Einführung
Wer sich mir der Geschichte von Rom befasst, der stolpert zwangsläufig irgendwann über ein Volk, das wohl wie keine anderes von Mystik und Geheimnissen umrankt ist: Die Kelten. Die Art und Weise, wie die Kelten in den Spielen der Total War-Reihe dargestellt werden, ist sinnbildlich dafür, wie sie bis heute in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden: Sie sind die klassischen Antipoden Roms, wilde Barbaren, deren ungestümes und kriegerisches Temperament die „zivilisierte“ Welt des antiken Mittelmeerraumes in Angst und Schrecken versetzte.
Tatsächlich begleiten die Kelten Rom im Prinzip seit der mystischen Gründung der Tiberstadt im 8. Jahrhundert vor Christus. Es waren die Kelten, die Rom im 4. Jahrhundert vor Christus erstmals plünderten. Sie waren es auch, die später mit dem punischen Feldherrn Hannibal gegen die ewige Stadt zogen. Die keltischen Stämme waren aber nicht nur Spielball der mediterranen Mächte – immer wieder verstanden sie es auch, den Spiess umzudrehen.
Sie unterlagen dem überlegenen römischen Staats- und Militärwesen schliesslich auf tragische und blutige Weise. Sinnbildlich dafür steht der heroische Widerstand des grossen Keltenführers Vercingetorix. Er versuchte sein Volk zum letzten grossen Aufbäumen gegen die mit Schild und Pilum alles verschlingenden Aggressoren zu motivieren. Seine Niederlage in Alesia ist stellvertretend für den langen und oftmals leidvollen Zusammenprall der Kelten mit Rom.
Aber die Kelten waren auch jenes Volk, welches erfolgreich in der neuen römischen Ordnung aufzugehen vermochte. Kein anderes der von Rom eroberten Gebiete wurde derart intensiv romanisiert - also von den Vorzügen und Eigenheiten der römischen Lebensart durchdrungen - wie das keltische Kernland in Gallien. Die Kelten waren also beides: Leidtragende und Profiteure der römischen Weltherrschaft.
Dieser Thread und alles, was darin geschrieben steht, soll diesem denkwürdigen Volk gewidmet sein, welches uns bis heute in den Bann zieht.
1. Die Ursprünge der Kelten
Die Geschichte der Kelten lässt sich heute bis etwa ins 6. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen. Namentlich erwähnt werden sie erstmals von antiken griechischen Autoren. Das ist wenig verwunderlich: Bevor die Kelten mit Rom in Konflikt gerieten, standen sie schon über Jahrhunderte hinweg in Kontakt mit der griechischen Hochkultur.
In den Erwähnungen und Werken der griechischen Schreiber tauchen sie vor allem als militärische Gegner auf. Den ersten gesicherten Nachweis der Kelten erbrachte der Historiker Herodot (490 bis 424 v. Chr.). Er lokalisiert in seinen Werken einen keltischen Stamm im Quellgebiet des Istros (Donau). Die Wissenschaft geht aber davon aus, dass die Kelten als Volksgruppe bereits im 6. Jahrhundert vor Christus dem Geographen Hekataios von Milet bekannt waren.
Archäologisch erstmals fassbar werden die Kelten Mitteleuropas im Bereich der späten Westhallstattkultur (Eisenzeit), die sich im 6. und 5. Jahrhundert v.Chr. von Südfrankreich über die Schweiz bis nach Südwestdeutschland erstreckte (siehe Karte).
2. Die Westhallstattkultur: Leben, Gesellschaft und Krieg der frühen Kelten (bis ca. 5. Jahrhundert v.Chr.)
Die materielle Grundlage der frühen Keltenkulturen Mitteleuropas bildeten in erster Linie Ackerbau und Viehzucht. Allerdings weiss man heute, dass die Kelten bereits damals regen Handel betrieben und auch geschickte Handwerker waren. Entgegen kursierender Vorurteile waren also schon die frühen Keltenkulturen keine dumpfen, primitiven Gesellschaften, sondern zeichneten sich durch einen gewissen Grad an zivilisatorischer Entwicklung aus.
