Computer- und Spielesucht - Der Weg zur Realitätsentfremdung

  • Der beste Schutz für mich gegen zu viel Zockerei ist die eigene Familie.

    Das kann man pauschal nicht sagen, denn wenn die auch alle zocken, ist das eher schwieriger als hilflich.



    Wenn alles klappt, werde ich mich in naher Zukunft auch in eine ambulante Therapie begeben und kann dann weiter an mir arbeiten.

    Bezahlt die Krankenkasse das eigentlich?


    Also ich glaube schon, dass du auf lange Sicht Erfolge mit der Therapie haben wirst. Acht Wochen sind nicht viel Zeit, wahrscheinlich wird es Monate dauern, bis es sich auszahlen wird.

  • Ich finde es super Fairas, dass du dein Suchtverhalten angehst und auch, dass du gerade hier so offen damit umgehst.


    Ich hatte und habe auch immer wieder Schwierigkeiten, mich vom Spielen und Internet genügend zu lösen. Im Studium half mir da teilweise nur die Radikalkur, den Rechner zu sperren. Hab mir dafür so nen Kinderschutzprogramm zugelegt.


    Bei tollen Spielen kann ich auch heute noch im Extremfall einen ganzen Tag durchzocken. Gott sei Dank kommt das nur noch selten vor. Danach fühle ich mich immer schlecht und habe das Gefühl kostbare Zeit sinnlos „verzockt“ zu haben. Irgendwie habe ich da immer meinen Vater im geistigen Ohr: „Junge, was machst du nur mit deiner Zeit?!“


    Mir halfen meine Lebensziele und insbesondere auch mein Wille zu beruflichem Erfolg und Gespräche mit Freunden und Eltern, das dann in den Griff zu kriegen.


    Ich habe mir dann auch mal selbst klar gemacht, dass die beste Grafik und Auflösung, die überzeugendsten Quests und die beste Immersion immernoch das Leben selbst bietet. Klar, es ist nett bei Fallout oder Skyrim seine Hütte einzurichten und zu möblieren. Noch schöner aber ist es, dass im wirklichen Leben zu erreichen. Ich habe mir damals mal ne Zeit lang den gedanklichen Trick erlaubt, mein Leben in selbst erdachte Quests aufzuteilen. So wie bei GTA V, Skyrim usw.. Quest: Bringe den Müll raus. Quest: Triff dich mit Freunden. usw. :D


    Quests haben ja immer so nen Sammeltrieb. Man will Erfolge sammeln. Trophäen einheimsen. usw. Das kann man durchaus gut aufs reale Leben zurückübertragen. Bekommt dann Vieles plötzlich etwas sehr spielerisches.


    Heute brauche ich den gedanklichen Kniff nicht mehr. In der Woche spiele ich ohnehin kaum. Da habe ich oft zu viele andere Dinge zu tun. Beruf. Haushalt. Freunde. Sport.


    Was mir hilft: Ich habe damit begonnen auch meine Freizeit ein Stück weit bewusst zu planen und nicht mehr „in den blauen Tag hinein zu leben“. Ich mache mir so ne Art Wochenplan und überlege mir, was ich wann gerne für wie lange machen möchte. Da klar ist, dass ich Vieles möchte, muss ich mir die Zeit passend einteilen. Ich will ja nicht nur zocken, sondern auch lesen, spazieren, Freunde treffen, fernsehen, usw.usf.. Alles kriegt sein Zeitfenster. Und das wird dann auch so gut es geht eingehalten. Ich spiele im Schnitt bspw. wenn dann nur höchstens noch 1-2 Stunden am Stück und pro Tag. Das muss reichen. Sonst hat man keine ausreichende Zeit mehr für die anderen Dinge. So ne Stunde zocken geht erfahrungsgemäß rum wie nichts. Oft spiele ich aber auch tagelang gar nicht mehr. Und mein Schlaf z.B. ist mir heilig. Nächtelang durchzocken wie noch in den Frühphasen des Studiums ist heutzutage ein absolutes NoGo. Hab ich auch gar keinen Bock mehr drauf.


