und den Konsumbedarf ihrer Wirtschaften gegenseitig ein- und austauschen ."


    ,,Ein Markt ist demnach ein räumlich und zeitlich festgelegter Ort, an dem Waren ge- und verkauft werden. Die Preisbildung wird durch Angebot und Nachfrage geregelt. Die kommunale Obrigkeit sichert auf verschiedene Weise den Betrieb des Marktes: Sie kontrolliert Qualität und Preise von Grundnahrungsmitteln - bei Brot und Fleisch waren diese häufig vorgeschrieben - und sie gewährleistet die Marktfreiheit und - Gerechtigkeit, indem sie Geschäfte außerhalb des Marktes unterbindet (Vor- und Aufkauf im Umfeld des Marktes) Ware mit Qualitätsmängeln sanktioniert und Störungen des Marktfriedens verfolgt sowie zur Schlichtung und Aufsicht ein besonderes Marktgericht bestellt," Christof Jeggle, Nahrung und Markt in Ökonomien städtischer Gewerbe in der Frühen Neuzeit. Methodische Überlegungen am Beispiel des Leinengewerbes in Münster/Westfalen, in: Robert Brandt u. Thomas Buchner (Hg.), Nahrung, Markt oder Gemeinnutz. Werner Sombart und das vorindustrielle Handwerk, Bielefeld 2004, S. 95-130, hier S. 109.


    Dilcher, Gerhard, Max Webers ,,Stadt" und die historische Stadtforschung der Mediävistik, in: Historische Zeitschrift 267 (L9981, S. 91-125.
    Bruhns, Hinnerk/Nippel, Wilfried (Hg.), Max Weber und die Stadt im Kulturvergleich, Göttingen 2000.
    Ennen, Edith, Die europäische Stadt des Mittelalters, Göttingen 1972.
    Johanek, Peter, Merchants, Markets and Towns, in: Timothy Reuter (Hg.), The New Cambridge Medieval History, Vol. lll c. 9OO-1024, S. 64.94.
    Keene, Derek, London from the Post-Roman Period to 1300, in: Palliser, D.M (Hg.), The Cambridge Urban History, Vol. l: 600-1540, Cambridge 2000, S. 187-216.
    Keyser, Erich, der Stadtgrundriß als Geschichtsquelle, in: Carl Haase (Hg.), Die Stadt des Mittelalters, Bd. 1: Begriffliche Entstehung und Ausbreitung, Darmstadt 1969, S. 364-376 (Nachdruck von 1963).
    Stoob, Heinz, Die Stadt. Gestalt und Wandel bis zum industriellen Zeitalter, 2. Aufl. Köln/Wien 1985.
    Sombart, Werner, Der moderne Kapitalismus, 3 Bde., 2. Aufl. Berlin 1916.
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    Engel, Evamaria u. Jacob, Frank-Dietrich, Städtisches Leben im Mittelalter, Köln 2005.
    Ennen, Edith, Die europäische Stadt des Mittelalters, Göttingen 1972.
    lsenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988.
    Jörg, Christian, Teure, Hunger, Großes Sterben. Hungersnöte und Versorgungskrisen in den Städten des Reiches während des 15. Jahrhunderts, Stuttgart 2008.
    Johanek, Peter und Stoob, Heinz (Hg.), Europäische Messen und Märktesysteme in Mittelalter und Neuzeit, Köln 1996.
    Kowaleski, Maryanne, Local Marktes and regional trade ih Medieval Exeter, Cambridge 1995.
    Kulke, Leopold, Tausend Jahre Markt in Minden, Minden 1977.
    Laugthon, Jane, Life in a Medieval City, Chester L275-1520, Oxford and Oakville 2008.
    Masschaele, James, The public space of the marketplace in Medieval England, Spectrum 77 (2OOZ\, S. 383-421.
    Nicholas, David, The Later Medieval City. 1300-1500, London und New York 1997.
    Polany, Karl, The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Frankfurt 1990.
    Schmieder, Felicitas, Die mittelalterliche Stadt, Darmstadt 2005.
    Sombart, Werner, Der moderne Kapitalismus, 3 Bde., 2. Aufl. Berlin 1916.


    Die Kaufleute


    Bei den Kaufleuten muss wie immer zwischen verschiedenen Aspekten differenziert werden. Etwa den Nah- und Fernhandel, während man bei ersterem eher im wesentlichen auf einem lokalen Markt vertreten war und seine Waren aus dem näheren Umland und Städten bezog, wurde Fernhandel über weite Strecken betrieben mit Luxusgütern etwa. Im Früh- und Hochmittelalter war der Kaufmann immer auf Reisen mit seiner Ware, nach Möglichkeit in einer Karawane die Sicherheit vor Banditen und Räuber bot in einem gewissen Rahmen.


    Es gibt 2 Typen des Kaufmanns, die "Vollprofis" und die, die die Tätigkeit nebenberuflich ausführten. Erstere waren in der Regel nicht sesshaft, hier waren bestimmte Ethnien maßgeblich vertreten und übten Handel aus, Juden, Nordmänner, Syrier und Friesen. In gewisser Weise kann man hierdurch auch die Handelsströme nachvollziehen. Vor dem Jahr 1000 schon gab es Spezialisierungen auf bestimmte Handelswaren, etwa der Nordleute die bevorzugt Pelz aus dem hohen Norden handelten. Lateinisch wurden sie "mercatores" genannt. Daneben gab es die nebenberuflichen Kaufleute, sie entstammten den Höfen der Adelige oder des Königs, sie führten diesen Beruf aus wenn es notwendig war bestimmte Waren heranzuschaffen.


    Ungefähr zwischen 950 bis 1050 kommt es zu einem Ansiedlungsprozess der Händler, es bildeten sich in den Städten bestimmte Viertel, dadurch entsteht eine eigene Schicht - die der Kaufleute. Nach und nach bekommen sie einen separaten Rechtsstand in der Stadt und bilden den örtlichen Markt. Auch verschmelzen hier teilweise unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zu einer eigenen Kaufmannsschicht unter dem lokalen Stadt- und Marktrecht. Hier lassen sich nun die Anfänge der Kaufleute in der Stadt erkennen, diese schützte und unterstütze die Kaufmannsschaft. Die aktuelle Forschung beschäftigt sich mit der Frage ob zu der Zeit bereits Kaufmannsgilden existierten, die Forschungslage ist aber eher schwierig.