Die Landschaft, in der die Kelten lebten, unterschied sich wesentlich vom heutigen Zustand. Ausserhalb grösserer Siedlungen, die es bereits gab, war die Natur weitgehend unberührt. Ein ausgebautes Strassen- und Wegenetz war nicht vorhanden. Für den Transport von Handelsgütern bedienten sich die Kelten primär der natürlichen Wasserstrassen (Flüsse, Seen).
Die keltischen Siedlungen lagen zerstreut und oftmals mussten weite Wege zurückgelegt werden, um zu anderen Siedlungsräumen zu gelangen. Die meisten Menschen dürften damals jedoch zeitlebens nie über den Dorfrand hinaus gekommen sein. Sie waren sesshafte, schollengebundene Bauern.
Landwirtschaft und Handwerk
Die Kelten verwendeten damals in der Landwirtschaft bereits eiserne Pflugscharen, wodurch sie die fruchtbaren Böden relativ effizient bewirtschaften konnten. Angebaut wurden diverse Getreidesorten sowie Hanf, Flachs und Hülsenfrüchte. Auch Färberwaid zum blaufärben von Textilien wurde kultiviert.
Das am weitesten verbreitete Haustier jener Zeit war das Rind. Es wurde als Zugtier verwendet und diente gleichzeitig als Nahrungsquelle (Fleisch, Milch). Aber auch Schweine, Schafe und Ziegen wurden gehalten. Zudem weiss man heute, dass die Kelten bereits Wach- und Hütehunde hielten. Die Jagd nach Wild spielte eine eher untergeordnete Rolle und dürfte ähnlich wie später im Mittelalter ein Privileg der Oberschicht gewesen sein.
Hochentwickelt war das keltische Töpferhandwerk. Auch Keramik wurde hergestellt und verarbeitet. Hohes Ansehen genoss ausserdem das Zimmerhandwerk, speziell für den Haus- und Festungsbau. Die Kelten waren geschickt in der Herstellung von Fässern und Eimern. Zudem bauten sie vierrädrige Wagen mit Speichenrädern. Auch was die Herstellung von Textilien anging waren die Menschen in den Keltensiedlungen durchaus versiert. Reichhaltige archäologische Funde deuten zudem darauf hin, dass die Herstellung von Schmuck (Ketten, Kleidernadeln, Colliers) einen grossen Stellenwert besass. Die Kelten hatten also wohl einen ausgeprägten Sinn für Ästhetisches.
Eisen: Eine keltische Spezialität
Über all den genannten Fertigkeiten stand jedoch die Verarbeitung von Metall. Dadurch sind die Kelten berühmt geworden. Das Schmiedehandwerk wurde bereits in den frühen keltischen Kulturen auf einem vergleichsweise hohen Standart betrieben. Die Kelten verarbeiteten vor allem Eisen. Silber und Gold konnten sie zwar ebenfalls bearbeiten, allerdings waren diese Metalle seltener und schwerer aufzutreiben.
Das keltische Schmiedehandwerk lässt sich grob in drei Bereiche unterteilen: Waffen-, Grob-, und Feinschmiede. Eisen wurde im Gegensatz zur Bronze nicht gegossen, sondern geschmiedet. Entsprechend waren die von den Kelten gefertigten Waffen (Speer- und Pfeilspitzen, Schwerter, Schildbeschläge), Werkzeuge (Äxte, Hämmer, Zangen, Messer, Scheren, Gabeln, Spiesse) und Landwirtschaftsgeräte (Schaufeln, Sicheln, Sensen) sowie Kleiderbestandsteile (Nadeln, Fibeln, Gürtelschnallen) von guter bis herausragender Qualität, gemessen an den damaligen Standarts.
Es gibt diverse Beispiele aus der Archäologie, welche die Schmiedefertigkeiten der Kelten eindrücklich belegen: So wurde im Neuenburger See (Schweiz) ein Dolch gefunden, dessen Griff, Klinge und Scheide aus nicht weniger als 45 Einzelteilen, 29 Nietungen und zwei Hartlötungen besteht. Derartige Fertigkeiten wurden im 6. und 5. Jahrhundert vor Christus selbst von den vermeintlich viel weiter entwickelten Völkern des Mittelmeerraumes nicht übertroffen. Soviel zum Thema „Barbaren“!