    Und eins ist auch klar. Bei der Spielzeitlänge heutiger Titel muss man eine Auswahl treffen. Bei ein bis zwei Stunden max. täglicher Spielzeit (Was viel ist!) braucht man für einen 80 Stunden Spieletitel ja bereits 40 bis 80 Tage. Also zwischen ein bis drei Monaten. Und auch nur, wenn man konsequent jeden Tag spielt. Da muss man einfach Prioritäten setzen.


    Wenn du dann noch ne Stunde Internet dazu nimmst, biste schon 2-3 Stunden täglich vorm Bildschirm. Was sehr viel ist, wie ich finde. Internet ist eher mein Problem. Allerdings lese ich auch sehr viele Nachrichten und Zeitungen online. Das ist dann oft schwer auseinander zu halten.


    Generell hilft es mir aber, meinen Tag in Zeitfenster einzuteilen und inhaltlich festzulegen und diese dann auch so gut wie es geht einzuhalten. Schafft man nicht immer, aber man agiert doch generell viel organisierter und bewusster. Am Abend fühle ich mich dann besser, weil sich die Tage vielseitiger und ereignisreicher anfühlten. Das Gefühl hatte ich bei durchzockten Tagen nie. Da war die Zeit einfach wie weggeblasen. Das Geschirr stapelte sich in der Spüle und ich hatte nicht selten mit niemandem ein Wort gewechselt. Solche Tage vermeide ich heute völlig, eben weil das Gefühl danach so kacke ist. Es ist so, als würde man sich aus der Realität Beamen und wenn man aufwacht, kommt der Kater. Eskapismus eben.


    Heute kann ich das ganz gut steuern. Habe aber auch mehrere Freunde, die es nicht steuern konnten. Die haben die Radikallösung gewählt und alle ihre Spiele weggeschmissen. Keiner hat das je bereut.


    Viel Erfolg Fairas, du bist auf einem guten Weg! Es ist nie zu spät für einen Neuanfang.

  • Man darf halt nicht vergessen, dass diese ganzen Ratschläge für einen Süchtigen nicht mehr funktionieren. Der Suchtbegriff ist medizinisch sehr hart und eng gefasst. Die meisten Menschen, die sich als süchtig empfinden, sind es gar nicht. Es gab mal eine Untersuchung in der 30% der WoW Spieler angaben, süchtig zu sein. Davon traf es tatsächlich auf 0,5% der Frauen und 2% der Männer zu.


    Deswegen empfinde ich es als Laie als äußerst schwierig einem Süchtigen Ratschläge zu erteilen, außer dem Einen, weiterhin die Hilfe der Profis aufzusuchen. Der Volksmund meint ja häufig, Therapie sei der nächste Schritt, wenn einem die Familie nicht mehr weiterhelfen könne. Freunde, Familie und auch der Partner sind jedoch keine Profis und kein Ersatz für eine Therapie.

  • Es war nicht als Ratschlag an Fairas gedacht. Ich wollte eher deutlich machen, wie ich mit meinen Problemen umgegangen bin. Dass das ein anderes Kaliber ist, ist mir auch klar. Nur gehts in dem Thread ja auch nicht nur um Fairas. Ich empfand das damals bei mir schon auch als problematisch. Vielleicht ist es für Fairas ja ne Hilfe zu wissen, dass er nicht alleine steht mit solchen Problemen, auch wenn sie sicherlich bei vielen von uns ganz unterschiedlich ausgeprägt sind. Ich kenne Fairas Situation gar nicht gut genug, um mir irgendwelche Ratschläge anzumaßen.

  • Der beste Schutz für mich gegen zu viel Zockerei ist die eigene Familie.

    Moin, kann sein und ist bei mir auch so.
    Allerdings kann eine Sucht einen daran hindern Menschen kennenzulernen oder in der Lage zu sein Beziehungen aufrechtzuhalten und Familien zu gründen.