    Märkte verändern sich auch - im Spätmittelalter finden sich weit häufiger "Massenmärkte", dies geht einher mit dem technischen Fortschritt und dem Bevölkerungswachstum, bestimmte Waren werden nun in großen Mengen hergestellt und gehandelt. Es entstehen Handelszentren, auch Messen als große Handelsplätze kommen öfter vor, hier findet Massenhandel statt und die Messe stellt ein Treffpunkt und Kommunikationsort der "Profi-Händler" dar. Der Kaufmann braucht nun auch nicht mehr mit seiner Ware oder der Karawane zu reisen, weiterhin verändert sich der sesshafte Fernhändler in der Form, als dass er sich nun spezialisiert auf bestimmte Waren. Für seinen Erfolg sind gewisse Dinge erforderlich die sich in dieser Zeit durchsetzen oder größere Wichtigkeit besitzen, etwa verlässliches Personal. Er braucht daneben aber auch Schriftlichkeit und Zahlen, das arabische System setzt sich hier schnell durch, denn das Römische ist ungeeignet. Auch die doppelte Buchführung taucht auf, setzt sich aber hauptsächlich nur in Südeuropa durch. Dabei wird der Finanzvorgang auf 2 Konten abgebildet. Nicht verwunderlich ist die Durchsetzung in Südeuropa, stammt das System doch aus Italien wo der Handel sehr ausgeprägt war. Erst Ende des 15. Jahrhunderts kommt das System auch in Mitteleuropa vermehrt vor. Weitere Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kaufmann sind erhebliche Kapitale die nun notwendig werden. Ein wichtiger Faktor ist hier Vertrauen, denn neue Möglichkeiten des Finanzhandels tauchen auf, wie zum Beispiel der "Wechselbrief" der als Zahlungsersatz genutzt werden kann, dies ermöglicht größere Einkäufe weit aus einfacher. Der Rentenhandel taucht auch auf, prinzipiell ein Kredit, durfte aber nicht so tituliert werden da es für Christen durch die Kirche verboten war Zinsen zu verlangen. Die Finanzierung findet also über Rentenhandel und Wechselbriefen statt. Um erfolgreich zu sein braucht es auch viel Fachwissen über Märkte, hierfür existierten auch Kaufmannsschulen die geographische Kenntnisse oder das Rechenwesen vermittelten.


    Es gab 2 große Modelle die den Handel prägten: Das norddeutsche Hansemodell und die süddeutschen Handelsgesellschaften.


    In Süddeutschland war es eher als offene Handelsgesellschaft konzipiert, die beteiligten Kaufleute bekamen ihre Einnahmen proportional zu dem, was sie investiert hatten. Häufig bildeten sich diese Gesellschaften durch große Familien, die Fugger oder die Ravensburger Handelsgesellschaft sind nur einige namenhafte Beispiele. Es wurde bei diesem Modell versucht durch Kapitaleinlagen das Risiko des Handels zu vermindern. Die Familien betrieben Fern- und Luxusgüterhandel, betrieben Banken und waren auch als Verleger tätig. Sie mischten sich daneben auch noch in den produzierenden Prozess ein, geben Maßstäbe und Normen und strecken Kapital vor. Es findet eine enorme Akkumulation von Macht und Finanzkraft statt die es sogar erlaubt sich in die Politik einzumischen. Das Modell stellte sich als enorm erfolgreich heraus.


    In Norddeutschland schließen sich die Hansekaufleute zusammen und bilden anfangs - ungefähr zu Beginn des 13. Jahrhunderts - nur einen einfachen, reinen Zusammenschluss von Kaufleuten. Sie schließen sich zusammen um gemeinsam Schiffe zu kaufen oder Personal zu bezahlen. Das Prinzip was dem zu Grunde liegt ist die Risiken so gering wie möglich zu halten, an diesem Konzept ändert sich bis ins 14./15. Jahrhundert wenig. Es finden sich keine größeren Familienzusammenschlüsse wie etwa bei den süddeutschen Handelsgesellschaften, sondern es findet viel mehr größtenteils Familienintern statt. Diese erreichen schließlich dass die Städte die Hanse unterstützen und es wird ein sehr lockerer Hansebund geschaffen. Die Hansekaufleute waren oft im Stadtrat vorzufinden und der Hanserat setzte häufig die Interessen der Hanse um. Ende des 15. Jahrhunderts jedoch befindet sich die Hanse auf dem absteigenden Ast, innerstädtische Konflikte können nicht gelöst werden. Ein weiterer Faktor ist, dass die Hanse letztlich ein nur im Kern starker Bund ist, an ihren Rändern faserte sie stark auseinander. Auch war sie im Gegensatz zum süddeutschen Modell nicht verlegerisch tätig, sie hatten keine feste Finanzmacht hinter sich, keine eigene Flotte und auch keine wirkliche exekutive Macht. Das Hansemodell zeigt sich also als nicht Konkurrenzfähig zu den süddeutschen Handelsgesellschaften.


    Quelle, Dresdner Kaufhausordnung:
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    Quelle, Verordnungen für den Markt und die Kaufleute
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    Dollinger, Phillipe, Die Hanse, 5. Aufl. Stuttgart 1998.
    Fouquet, Gerhard, Zwischen Nicht-Adel und Adel. Eine Zusammenfassung in: Andermann, Kurt u.
    Johanek, Peter (Hg.), Zwischen Adel und Nicht-Adel, Stuttgart 2001, S. 417-433.
    Frölich, Karl, Kaufmannsgilden und Stadtverfassung, in: Carl Haase (Hg.), Die Stadt des Mittelalters, Bd.2: Recht und Verfassung, Darmstadt 1976, S. 11-54 (1934).
    Rüthing, Henirch, Höxter um 1500. Analyse einer Stadtgesellschaft, Paderborn 1986.
    Irsigler, Franz, Kaufmannstypen im Mittelalter, in: Cord Meckseper (Hg.), Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650, Bd. 3, Stuttgart-Bad Cannstadt 1985, S. 385 -397.
    Isenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500, Stuttgart 1988, S. 356-387.
    Sprandel, Roll Handel und Gewerbe vom 6.-11. Jahrhundert, in: Berent Schwineköper (Hg.), Gilden und Zünfte. Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter, Sigmaringen 1985, S. 9-30.
    Schulte, Aloys, Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380-1530, Stuttgart 1923.
    Selzer, Stephan, Die mittelalterliche Hanse, Darmstadt 2010.
    Stark, Walter, Untersuchungen zum Profit beim hansischen Handelskapital in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Köln 1985.
    Stromer, Wolfgang von, Oberdeutsche Hochfinanz 1350-1450, Wiesbaden 1970.


    Das Patriziat


    Die Anfänge des Patriziats lassen sich auch schon bei den Händlern finden. Die Kaufleute bildeten oft die Spitze der Stadt, durch ihre Finanzkraft werden sie ein Teil der Oberschicht - das Patriziat. Sie schotten sich nach unten hin ab, legitimieren dies mit Tradition und Vorfahren die bereits Macht besaßen. Sie schaffen sich eigene Wappen und Siegel, lassen sich teilweise sogar Adeln. Das Patriziat hatte seine Wurzeln auch in der hochmittelalterlichen Stadt bei den besser Gestellten, die etwa an den bevorzugten Plätzen wohnten oder höhere Stellungen innehatten. Diese verschiedenen Typen kommen nun zusammen und bilden die Oberschicht einer Stadt. Sie leben hauptsächlich vom Handel und waren auf "reines Heiraten" bedacht. Das Patriziat legte viel Wert auf die richtigen Nachkommen, das Wappen sollte nicht durch bürgerliche Heirat befleckt werden.
    Das Patriziat wohnte in bestimmten Häusern, Arealen und Viertel, oft im Zentrum und am Markt. Die Ratsherren die dem Patriziat entstammten entlang der Straßen, niemals in Randzonen, stellenweise auch in alten Adelssitzen.