Schmuck und Kleidung: Ein Sinn für Ästhetik
Über das äussere Erscheinungsbild (Kleider) der Kelten der Westhallstattkultur weiss man relativ wenig. Des vor allem deshalb, weil Textilien im Gegensatz zu Holz- und Metallgegenständen die Zeiten weniger gut überdauern und sich zersetzen. Die Frauen trugen Kleider, die mit Fibeln (Sicherheitsnadeln) zusammen gehalten wurden. Da in Frauengräbern viele Haarnadeln gefunden wurden, gehen die Forscher davon aus, dass die Frauen Hauben, Schleier und Bänder trugen. Auch Halsschmuck, Armringe und Fingerringe wurden getragen, allerdings wohl vor allem von Angehörigen der Oberschicht.
Die Männer trugen vermutlich weniger Schmuck als die Frauen – darauf lässt sich schliessen, weil in Männergräbern kaum Schmuck gefunden wurde. Vereinzelt tauchen aber Halsringe aus Bronze, Eisen und Gold auf. Diese dürften aber ebenfalls den Angehörigen der oberen Gesellschaftsschichten vorbehalten gewesen sein.
Punkto Bewaffnung mussten sich die Krieger der Keltenstämme in der Westhallstattkultur verglichen mit anderen Völkern ebenfalls nicht verstecken: Lanzen, Schwerter, Dolche, Helme, Schilde, Brustpanzer und Beinschienen sind in Mitteleuropa zur damaligen Zeit belegt. Die frühen Kelten dürften sich also auch auf das Kriegshandwerk bereits gut verstanden haben.
Handelszentren der Macht
Die Mehrzahl der Bevölkerung lebte zur Zeit der Frühkelten in Dorfsiedlungen. Diese Dörfer lagen häufig inmitten von bebauten Feldern und in der Nähe von Gewässern. Die Häuser besassen in der Regel nur ein Stockwerk und wurden meist aus Holz und lehmbestrichenem Flechtwerk errichtet. Die Dächer waren mit Stroh, Schilf oder Baumrinde gedeckt. Als Wärmequelle diente ein offenes Feuer, dessen Rauch wegen des Fehlens grösserer Fenster durch eine Öffnung im Dach abzog.
Bereits in der Frühzeit der Kelten ist jedoch auch die Existenz grösserer Siedlungen belegt. Diese Siedlungen entstanden vor allem dort, wo sich wichtige Handels- und Wirtschaftszentren befanden. Im Prinzip unterschied sich die frühkeltische Kultur damit kaum von den heutigen Verhältnissen: Die Menschen liessen sich dort nieder, wo es Arbeit und damit Brot gab. Grössere Handelszentren lagen über das gesamte Siedlungsgebiet der Kelten verteilt. Handel und Verkehr spielten eine bedeutende Rolle für die keltische Wirtschaft. Rohstoffe und Fertigprodukte wurden teilweise über hunderte von Kilometern hinweg transportiert. Ein bekanntes Fernhandelsgut war zum Beispiel Bernstein. Diesen „importierten“ die Kelten von den Küsten Westjütlands und Ostpreussens. Sie trieben jedoch auch regen Handel mit den Kulturen des Mittelmeerraumes. So existierte eine gut dokumentierte Handelsbeziehung zur griechischen Kolonie Massalia (Marseille).
Ein wichtiges Handelsgut war Salz. Ihm kam eine zentrale Bedeutung bei der Konservierung von Fleisch und der Verarbeitung von Häuten und Metall zu. Es verwundert deshalb nicht, dass sich bereits um 600 v.Chr. auf dem Dürrnberg bei Hallein am Westufer der Salzach (nahe Salzburg) eine grosse befestigte Höhensiedlung (Oppidum) entwickelte, in deren Nähe zahlreiche Handwerksbetriebe angesiedelt waren. Es handelte sich also um ein eigentliches Wirtschafts- und Machtzentrum.