    John's Zeitfenster und Quest's sind ne gute Methode, um das Verhalten zu steuern und wieder Sinnhaftigkeit oder Freude zu erleben. Ich handhabe das häufig ähnlich.
    Nur, bei einer Sucht nach meinem Verständnis, gibt es nur den absolutem Stop. Man kann nicht halb oder zum Spaß Heroin nehmen, so wie ich nicht nicht nur zu Weihnachten oder zum Geburtstag rauchen kann.


    Ich denk für Spiele gilt das gleiche oder sagen die "Weisen" Dir was anderes, Fairas? Ist Teilzeitzocker möglich?


    Ich wünsche Dir viel Erfolg beim Kampf gegen den Dämon!

  • Man muss sich halt auch klar machen, dass die Spiele psychologisch darauf angelegt sind, dass man immer mehr und länger spielen will. Nur dann kauft man ja die zugehörigen Programme und DLCs und generiert Gewinn für die Spieleindustrie. Die Spielsucht, das „Nur noch eine Runde“-Gefühl sind ja durchaus erwünscht.


    Ich für meinen Teil fände es gut, wenn man Spielsucht wie andere Süchte behandeln würde und wenn der Staat da auch gesetzlich was regeln würde. Bspw. das Spielehersteller dazu verpflichtet werden, nach einer gewissen Spielzeit in ihren Programmen Warnhinweise einzublenden usw.. Wenn jemand bspw. drei Stunden am Stück zockt, fände ich es gut, wenn die Programme eine Zwangspause vorschreiben würden. Da viele eben genau mit dem Abschalten und dem Verlust des Zeitgefühls große Probleme haben.


    In letzter Zeit passiert ja seitens der Hardwarehersteller da einiges. Apple erfasst bspw. die eigenen Nutzungs- und Bildschirmzeiten und ermöglicht einem, Zeitsperren für Apps usw. einzurichten, damit man seine „On-Zeiten“ besser im Griff behält. Finde ich nen guten Ansatz.

  • Ja, aber.


    Das bekommt man nicht durch. Es würde mich auch massivst nerven, wenn ein Spiel mir vorschreibt, dass ich jetzt eine Pause zu machen habe oder mir einen Warnbabble an den Kopf wirft.
    Ich stelle mir selbst den Wecker, wenn ich weiß, dass ein Spiel mich besonders gefährlich fesselt.
    Hilfreich kann sein, wenn man in dem Spiel sich die Realzeit anzeigen lassen kann.

  • Moin, kann sein und ist bei mir auch so.Allerdings kann eine Sucht einen daran hindern Menschen kennenzulernen oder in der Lage zu sein Beziehungen aufrechtzuhalten und Familien zu gründen.

    Das ist z.B. bei mir das "Ding". Ich habe zwar während einer Beziehung auch gezockt...aber seit ich der einzige Mensch in meiner Wohnung bin hat das wohl zugenommen. Was soll ich den machen in meiner Freizeit wenn ich zu Hause bin? Da geht man dann seinen Hobbies und Interessen nach...alles was Spaß macht. Da ist mir halt zocken und im Netz surfen am liebsten. Vor allem im Winter. Klar trifft man sich mal mit Freunden und geht weg allerdings bin ich den größeren Teil zu Hause.


    Ich lese auch Bücher. :w00t: :)



    in ihren Programmen Warnhinweise einzublenden usw.. Wenn jemand bspw. drei Stunden am Stück zockt,

    Gehts noch? Immer diese Reglementierungen. :facepalm: Würden die Hersteller gar nicht mitmachen...hoffentlich. Das wären bei mir dann mindestens vier Einblendungen am Tag...kann ich brauchen wie Fußpilz. :)

  • Ich denke man wird sich selbst über iOS, OSX oder Windows Zeitfenster bspw. für Programme wie Steam einrichten können. Das ist schon ne gute Hilfe. Dann lässt sich bspw. Steam eben nur zu ner bestimmten Zeit oder für ner festgelegte Dauer starten und laufen. Die kann man dann selbst festlegen. Ist halt nur die Frage, ob es schafft, die nicht wieder außer Kraft zu setzen.