    Eine Frage die vermutlich aufkommt ist, warum die Bürger eine Herrschaft von so wenigen akzeptierten, dass hatte verschiedene Gründe, feststellen kann man hier eine aktive Einflussnahme und Untermauerung der oberen Schicht dass sie sich als solche etablieren und erhalten kann, dies vollzogen sie über Akte der Zurschaustellung und Manifestation als obere Schicht. Familien finanzierten Altäre, Statuen oder Fenster und ließen auf diesen ihre Wappen abbilden, dadurch wird sehr einprägend für die Unterschichten ihre Macht ausgedrückt. Sie fertigen sich selbst Portraits an, ähnlich wie der Adel des Hochmittelalters. Sie ziehen mit großen Fuhr-Wagen durch die Stadt und in der Kirche stehen sie sehr weit vorne. Eigentlich dürfen sie dort nicht sitzen, doch finanzieren sie sich diese Plätze durch spenden, sie kaufen sie also ein. Zu guter Letzt werden sie nicht auf dem Friedhof begraben sondern in der Kirche selbst. Das Patriziat grenzt sich also deutlich ab und versucht auf sich aufmerksam zu machen durch Akte der Repräsentation.


    Quelle, genaue Bestimmungen in der Oberschicht wann wer tanzen darf auf einer Festivität (Tanzstatut):
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    Aign, Theodor, Die Ketzel, ein Nürnberger Handelsherrn- und Jerusalempilgergeschlecht, Neustadt 1961
    Bockhorst, Wolfgang, Zum Soester Patriziat, in: Heimann, Geschichte Stadt Soest, 2, S. 299-314.
    Fehse, Monika, Dortmund um 1400. Hausbesitz, Wohnverhältnisse und Arbeitsstätten in der spätmittelalterlichen Stadt, Bielefeld 2005.
    Fouquet, Gerhard, Zwischen Nicht-Adel und Adel. Eine Zusammenfassung, in: Andermann, Kurt und
    Johanek, Peter (Hg.), Zwischen Adel und Nicht-Adel, Stuttgart 2001, S. 417-433.
    Freitag, Werner (Hg.), Die Salzstadt. Alteuropäische Strukturen und frühmoderne Innovation, Bielefeld 2004 (darin die Aufsätze Freitag und Hecht).
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    Hoffrnann, Christian, Grenzen von Aufstieg und Etablierung in der altständischen Gesellschaft: Die Familie Ertmann in Osnabrück, In: Osnabrücker Mitteilungen 101 (1996), S. 11-63.
    Herborn, Wolfgang, Die politische Führungsschicht der Stadt Köln, Bonn 1977.
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    Isenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, Stuttgart 1988.
    Klocke, Friedrich von, Das Patriziatsproblem und die Werler Erbsälzer, Münster 1965.
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    Mindermann, Arend, Adel in der Stadt des Spätrnittelaters. Göttingen und Stade 1300 bis 1600, Bielefeld 1996.
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    Rüthing, Heinrich, Höxter um 1500. Analyse einer Stadtgesellschaft, Paderborn 1986.


    Die Handwerkschaft


    Die Handwerkerlandschaft differenziert sich auf beispielsweise auf eine Obergattung, dem Schmied etwa, dieser unterteilt sich dann noch vielfach auf Spezialisierungen, beispielsweise: Hufschmied, Schlossschmied, Kleinschmied, Goldschmied und so weiter. Die Größe der Werkstätten, also die Anzahl der Lehrlinge, das allgemeine Personal et cetera ist Konjunkturabhängig, es gibt größere und kleinere. Unabhängig sind diese selten, meist werden sie von Kaufleuten wie bereits weiter oben angeschnitten finanziert und unterstützt, sie arbeiten auch im Auftrag von Kaufleuten, dabei ist die Nachfrage einem ständigen Wandel unterzogen, es findet kein kapitalistisches wirtschaften statt, sondern man arbeitet Absatzorientiert.


    Innungen und Gilden sind Zusammenschlüsse der Handwerkschaft, teilweise im Interesse des Rates beaufsichtigt. Sie sind polyfunktionale Gebilde, sie decken verschiedene Funktionen ab, 5 sind zu nennen. Ökonomische Interessen: Nur wer in der Gilde ist, darf auf dem Markt und produzieren, der Zugang zum Markt ist dadurch reglementiert, die Gilde kontrolliert auch die Güterqualität, ein Aspekt der Normierung und Regulation. Eine soziale Komponente bildet die Versorgung von Witwen und Waisen im Sterbefall. Daneben kommt die religiöse: man kümmert sich um das Seelenheil, welches eine sehr gewichtige Stellung einnimmt, man betet für das Seelenheil der Lebenden und Toten. Eine gesellige Funktion kommt durch diverse Veranstaltungen zustande, etwa Festessen der Innungen und ähnliches, etwa das "Mal der Zunft" oder die Beerdigung selbst hat auch eine gesellschaftliche Funktion. Zuletzt die Politische, sie sind Partner und Teil der Stadtverfassung, sie partizipieren an dieser und können auch in den Rat kommen, die Zunft nimmt also Teil an der Willensbildung der Stadt.
    Sie haben eigene Symbole und Wappen, die Zunftlade enthält die gesamte Schriftlichkeit der Gilde, also Urkunden etwa, und befindet sich im Gildenhaus. Ursprünglich war das Zunftrecht der Kern des Stadtrechtes, Zunftrecht ist politisches Recht.


    Quelle, genaue Bestimmungen durch die Zünfte:
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    Quelle, verschiedene Kunden über das Handwerk, Konflikte um Löhne und dergleichen:
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  • Die Gesellen


    Kommen wir zu den Handwerksgesellen: Sie besitzen häufig kein Bürgerrecht. Eine gedachte Fiktion ist es, dass aus jedem Gesellen ein Handwerker wird. Da aber 1/4 bis 1/3 der männlichen Bevölkerung einer Stadt Gesellen waren, ist das eher utopisch. Diese Masse bildet die "handwerkliche Reservearmee". Man findet einen gewissen Grad an Organisation, Gesellenbruderschaften oder anderweitige Formen der Organisiertheit. Diese hatten auch eine religiöse Funktion, etwa der Finanzierung der Beerdigung.


    Die Gesellen wohnten in der Regel im Hause des Meisters. Sie hatten bestimmte Formen der Geselligkeit und auch eigene Ehrvorstellungen, sie waren nicht Heiratsfähig. Als Kapital stärker auftritt und eine gewichtigere Stellung einnimmt verschwimmen diese Aspekte, sie leben nicht mehr im Hause des Meisters, sie heiraten und organisieren sich stärker.
    Die Stadt und die Zünfte versuchen die Gesellen zu regulieren und kanalisieren, insbesondere Konflikte um Geld und Ehre sollen verhindert werden.


    Blockmans, Wim, The Burgundian Court and the Urban Milieu as Patrons in 15th Century Bruges, in Michael North (Hg.) Economic History and the Arts, Köln-Weimar-Wien, S. 15-26.
    Brandt, Robert u. Buchner, Thomas (Hg.), Nahrung, Markt oder Gemeinnutz. Werner Sombart und das vorindustrielle Handwerk, Bielefeld 2004 (darin Aufsatz Jeggle zum Leinhandwerk in Münster).
    Eberhardt, Ilse, Arbeit, Lohn und Lebenshaltungskosten von Bauhandwerkern im spätmittelalterlichen Osnabrück, in: Osnabrücker Mitteilungen 103 (1998), S. 11-42.
    Fehse, Monika, Dortmund um 1400. Hausbesitz, Wohnverhältnisse und Arbeitsstätten in der spätmittelalterlichen Stadt, Bielefeld 2005.
    Henn, Volker, Handwerk und Gewerbe im spätmittelalterlichen Paderborn, in: Westfälische Zeitschrift 126/127 (1976/77), S.259-288.
    Igel, Karsten, Möglichkeiten einer Sozialtopographie des spätmittelalterlichen Osnabrücks, in: Osnabrücker Mitteilungen 109 (2004), S. 69-85.
    Ders., Zwischen Bürgerhaus und Frauenhaus. Stadtgestalt, Grundbesitz und Sozialstruktur im spätmittelalterlichen Greifswald, Köln - Weimar - Wien 2010.
    Lauffs, Frid, Das Mindener Zunft- und Gewerbewesen im Mittelalter, in: Mindener Jahrbuch 6 (1932), S.4-57.
    Reininghaus, Wilfried und Karl Heinrich Kaufhold (Hg.), Stadt und Handwerk in Mittelalter und Früher Neuzeit, Köln-Weimar-Wien 2000.
    Rüthing, Heinrich, Höxter um 1500. Analyse einer Stadtgesellschaft, Paderborn 1986.
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    Schulte, Monika, Macht auf Zeit. Ratsherrschaft im mittelalterlichen Minden, Warendorf 1997.
    Swanson, Heather, Medieval Artisans an Urban Class in Late Medieval England, Oxford 1989.


    Die Unterschichten und Randgruppen


    Armut ist in der Regel weiblich gewesen - insbesondere Frauen bildeten die untere Schicht denn hier bestand ein hohes Armutsrisiko. Eine hohe Mieterfluktuation ist auch ein Indikator für Armut, hierzu gibt es verschiedene Forschungen die einen häufigen Wohnortwechsel bei den unteren Schichten feststellen. Hospitäler sind eine Institution der Stadt gewesen um die Armut aufzufangen. Sie haben kirchliche Wurzeln im 11. und 12. Jahrhundert, wo sie von Brüder- und Schwesternschaften organisiert wurden. Sie haben verschiedene Ausrichtungen, etwa speziell für Arme, Kranke, Pilger oder Leprose (Aussätzige). Dabei sind die Hospitäler auch an bestimmten Orten in der Stadt zu finden, etwa die Leprosenhäuser außerhalb, die Pilger-Hospitäler bei den Toren oder die für Arme an den Mauern der Stadt. Auch die Hospitäler sind Polyfunktional, sie reagieren auf Problemherde und sind spezialisiert auf bestimmte Problemfälle (Alte, Kranke usw.). Nach und nach werden diese Hospitäler kommunalisiert und gehen in die Hände der Stadt und des Rates über, sie kommen auch aus der Stadt selbst, da sie maßgeblich finanziert werden durch das Geld von Stiftern, welche Bürger sind. Dies geschieht für das Seelenheil. Der Rat beaufsichtigte Finanzen, Personal und Eintritt, also wer überhaupt rein durfte und die Ordnung. Der Rat war dabei auch für die Ausdifferenzierung zuständig, also auf Krankenhäuser, Armenhäuser und dergleichen. Diese Gebäude beanspruchten ein großes Areal, dazu gehörte oft oder immer auch eine Kapelle und ein Friedhof. Über deren Personal bestimmte auch nicht mehr die Kirche, sondern der Rat. Eine entscheidende Frage für die Stadt war auch die Armutsdefinition, ab dem 15. Jahrhundert setzte sich durch: Wer arbeiten kann ist nicht arm.


    Quelle, Verordnungen des Rates zum Leprosenhaus:
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    Zu der untersten Schicht der Gesellschaft gehörten in der Regel die Personen, dessen Ehre oder Sozialstatus weit abgesunken war, etwa Totengräber, Türmer, Spielleute, Henker, Bäder oder Prostituierte. Letztere nehmen wir hier als Beispiel und gehen genauer darauf ein.
    Vor der Reformation war es vollkommen normal für ledige Männer derlei Damen aufzusuchen, es war auf keinen Fall ein Tabu-Thema, sondern entsprach "den natürlichen Bedürfnissen", es gab weder kirchlich noch rechtlich irgendwelche Probleme. Nach der Reformation änderte sich dies, ledige Männer und insbesondere die Prostitution wurden stigmatisiert und kriminalisiert.
    Die Dienste der Frauen bedurften aber der Regulation, hier kam wieder mal der Rat ins Spiel und schaffte eine Institution als Regulationsorgan: Das Frauenhaus. Als Einrichtung der Kommune setzte der Rat auch einen städtischen Beamten ein, den Frauenwirt, dieser reguliert, kontrolliert und wird finanziert durch die Arbeit der Prostituierten. Das Frauenhaus selber war auch ein Ort der Geselligkeit (normaler Natur...), im unteren Raum war ein Gesellschaftsraum der jungen Männer in denen Spiele gespielt wurden und Kontakte geknüpft, es gab also keine reinen "Bettenhäuser", sondern das Frauenhaus war auch immer ein öffentlicher Ort. Eine Aufgabe dieser Institution und des Frauenwirtes war es die Prostitution von der Straße fern zu halten.
    Die Huren kommen immer aus der untersten Schicht, üblicherweise Frauen die ihre Ehre verlieren auf verschiedenen Wegen. Zum Beispiel durch Entjungferung, oder durch einen Mann der ihnen die Ehe verspricht, sich dann aber zurück zieht. Die Unterschicht war nicht rechtlich abgesichert, Zuhälter (hierzu gehörte der Frauenwirt NICHT) nutzen diese ehrlosen Frauen aus und machen sie zu Straßenhuren. Der Hurenwirt versuchte diese Huren von der Straße in das Frauenhaus zu bekommen.


    Eine weitere Problematik: Huren beanspruchen durch ihre Kleidung ein Teil der Gesellschaft zu sein, durch Mode wurde Rang demonstriert. Hier wurde auch reguliert durch eine Kleiderordnung, Prostituierte sollten sich nicht wie andere Handwerksfrauen etwa kleiden sondern ihren Status durch bestimmte Symbole und Trachten zeigen, bzw. wurde ihnen verboten bestimmte Kleidungen zu tragen.