    @Flavius Jolius: Weißte Bescheid. ;)

  • Man muss sich halt auch klar machen, dass die Spiele psychologisch darauf angelegt sind, dass man immer mehr und länger spielen will. Nur dann kauft man ja die zugehörigen Programme und DLCs und generiert Gewinn für die Spieleindustrie. Die Spielsucht, das „Nur noch eine Runde“-Gefühl sind ja durchaus erwünscht.


    Ich für meinen Teil fände es gut, wenn man Spielsucht wie andere Süchte behandeln würde und wenn der Staat da auch gesetzlich was regeln würde. Bspw. das Spielehersteller dazu verpflichtet werden, nach einer gewissen Spielzeit in ihren Programmen Warnhinweise einzublenden usw.. Wenn jemand bspw. drei Stunden am Stück zockt, fände ich es gut, wenn die Programme eine Zwangspause vorschreiben würden. Da viele eben genau mit dem Abschalten und dem Verlust des Zeitgefühls große Probleme haben.


    In letzter Zeit passiert ja seitens der Hardwarehersteller da einiges. Apple erfasst bspw. die eigenen Nutzungs- und Bildschirmzeiten und ermöglicht einem, Zeitsperren für Apps usw. einzurichten, damit man seine „On-Zeiten“ besser im Griff behält. Finde ich nen guten Ansatz.

    Ich denke man wird sich selbst über iOS, OSX oder Windows Zeitfenster bspw. für Programme wie Steam einrichten können. Das ist schon ne gute Hilfe. Dann lässt sich bspw. Steam eben nur zu ner bestimmten Zeit oder für ner festgelegte Dauer starten und laufen. Die kann man dann selbst festlegen. Ist halt nur die Frage, ob es schafft, die nicht wieder außer Kraft zu setzen.

    Du vergisst dabei einen wesentlichen Aspekt. Es ist wie bei jeder Sucht: Man muß damit aufhören wollen! Ich will weder aufhören zu zocken noch aufhören zu rauchen (noch nicht!). Und damit würdest du mit solchen Reglementierungen, am besten noch per Gesetz, meine Freiheit einschränken.

  • Ich denk für Spiele gilt das gleiche oder sagen die "Weisen" Dir was anderes, Fairas? Ist Teilzeitzocker möglich?


    Gar nicht mehr spielen wäre auf jeden Fall besser, mein Ziel ist allerdings tatsächlich erstmal weniger spielen.


    Wobei ComputerSPIELsucht bei mir auch nur der Oberbegriff ist, es ist auch gepaart mit einer Internetsucht. Ich spiele ja nicht nur, ich schaue auch Serien, surfe im Internet etc. Und insgesamt von allem eben zuviel.


    Das Problem (zumindest für mich) ist die theoretische Übergangszeit von kompletter Abstinenz bis zum Aufbau sozialer Kontakte, Aufnahme von Arbeit (Ausbildung/Studium), Finden eines Partners, gar der Gründung einer eigenen Familie oder ganz unspektakulär auch erstmal den eigenen Alltag in den Griff bekommen und sich wieder um Dinge wie Haushalt und die eigene Gesundheit kümmern.


    Einige meiner Mitpatienten, wollen es nach der Klinik tatsächlich mit kompletter Abstinenz probieren, sind allerdings tatsächlich dann auch eher die, welche in eine einigermaßen vernünftige Familienstruktur eingebunden sind oder bereits einen festen Freundeskreis haben.


    Für mich wäre so ein Schritt sehr radikal, da ich all das nicht habe. Der PC lenkt mich von dieser Einsamkeit ab und schützt mich auch vor Depressionen. Welche ich bisher normalerweise nie hatte, im Klinkalltag auch nicht, da ich gut in die Therapien eingebunden war und mich auch gut mit den Mitpatienten verstanden habe. Ein bisschen anders war es an den Wochenenden, da gab es keine Therapien und viele Patienten waren unterwegs, hatten Besuch von ihrer Familie oder waren sogar Zuhause. Am Wochenende hatte ich in der Klink oft so ne Art "Wochenenddepression", weil ich nichts mit mir anzufangen wusste.
    Und genau das würde ich dann auch für Zuhause befürchten. Zumal das auch bereits in der Vergangenheit der Fall war, wenn mal der PC oder das Internet nicht gingen, also vorübergehend eine depressive Phase.


    Mein Ziel ist der langsame Aufbau von sozialen Kontakten und später dann eine Berufsausbildung. Es gibt zum Glück in Freiburg ein recht dichtes Netz an Einrichtungen, welche sehr niederschwellige Angebote wie etwa Brettspiele- oder Kochabende anbieten. Mit professioneller Hilfe ist es mir bereits gelungen an einigen solchen Veranstaltungen teilzunehmen.


    -------


    Kurzer Crazy-Fact am Rande: Die Gruppe der PC-Süchtigen war auf einer Borderliner-Station untergebracht. Da hab ich mich dann immer nur wie ein "halber" Patient gefühlt, das sind nämlich die richtig krassen Fälle :unsure:

  • Aye,


    das klingt schon mal sehr böse.
    Die allgemeine Vereinsamung und Verblödung ist ein generelles Problem der heutigen Zeit. Gerade junge Menschen erlernen heutzutage teilweise nicht mehr die normalen zwischenmenschlichen Interaktionen. G8, Bachelorstudiengänge und eine Welt die sich noch schneller dreht hat es in meiner Wahrnehmung noch mehr verschlimmert.


    Man muß immer schneller in immer weniger Freizeit immer mehr lernen. Da wird Freizeit und Flucht aus der Realität kostbar, zu "mein Schaaaaatz."
    Da hatten wir analogen Alten es besser. Wir haben es noch gelernt es auch mal auszuhalten sich zu langweilen.
    In der Schule konnte man die 13 Jahre in Ruhe neben den Partys absitzen und das Studium hat man erst aufgegeben, wenn einem aufgefallen ist, dass das Unigelände nicht Rentertauglich ist und Deine Mitstudenten Deine Kinder sein könnten und vielleicht sogar sind.


    EDIT
    Ein kleines Edit.


    Ich empfehle die Netflix-Serie "Black Mirror", um sich mal mit ein paar möglichen Folgen oder möglichen Entwicklungen vom Liken, immer On-Line zu sein und über alles Bescheid zu wissen, ständig zu googlen auseinanderzusetzen.
    Einige Folgen der Serie sind in ihrer Plausibilität und Potentialität recht erschreckend und helfen vielleicht das eigene Verhalten mehr zu hinterfragen und zu beobachten.

  • Dieses "früher war alles besser" ist hier glaube ich der falsche Ansatz. 50 Jahre früher hätte man mich nur ordentlich verprügeln und vergewaltigen müssen damit ich spure. 100 Jahre früher hätte ich als Arbeiter in einer Stahlfabrik oder einem Kohlebergwerk sowieso keine Gedanken mit sowas unnützem wie Freizeit verschwendet und 200 Jahre früher als Bauer wäre ich ohnehin nur 30 Jahre alt geworden also schon seit zwei Jahren tot.


    Schule etwa war für mich nie stressig. Studium hab ich probiert, hab statt zu lernen gezockt, da hätten auch zehn weitere Semester nichts dran geändert.