    Quelle, es gab genauste Verordnungen die Prostituierten betreffend, des weiteren wurden die Huren namentlich festgehalten:
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    Baumeier, Stefan, Mietshäuschen des 15. und 16. Jahrhunderts in Warendorf, in: Hausbau in Münster und Westfalen : Jahrbuch für Hausforschung 36/37 1986/87, S. 79-112.
    Eberhardt, Ilse, Arbeit, Lohn und Lebenshaltungskosten von Bauhandwerkern im spätmittelalterlichen Osnabrück, in: Osnabrücker Mitteilungen 103 (1998), S. 11-42.
    Ehbrecht, Wilfried, Der oberg-Aufruhr. Zu antikirchlichen Tendenzen in den Stadtkonflikten Osnabrücks zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Johanek, Peter (Hg.), Konsens und Konflikt. Skizzen und Überlegungen zur älteren Verfassungsgeschichte deutscher Städte, Münster 2001, S. 332-342.
    Fehse, Monika, Dortmund um 1400. Hausbesitz, Wohnverhältnisse und Arbeitsstätten in der spätmittelalterlichen Stadt, Bielefeld 2005 .
    Gross, Beate Sophie, Das hohe Hospital in Soest (ca. 1178-1600). Eine prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchung, Münster 1999.
    Hanschmidt, Alwin, Das Armenwesen in Münster, in: Civitatum Communitas. Studien zum europäischen Städtewesen, Teil 1, Köln-Wien 1984, S. 655-682.
    Hergemöller, Bernd-Ulrich, Pfaffenkriege im spätmittelalterlichen Hanseraum, Köln u.a. 1988.
    Ders., Krisenerscheinungen kirchlicher Machtpositionen in hansischen Städten des 15. Jhds. (Braunschweig, Lüneburg, Rostock, Osnabrück), in: Ehbrecht, Führungsgruppen, S. 3 13-348.
    Igel, Karsten, Zwischen Bürgerhaus und Frauenhaus. Stadtgestalt, Grundbesitz und Sozialstruktur im
    spätmittelalterlichen Greifswald, Köln-Weimar-Wien 2010.
    Kirchhoff, Karl-Heinz, Die Unruhen in Münster 1450-1457. Ein Beitrag zu Topographie und Prosopographie einer städtischen Protestbewegung, in: Ehbrecht, Wilfried (Hg.), Städtische Führungsgruppen und Gemeinde in der werdenden Neuzeit, Köln/Wien 1980, S.153-212.
    Klocke, Friedrich von, Urkunden und Regesten der Soester Wohlfahrtsanstalten, 3 Bde., Münster 1953-1973.
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    Matheus, Michael (Hg.), Funktions- und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler im europäischen Vergleich, Stuttgart 2005.
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    Scheutz, Martin u.a. (Hg.), Europäisches Spitalswesen. Institutionelle Fürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit, München 2008.
    Schuster, Beate, Die freien Frauen. Dirnen und Frauenhäuser im 15. und 16. Jhd., Frankfurt 1995.
    Schuster, Peter, Das Frauenhaus. Städtische Bordelle in Deutschland (1350-1600), Paderborn 1992.


    Die Kirche und die Stadt


    Die Kirche und mit ihr der Bischof oder ein paar Ebene tiefer der Pfarrer hatten eine zentrale Bedeutung für die Stadt, auch für ihre Entstehung. Grundsätzliche Idee des Christentums ist es, dass eigentlich alle gleich sind, dadurch auch das Konzept dass gleiches Bürgerrecht für alle Männer gilt.


    Bei der Beziehung zwischen Kirche und Stadt kann man 3 Aspekte herausstellen: Sonderung und Konflikt, Verflechtung und die Sakralgemeinschaft.


    Zum ersten Punkt der Sonderung und der Konflikte: Kirchen hatten in der Stadt bestimmte Privilegien inne, sie hatten ein eigenes Gericht und Immunität, die Gerichtsbarkeit war somit der Stadt entzogen. Großer Konfliktpunkt war auch wie so oft das Geld, Kleriker waren Steuerfrei. Diese Privilegien galten aber nicht nur für Geistliche, eine Stadt war durchzogen von Immunitätsbezirken der Kirche, auch Laien hatten diese Privilegien in solchen Bereichen, diese waren zwar in der Stadt, gehörten aber nicht zu dieser. Die Konflikte entstehen nun dadurch, dass die Stadt bestrebt war diese Privilegien einzuengen und zu beschränken. Die Kirchen werden nun auch immer Reicher an Vermögen, etwa durch Spenden von Sterbenden und ähnliches, hier war das Problem dass die Immunität der Kirche sich auch auf gestiftete Häuser ausweitete. Man arrangierte sich mit der Zeit, es kamen Verträge zwischen Bürger und Klerus zustande und man versuchte Akkumulationstendenzen einzudämmen.


    Der zweite Punkt der Verflechtung zwischen Stadt und Kirche kam schon öfters vor in verschiedenen Varianten. Man stellt in der aktuelleren Forschung insbesondere Verflechtungsgeschichte heraus, wie verschiedene Bereiche und Aspekte mit einander verwoben sind und in einander greifen. Die Kleriker und Pfarrer etwa kommen aus der Stadt selbst, die 3. und 4. Söhne von ratsfähigen Bürgern wurden oft auf Pfarrschulen geschickt da ihnen die Nachfolge mit Zugriff auf einen Amtssitz meist nicht möglich war. Bei den unteren klerikalen Stellungen findet sich ein weites Spektrum der Schichten aus denen die Söhne kommen.


    Der letzte Punkt - die Sakralgemeinschaft - bezieht sich auf den Umstand der Integration sozialer Gruppierungen durch religiöse Praktiken. Die Stadt selbst verstand sich als Verkörperung des himmlischen Jerusalems, als corpus christi. Ausdruck von diesem Selbstverständnis ist etwa die bildliche Darstellung von heiligem Geschehen welches in die Stadt verlagert wird. Die Stadt ist auch angefüllt mit religiösen Einrichtungen. Zudem hat die Stadt oft einen Schutzpatron, für diesen mussten Reliquien in den Kirchen der Stadt vorhanden sein und "Zur-Schau-Stellungs-Gefäße" präsentierten den Gläubigen Teile oder Gegenstände des Patrons, bei Prozessionen wurden Reliquien von Stadtheiligen von den Bürgern durch die Stadt geführt und präsentiert. Dieser Patron taucht dann auch in der Regel in der Stadtchronik auf, etwa dass er Feinde abgewehrt hätte oder eine Krankheit besiegte. Dieser religiöse Kult prägte die Stadtidentität ungemein und führt zu der Bildung einer gemeinsamen Stadt-Gemeinschaft unter religiösen Praktiken.


    Quelle, genaue Beschreibung einer Prozessions-Veranstaltung, die gesamte Stadt wurde eingebunden:
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    Die Bettelorden und Beginen


    Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Stadt des Spätmittelalters sind die Bettelorden und die Gemeinschaften frommer Frauen "Beginen". Finanziert werden diese maßgeblich durch das Stiftungswesen, Familien die etwas stiften werden allgemein in Bildern und Darstellungen verewigt, in der Regel stifteten deswegen die reichen Leute. Da Arme aber auch um ihr Seelenheil besorgt waren gründeten sie Bruderschaften die zusammen Altäre oder Messopfer finanzierten, oft bei den Bettelorden. Dies macht zum einen die Unterschiede zwischen Arm und Reich deutlich und zum anderen zeigen sich hier Verflechtungen zwischen Kirche und Stadt.
    Die größten und bekanntesten Bettelorden waren die Franziskaner, Dominikaner und Augustiner, sie wollten den armen Weg Christi gehen und lehnten die Akkumulation von Besitztum ab. Die Bettelorden wollten nur von Spenden und Bettelei leben, ihr Ziel war die Seelsorge der Bürger. Sie führten keine Taufen durch, dies tun nur Pfarrkirchen - der Normalzustand war das die gesamte Bevölkerung immer zu einer Territorialpfarrerei gehörte. Auch beerdigten die Bettelorden nicht, dies ließen sie später durch Pfarrer durchführen.


    Die Gebäude der Bettelorden befanden sich meist am Rand der Stadt oder an zentralen Plätzen, aus dem Grund dass sie den Armen der Stadt nahe sein wollten, oder es auf Grund der Stadtbesiedlungsgeschichte keinen anderen Platz gab. Der Platz wurde dann in der Regel von Adeligen oder dem Rat zur Verfügung gestellt, hier bauten sie eigene Kirchen und Kapellen, die über wenig Verzierungen verfügten, keine Türme hatten und kein Westwerk. Davor große Plätze für öffentliche Predigten. Konfliktpotential entsteht dadurch, dass Bettelorden unentgeltlich attraktive und alternative Seelsorge in Konkurrenz zu den Pfarrern anboten. Vor allen Dingen sind die 4 großen Orden in jeder größeren Stadt vertreten, auf dem Land sind sie sehr selten zu finden, sie kommen durch das Stiftungswesen aus der Stadt selbst. Weiterer Aspekt: Die Bettelorden unterstehen direkt dem Papst, auch wenn dieser eine bestimmte Stadt mit einem Bann belegt hatte, konnten die Bettelorden weiterhin predigen, normale Pfarrer durften dies in diesem Fall nicht.


    Die Beginen waren weibliche Ordensgemeinschaften, hier wären die Benediktinerinnen, Zisterzienserinnen, und Augustinerinnen zu nennen. Allerdings durften Frauen nicht am Altar praktizieren, was ein Problem darstellte mit dem man sich arrangieren musste. Beginen sind offene Frauenhäuser gewesen die eine Gemeinschaft frommer Frauen bildeten, sie waren nicht an Ordensregeln gebunden und sahen eine lebenslange Mitgliedschaft vor, sie waren aber weitaus weniger streng wie andere Gemeinschaften. Über diese Gemeinschaft führte der Rat Aufsicht, nicht der Papst. Sie wurden vom Rat gestützt und geschützt und waren Semi-Religiös. Die Beginen-Gemeinschaften beginnen oft als Stiftung und haben meist eher Arme als Mitglieder. Sie sind auch handwerklich tätig, deswegen stellten sie eine Konkurrenz zu den lokalen Handwerkern da. Die Beginen siedeln sich selbst oder werden bei den Bettelorden angesiedelt, sie nutzen deren Kirche mit da sie keine eigene haben, später schließen sich die Beginen häufig dieses Orden an.


    Quelle, Verordnungen betreffend der Beginen. Wichtig: Vom Rat stammend; darunter Statuten für ein anderes Ordenshaus der Beginen:
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    Ehrich, Susanne u. Oberste, Jörg (Hg.9; Städtische Kulte im Mittelalter, Regensburg 2010.
    Freitag, Werner (Hg.), Die Pfarre in der Stadt. Siedlungskern - Bürgerkirche - Urbanes Zentrum, Köln u.a. 2011.
    lsenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter. 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988 (Kap. 5: Stadt und Kirche, 231-244).
    Hye, Franz-Heinz (Hg.), Stadt und Kirche, Linz/Donau 1995.
    Klocke, Friedrich von, Urkunden-Regesten der Soester Wohlfahrtsanstalten, Band 3, Münster 1964.
    Kurze, Dietrich, Klerus, Ketzer, Krieger und Propheten. Gesammelte Aufsätze, Warendorf 1996 (darin Aufsätze zum Pfarrwesen, Pfarrerwahlen und zum Klerus).
    Ders., Pfarrerwahlen im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der Gemeinde und des Niederkirchwesens, Köln u.a. 1956.
    Maierhöfer, lsolde, Bambergs verfassungstopographische Entwicklung vom 15. bis zum 18. Jhd., in: Franz Petri (Hg.), Bischofs- und Kathedralstädte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Köln u.a. 1976, S. 746ff.
    Petplzold, Barbara, Beziehungen zwischen Klerus und Bürgertum in Halberstadt vom 13. bis 15.Jahrhundert, in: Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 9 (1985), S. 81-114.
    Petke, Wolfgang, Die Pfarrei. Ein Institut von langer Dauer als Forschungsaufgabe, in: Bünz, Enno u. Lorenzen- Schmidt, Klaus-Joachim (Hg.), Klerus, Kirche und Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Schleswig-Holstein, Neumünster 2006, S. 1-25.
    Prieur, Jutta (Hg.), Wie Engel Gottes. 700 Jahre St. Marien Lemgo, Bielefeld 2006.
    Reitemeier, Arnd, Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters, Stuttgart 2005.
    Rüthing, Heinrich, Höxter um 1500. Analyse einer Stadtgesellschaft, Paderborn 1986.
    Ruprecht, Michael, Stiftungen im mittelalterlichen Halle. Zweck, Ausstattung und Organisation, Halle 2010.
    Schirmeister, Olai (Hg.), Fromme Frauen und Ordensmänner. Klöster und Stifte im heiligen Herford.
    Schmidt-Czaia, Das Kollegiatstift St. Aegidii et Caroli Magni zu Wiedenbrück (1250-1650), Osnabrück 1994.
    Speer, Christian, Frömmigkeit und Politik. Städtische Eliten in Görlitz zwischen 1300 und 1550, Berlin 2011.
    Zuhorn, Wilhelm, Die Beginen in Münster. Anfänge, Frühzeit und Ausgang des Münsterschen Beginentums, in: Westfälische Zeitschrift 91 (1935), S. 1-149.


    Das Alltagsleben - Aufwandsordnungen, städtische Infrastruktur, Gefahrenabwehr


    Innerhalb der Stadt kann die Bevölkerung in 2 große Gruppen eingeteilt werden, den Bürgern mit Bürgerrecht und den Einwohnern ohne Bürgerrecht. Außerhalb davon gibt es noch die Kleriker und den Adel.
    Diese Gruppen hatten das Ideal des Stadtfriedens ("pax urbis")vor Augen als erstrebenswertes Ziel welches erreicht werden sollte. Erlangt werden sollte es durch bestimmte Normen die durch Konsens zustande kommen sollten. Das Stadtrecht stellte bestimmte Regeln des Zusammenlebens da, es gab mündliche Regeln, also mehr oder minder Sitten nach denen gelebt wurde, die einen gewissen Rahmen schufen was man zu tun und zu lassen hatte und schriftlich fixiertes Stadtrecht.


    Das Dilemma bestand nun darin, dass der Stadtrat eigentlich Organ der Bürger war, sich aber auch zur Obrigkeit entwickelte. Der Rat war in der Lage den Bürgerwillen zu bestimmen nach dem Konzept des Gemeinwohls ("bonum commune"), der Rat beanspruchte dieses zu definieren. Das bonum commune schreibt vor was ein jeder zu tun und zu lassen um der Gemeinschaft nicht zu schaden, dadurch wurde der Alltag in vielen Bereichen vom Rat stark beeinflusst. Wichtig ist hier: Auch individuelle Handlungen und Verhaltensweisen Einzelner können auch die Gemeinschaft und dadurch Normen verletzen. Weiterhin legitimierte sich der Rat auch durch die Aufgabe Fremde und Feinde fernzuhalten.


    Der Stadtrat hatte 5 große Aufgabenbereiche, drei davon werde ich näher erläutern. Die Steuerpflicht, hier bedarf es keiner großen Ausführungen. Die Gewerbepolizei kam schon in vorherigen Abschnitten zur Sprache, der Rat beanspruchte die letzte Kontrollfunktion vor den Innungen.