    Die genauen Gründe kenne ich bei mir noch nicht, mache das aber grob an zwei Punkten fest: Zum einen habe ich recht konservative Eltern, die sich gegen Dinge wie Fernsehen oder gar Computerspielen immer stark gewehrt haben. Während meine Klassenkameraden also Gameboys hatten und immer berichtet haben, was sie am Abend/Wochenende für tolle Filme geschaut haben, durfte ich sowas nicht. Fand es aber trotzdem sehr interessant, hab es heimlich bei Freunden gemacht. Meine Mutter hat übrigens teilweise bei den anderen Müttern angerufen und klar gemacht, dass klein Fairas nicht Fernsehen oder Computerspielen darf.
    Also das war der erste Punkt, ein unbändiges Verlangen nach etwas scheinbar sehr Tollem. Mit 14 habe ich dann allerdings doch eine PC bekommen, mit 15 haben sich dann meine Eltern getrennt. Ab da gab es dann kein Halten mehr. Meine schulischen Leistungen gingen rapide nach unten, meine ab da alleinerziehende Mutter, war sehr mit meinem jüngeren Bruder uns seinem ADHS beschäftigt, außerdem folgte ein zehn Jahre lang andauernder Unterhaltsstreit gegen meinen Vater. Naja und ich hab halt gezockt. War grad das Alter als Party, Alkohol und Mädchen bei meinen Klassenkameraden losging, nur ich hab davon dann wenig mitbekommen.


    Allerdings habe ich es tatsächlich noch geschafft, Jugendarbeit zu machen. Das hat mir ziemlich Spaß bereitet und war wohl auch so ne Art zusätzliche Droge, ich war unter Menschen und weg von Zuhause. Allerdings habe ich auch das relativ "sachlich" über die Bühne gebracht und dort keine dauerhaften Freunde gefunden.


    Der endgültige "Zusammenbruch" war dann später, als ich mein Studium aufgegeben habe und inzwischen auch alleine gewohnt habe (im Grunde mein heutiger Zustand). Bis zu 16 Stunden vor dem Rechner sind da leider keine Seltenheit.


    -


    Black Mirror habe ich mal ein paar Folgen gesehen. Besonders heftig ist, dass China jetzt das Sozialkredit-System einführt. Also quasi aus Fantasie Realität macht. 1984 ist ein lahmer Witz dagegen.


    -


    Nochmal zur Freizeit: Die hohe Dichte sozialer Medien ist ein Problem. Zuwenig Freizeit sollte in einem reichen Land wie Deutschland eigentlich kein Problem sein. Da ist das Problem, dass es einen großen Niedriglohnsektor gibt, wo man dann tatsächlich keine Freizeit mehr hat, wenn man ohne staatliche Hilfen über die Runden kommen möchte (oder muss). Aber der normale Deutsche hat am Wochenende frei und sechs Wochen Urlaub im Jahr, das sollte man eigentlich einigermaßen geregelt bekommen. Das Problem hier sind dann eben Dinge wie Smartphone und Tablet. Man kann nicht entfliehen, hat sie bei der Arbeit dabei, in der Bahn, wenn man sich mit Freunden trifft und Abends im Bett.


    Achja und die schnelleren Ausbildungen (G8, Bachelor) machen gerade im Hinblick auf die immer höher werden Lebenserwartung auch überhaupt keinen Sinn, aber jetzt wirds hier zu politisch :cool:

  • Wenn ich das so lese, stellt sich mir die Frage, ob deine Computersucht nicht eher Symptom als Ursache deiner Probleme sein könnte.


    Da gehen ja mehrere Dinge miteinander einher. Teenager mit 14-15 ist ohnehin eine schwierige Phase. Der Körper verändert sich stark. Man leidet unter Akne. Ist unsicher. Die Sexualität entfaltet sich. Man weiß nicht recht mit seinen Gefühlen umzugehen usw. usf.. In deiner Phase ist dann noch das Elternhaus auseinandergerissen und (so liest es sich) dein Vater als Identifikationsvorbild weggebrochen. Deine Mutter hatte wenig Zeit für dich. Du warst auf dich selbst zurückgeworfen.


    Dann deine Freunde und Peergroup. Die verändern sich auch stark. Die Themen wechseln. Plötzlich spielen Alkohol, Zigaretten, Parties und Mädchen eine Rolle. Man muss „dazugehören“ um eingeladen und mitgenommen zu werden. Man muss Schüchternheit und soziale Ängste überwinden. Und man muss überhaupt die Erlaubnis der Eltern bekommen, auch abends mal länger weg sein zu dürfen. Man muss sich auch gegenüber den Eltern behaupten. All das ist sehr schwierig.