    Die Bewaffnung und Verteilung von Waffen ist auch eine Aufgabe des Rates gewesen. Die Stadt selbst ist Mauern- und Palisadenbewehrt, die Steuerpflicht diente auch dazu diese Wehrmaßnahmen instand zu halten. Die Bürger verfügten fast immer auch über Kampferfahrung denn es gab kaum ruhige Jahre. Tobte kein Krieg der allgegenwärtig war, mussten Banditen, Räuber und Fremde abgewehrt werden. Bürgerrecht war das Recht, aber auch die Pflicht, bewaffnet zu sein mit Waffen und Harnisch. Im Verteidigungsfall zu den Waffen gerufen zu werden und kämpfen zu müssen, von dieser Pflicht konnten sich (reiche) Bürger später auch frei kaufen. Organisiert war es so, dass die Stadt in bestimmte Bezirke aufgeteilt war, die jeweils für bestimmte Mauerabschnitte dann zuständig waren. Es fanden Verteidigungsübungen und Heerschauen statt. Die Instandhaltung der Mauern und Türme und deren Modernisierung gehörte auch in den Aufgabenbereich, zudem musste das Zeughaus bestückt und gewartet werden. Personal musste abgestellt werden, wie der Türmer oder die Nachtwächter.
    Die Feuersicherung hatte eine immense Bedeutung, denn Feuer stellte eine der größten Gefahren einer Stadt da. Im Brandfall wurden meist ganze Viertel ausgelöscht und da beinahe alles aus Holz war, stellte es eine ständige Bedrohung für die Bürger da. Hier wurden vom Rat Regelungen geschaffen: Betriebe die mit Feuer arbeiteten wurden ständig kontrolliert, diese wurden auch aus dem Zentrum ausgelagert. Im Falle eines ausgebrochenen Feuers war es Bürgerpflicht dieses zu löschen oder dabei zu helfen, aktive Prävention wurde gefordert. Mit der Zeit wurde versucht Brandmaterialien aus der Stadt zu entfernen, etwa durch Verbote die das benutzen von Holzschindeln oder Strohdächern untersagten.


    Zuletzt die Aufwandsregelungen die als Polizeiordnung im weitesten Sinne verstanden werden konnten. Hiermit wurden allgemeine Regeln des sozialen Zusammenlebens vorgeschrieben. Der Rat beanspruchte das alltägliche Leben für das bonum commune zu bestimmen, es wurden Regeln geschaffen für Festivitäten, Kleidungen und kirchliche Feiertage. Zum Beispiel wurde festgeschrieben wie sozialer Rang demonstriert werden durfte (und sollte) von Reichen, wie teuer ein Hochzeitsgeschenk maximal sein durfte in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad und dergleichen mehr.


    Quelle, rechte Seite. Reisebeschreibung, im unteren Teil werden Feuerschutzmaßnahmen beschrieben:
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    Quelle, Reglements des Rates für das Alltagsleben:
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    Quelle, genaue Bestimmungen über Hochzeiten:
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    Quelle, Feuerschutzverordnung:
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    Altenburg, Detlef (Hg.), Feste und Feiern im Mittelalter. Paderborner Symposion des
    Mediävistenverbandes, Sigmaringen 1991 (darin die Aufsätze von Kühnel zu Rangfolgen im städtischen Fest und von Bange zu den Kindbettfeiern).
    Blömker, Heinrich, Die Wehrverfassung der Stadt Osnabrück bis zum Westfälischen Frieden, in: Osnabrücker Mitteilungen 53 (1932), S. 1-116.
    Brucker, Johann, Straßburger Zunft- und Polizeiordnungen des 14. und 15. Jahrhunderts, Straßburg 1889.
    Bulst, Neithard, Zum Problem städtischer und territorialer Luxusgesetzgebung in Deutschland (13-16. Jahrhundert), in: Gouron, André u. Rigaudiére, Albert (Hg.), Renaissance du pouvoir legislatif, Montpellier 1988, S. 29-57.
    Deus, Wolf-Herbert, Soester Recht, Lieferung 1-16, Soest 1969-1978.
    Driever, Rainer, Obrigkeitliche Normierung sozialer Wirklichkeit. Die städtischen Statuten des 14. und 15. Jahrhunderts in Südniedersachsen und Nordhessen, Bielefeld 2000.
    Eberhart, Ilse, "Van der stades wegene utgegeven unde betalt". Städtischer Alltag im Spiegel der Stadtrechnungen von Osnabrück (1459 -1519), Osnabrück 1996.
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    Fouquet, Gerhard, Bauen für die Stadt. Finanzen, Organisation und Arbeit in kommunalen Baubetrieben des Spätmittelalters, Köln u.a. 1999.
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    Das Stadtrecht


    Zum Teil stammte das Stadtrecht noch aus dem Sachsenspiegel und reichte darauf zurück. Die Rechtsprechung war allgemein und wurde kollektiv erwägt, es entschied nicht nur ein einzelner Richter, dieser verkündete nur das Urteil. Die Urteilsfindung wurde von Schöffen (scabini) durchgeführt. Das Recht war dabei eher Fallrecht, es wurden Erfahrungen von spezifischen Straftaten genauestens festgehalten. Offizialdelikte (Straftaten die grundsätzlich vor Gericht gehen unabhängig vom Geschädigten) sind seltener, man musste in der Regel angeklagt werden damit es zu einer Strafverfolgung oder zum Gericht kam. Für die Bürger war es auch möglich die Straftaten untereinander zu klären und regeln. Die Stadtrechte wurden mit der Zeit entwickelt und verschriftlicht, zu Beginn wurde nicht gleich ein fertiger Katalog geschaffen der unabänderlich war, ein jedes Stadtrecht wurde mehr und mehr erweitert und vervollständigt. Jede abgestrafte Tat war aber in der Regel auch ein Vergehen gegen das Stadtrecht oder Bürgerrecht.
    Die Stadt begründete das Recht der Rechtsprechung durch politische und religiöse Legitimation. Die Stadt definierte sich als corpus christi und bewegte sich auch gerichtlich dorthin. Häufig finden sich bildliche Darstellungen des göttlichen Gerichts durch Jesu in Rechtssprechungsgebäuden. Die politische Theorie stammte aus Italien und kommt Mitte des 15. Jahrhunderts nach Mitteleuropa. Das Recht verbildlicht wurde findet sich recht oft.
    Bei den Städten muss man zwischen zwei Gruppen unterscheiden. Denjenigen mit Stadtherrenrecht, wo das Recht vom Stadtherren vorgeschrieben wurde und denjenigen mit Reichsrecht. Hier konnte Recht autonom gesprochen werden.


    Im Gegensatz zu heute hab es keine höheren Instanzen an denen sich der Kläger oder Angeklagte wenden konnte, die einzige Instanz waren die Rechtssprechenden, wie der Rat etwa, wenn es Konflikte gab. Vor Gericht falsches Zeugnis ablegen, Meineid, wurde als schlimmes Vergehen geahndet. Für unterschiedlich schlimme Vergehen gab es auch unterschiedliche Todesstrafen, rädern war zum Beispiel schlimmer wie erhängen und eine Beerdigung in ungeweihter Erde eine schreckliche Strafe. Warum gab es derlei brutale Strafen? Zuerst einmal diente es natürlich der Abschreckung, es waren Ehrenstrafen und der Rat demonstrierte natürlich auch Macht und Gerichtshoheit nach außen, zeigte deutlich die Rechtshoheit gegenüber (ehemaligen) Stadtherren.