    Es gibt viele Teenager, die sich dann in die leichtere Welt der Computerspiele und Onlinebekanntschaften flüchten, wo vermeintliche soziale Erfolge leichter zu haben sind. Stichwort Eskapismus. Die Frage ist dann aber: Ist die Computersucht der Auslöser für die zunehmende soziale Isolierung oder lediglich die Folge aufgrund sozialer Phobien?


    Sich im Studium zu isolieren wäre da auch nicht untypisch. Das ist die zweite Phase, in der man intensiv Kontakt zu neuen Menschen schließt, sich im „erwachsen sein“ übt, Schüchternheit überwinden muss und oft auch neue sexuelle Erfahrungen macht. Nicht umsonst lernen viele Menschen ihren Lebenspartner während des Studiums kennen. Man muss in große Hörsäle. Vorträge vor Seminaren halten. Man versucht neue Leute auf Studentenparties kennenzulernen, sich in einer neuen Stadt einen neuen Bekanntenkreis aufzubauen usw..


    Alles sehr sehr schwierig, wenn man soziale Phobien, also im Grunde Angst vor Situationen mit anderen Menschen, hat. Oft ist es ja eine Angst davor, von anderen abgelehnt zu werden. Die sich dann zunächst in Schüchternheit usw. äußert, dann aber immer schlimmer und oft zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Die Flucht in die Welt der Spiele und des Internets liegt da dann durchaus nah. Wäre in einem solchen Fall aber eventuell gar nicht die Ursache der Probleme, sondern eher eine Folge der eigenen sozialen Ängste.


    Aber ich gehe mal davon aus, dass in einer Therapie definitiv solche Möglichkeiten untersucht und gegebenenfalls auch benannt werden. Hoffe ich zumindest.


    Will hier auch keine Ferndiagnose stellen. Schoss mir nur so durch den Kopf, als ich deinen Beitrag las. Ich erlebe das von mir Beschriebene immer wieder bei Schülern von mir im Alter von 13-16.

  • Will hier auch keine Ferndiagnose stellen. Schoss mir nur so durch den Kopf, als ich deinen Beitrag las. Ich erlebe das von mir Beschriebene immer wieder bei Schülern von mir im Alter von 13-16.

    Fairas ist 32 Jahre alt......


    Wurde ja schon öfters bemerkt und kann ich auch bestätigen: die größte Hilfe sind die Familie und gute Freunde. Freunde im Sinne von Freund und nicht Kumpel. Jemand, der zuhören kann und die Problematik auch versteht.
    Therapien sind immer nur ein ( erster ) Schritt, doch wie bereits angemerkt: ohne eigenen Willen ist es unmöglich, aus solch einer Spirale rauszukommen.
    Wünsche Dir viel Erfolg: Augen zu und durch; hilft ja nix.....

  • Ja. Dem kann ich zustimmen.


    Habe auch mal so eine Phase durchgemacht. Ging doch einige Jahre in denen ich mein Zimmer kaum verließ.


    Herausgeholfen haben mir am Ende alte Freunde und so merkwürdig es scheinen mag, das Pen and Paper Rollenspiel mit neuen und alten Freunden.



    Was ich damit sagen will.
    Such dir ne Gruppe ;)



    Auf jeden Fall.


    Willkommen zurück und alles Gute.

  • Das ihr alle solche Suchties seid, hätte ich nicht gedacht. Was ich nur empfehlen kann, meld dich in einem Fitnessstudio an, und parallel dazu in einem Sportverein an, also damit du in Berührung kommst mit anderen Menschen. Und wenn du eine Frau suchst, melde dich beim Yoga an oder besuch vergleichbare Kurse in einem Fitnessstudio. Der Sport selber wird dein Selbstbewusstsein stärken und ein bisschen Smalltalk mit dem Weibsvolk gibt es gratis dazu.

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