    Interessanter und wichtiger Aspekt den man immer bedenken sollte ist auch: Im Mittelalter gab es eine ganz andere Beziehung zum Körper im Vergleich zur heutigen Zeit. Gewalt wird als Herrschaftsinstrument benutzt, Gewalt ist ein Ausdruck von Kommunikation zwischen Herrscher und Beherrschtem, zudem ein fester Teil der Ehren- und Konfliktstruktur. Darüber hinaus war die Ehre und das Seelenheil wichtiger als der eigene Körper, zudem man fest an ein (zweites, schöneres) Leben nach dem Tod glaubte. Dies sollte man nicht vergessen.


    Quelle, Folgend Auszüge aus dem münsterschen Stadtrecht:
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    Quelle, zeigt, wie genau festgehalten wurde wie man sich bei Gericht zu verhalten habe:
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    Die Stadtkonflikte


    Stadtkonflikte stellen auch ein Aspekt der Stadtgeschichte da, soziale Gruppen im Konflikt mit anderen sozialen Gruppen. Beispiele wären hier Zünfte gegen das Patriziat, Untere gegen Obere, "Klassenkämpfe" um es mit den Worten des historischen Materialismus zu betiteln. Streitpunkt bei diesen Konflikten waren Herrschaftsfragen oder soziale Konfliktlagen, die unteren Gruppen versuchten Teilhabe an der Macht zu erlangen. Dies war eine Form der Konflikte, hauptsächlich wurden diese so von der älteren Geschichtsforschung charakterisiert.


    Die neuere Forschung geht von fraktionierten Konflikten aus, Teile der Gesellen und Teile des Patriziats versuchen zusammen Machteilhabe zu gewinnen oder ihre Macht zu erweitern.


    Stadtkonflikte liefen immer nach bestimmten Mustern ab. Zu Beginn herrschen Gerüchte oder konkreter Unmut über den Rat, diese verbreiten sich und Tumulte brechen aus. Es wird sich dabei immer auf ein altes Recht bezogen welches verletzt worden sein soll. Es gab auch Konflikte um Privilegien (Die "Pfaffenkriege" zum Beispiel). Nach Ausbruch des Konflikts instiutionalisiert man Schiedsrichter und Vermittler zwischen "Mob" und Rat, Gewalt ist hierbei normal und ein Mittel der Kommunikation. Konfliktprävention und Lösung war eine wichtige Angelegenheit für die Stadt und den Rat. Das Stadtrecht versuchte dagegen vorzugehen und Stadtkonfliktvermeidung war Bürgerpflicht.


    Quelle, interessante Beschreibung die ausführt wie ein Gerücht entsteht und daraus Unruhen entstehen:
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    Dumolyn, Jan u. Haemers, Jelle, Patterns of urban rebellion in medieval Flanders, in: Journal of Medieval History 31(2005), S. 359-393.
    Dusil, Stephan, Die Soester Stadtrechtsfamilie. Mittelalterliche Quellen und neuzeitliche Historiographie, Köln u.a.2007.
    Ehbrecht, Wilfried, Form und Bedeutung innerstädtischer Kämpfe am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit: Minden 1405-1535, in: ders., Städtische Führungsgruppen, S. 115-152.
    Engel, Gustav, Die Stadtgründung im Bielfelde und das münstersche Stadtrecht, Bielefeld 1952.
    Freitag, Werner, Halle 806-1806. Salz, Residenz, Universität, Halle 2006.
    Helmert-Corvey, Thedor (Hg.), Rechtsbuch der Stadt Herford. Vollständige Faksimile-Ausgabe im Original-Format der illuminierten Handschrift aus dem 14. Jahrhundert, Bielefeld 1989.
    Kirchhoff, Karl-Heinz, Die Unruhen in Münster 1450-1457. Ein Beitrag zu Topographie und Prosopographie einer städtischen Protestbewegung in: Ehbrecht, Wilfried (Hg.), städtische Führungsgruppen und Gemeinde in der werdenden Neuzeit, Köln/Wien 1980, S. 153-212
    Kohl, Wilhelm, Das Soester Nequam-Buch. Neuausgabe des Acht- und Schwurbuches der Stadt Soest, Wiesbaden 1980.
    Laughton, Jane, Life in a late Medieval city. Chester 1275-1520,Oxford 2008.
    Meier, Hans-Bernd, Unruhen und Aufstand in Osnabrück im 15. und 16. Jahrhundert, in: Osnabrücker Mitteilungen 89 (1983), S. 60-121.
    Norman, Diana, "Love, Justice, you who judge the earth": the paintings of the Sala dei Nove in the Palazzo Pubblico, Siena, in: dies. (Hg.), Siena, Florence and Padua: Art, Society and Religion 1280-1400, Vol: l. Case Studies, New Haven, S. 145-168.
    Rexroth, Frank, Das Milieu der Nacht. Obrigkeit und Randgruppen im spätmittelalterlichen London, Göttingen 1999.
    Schlesinger, Walter, Das älteste Freiburger Stadtrecht. Überlieferung und Inhalt, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 83 (1986), S. 63-116.



    Entstanden ist diese Arbeit in einem Kurs an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster bei Prof. Dr. Werner Freitag.

  • Ich bin noch am Lesen. Am Stück wärs mir zu schwere Kost, obwohl Ich durchaus viel Lese.


    Werde dir sobald Ich alles gelesen habe mit nem Edit ne Rückmeldung geben^^


    MfG


    Edit1: So, den ersten Post hab Ich durch und gerade im Wirtschaftlichen Bereich einiges dazugelernt. Danke für die Mühe die du dir gemacht hast ;)


    Teil2 Lese Ich dann morgen, nu hab Ich lust zu zocken (nachdem Ich Skyrim wieder zurechtgemoddet habe ;D


    MfG

  • Dann ist ja gut. Ja, ich habe Geschichte studiert. Habe mir schon Sorgen gemacht, weil du das mit der Kursarbeit darunter geschrieben hast. Dachte schon "Oh, oh..." und wusste nicht, ob ich es auch schreiben sollte.


    Als privates Vergnügen geht es natürlich anstandslos durch! Dann können sich die jüngeren Semester ja hier nun auch mal rein lesen und was lernen. Gut, gut! :thumbup:

  • Hehe, bei der Annahme dass das eine Hausarbeit sein soll, kann ich dann deinen Schrecken nachvollziehen. ^^


    Um kurz zu umreißen wie es zum Text gekommen ist: Ich hatte dieses interessante Thema bei einem sehr guten Professor als Kurs. Hab immer fleißig mitgeschrieben (Standard waren 6-7 Seiten, der Prof hat schnell und sehr viel geredet, war so interessant (gemacht) dass es nie langweilig war. Hab mir dann in den Semesterferien noch einiges an Lektüre besorgt oder mir die Quellen noch mal genauer angeschaut und dann den obigen Text ausgearbeitet.

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