Nun, dass dir Oblivion gefällt zeigt, dass du dich an generischen, repetiven und leblosen Inhalten gefallen findest. Das allerdings trübt dein Urteilsvermögen.
Deine Ansprüche können also nicht besonders hoch sein, was vollkommen ok ist. Du darfst Fallout 3 gerne spielen und du darfst es gut finden. Nur zu behaupten Fallout 3 befände sich auf dem selben qualitativen Niveau wie Fallout 1 und 2, das ist etwas was nichtmehr durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist. Hier müsstest du entweder Argumente oder Belege vorweisen, nicht einfach nur ein "Das sehe ich anders.".
Ja, überall in der sehr begrenzten Spielwelt befinden sich Tonbänder, Terminals und weißgottwas. Und ja, ich spiele meist den Hacker und ich hab ja auch den Fallout 1 und 2 Kanon aufgesogen wie ein Schwamm... es liegt also auch nicht daran, dass mir etwas entgangen wäre. Es geht eher darum, was mir eben nicht entgangen ist.
Und das beginnt bei so Kleinigkeiten wie z.B. den herumliegenden Tonbändern und Terminals.
Eine Location an der sich solche Terminals finden lassen ist z.B. in der Nähe der Polizeistation, ein Flüchtlingscamp soweit ich weiß. Mehrere militärische Zelte, Terminals, etc. Den Aufzeichnungen auf diesen Terminals nach zu Urteilen stammt die Anlage von kurz nach dem Knall. 200 Jahre bevor der Spieler diesen Ort das erste mal betreten kann.
Stoffzelte. Terminals unter freiem Himmel. 200 Jahre alt.
Und die Terminals laufen noch. Lange bevor ich jetzt auf die Details eingehe müsste hier jedem der Hut hochgehen bei so einem haarsträubenden Unsinn.
Regen, natürlicher Zerfall, der EMP von der Bombardierung Washingtons... oder auch die Nuklearwaffen selbst. Weder die Zelte noch die Terminals hätten irgendeine Chance gehabt. Und doch sind sie voll funktionsfähig. Die Zelte halten sogar noch Kugeln ab.
Und das ist jetzt kein seltsamer Einzelfall. Das lässt sich nichtmal mit "Science!" erklären. Fallout hatte schon immer ein paar fantastische Elemente, und nicht alle davon wurden als glücklich empfunden. Die Aliens z.B. können kein würdiges Wiedersehen feiern, weil selbst die Originalentwickler sie für einen Fehler und unsinnig halten. Genauso New Reno und viele der Aspekte die ein "würdigese Wiedersehen" gefeiert haben.
Weiter gehts mit den Charakteren und DIalogen. Fallout 1 und 2 konnten sich nicht auf ein 3D-Model der Charaktere stützen und haben daher wesentlich mehr Zeit und Mühe investiert um sie textuelll entsprechend zu färben. Dies merkt man bereits an den Beschreibungstexten die einem geboten wurden wenn man etwas "betrachtet" hat. Es hat sich noch mehr in den weit verzweigten Dialogen gezeigt, welche viel Liebe zum Detail zeigten. Das hat die ersten beiden Teile ausgemacht. Es war nicht einfach nur eine Notwendigkeit, weil ihnen die grafischen Möglichkeiten fehlten. Gott bewahre, es gab schon anständige 3D Technologien vor 14 Jahren. Um genau zu sein sind "Egoshooter" älter als Spiele mit einer isometrischen Perspektive. Es war ein Stilmittel.
In Fallout 3 ist das alles auf das bitter nötigste reduziert. Hinweistexte gibt es nicht, man kann ja nun die Gegenstände "sehen".
Kurzer Exkurs dazu: Was ist lustiger / unterhaltsamer / besser:
1. Das Model eines toten Menschen zu sehen, wenn man mit dem Cursor darüber geht wird der Name "Ed" angezeigt.
2. "Du siehst: Ed. Ed ist tot." (You see: Ed. Ed is dead. - Pulp Fiction Referenz)
Natürlich ist das eine Frage des Geschmacks, die jeder für sich selbst beantworten muss. Fakt ist jedoch, dass einen Toten im Level zu platzieren und der Text ein vollkommen unterschiedliches Darstellungsniveau haben. Ich meine nicht die Qualität der grafischen Darstellung, ich meine welchen Effekt es hat. Letzteres bindet die eigene Fantasie mit ein, bietet einen Kontext. Ersteres ist einfach ein Toter.
2. Steht klar für Fallout, 1. kann alles sein.
Wenn man in F1/2 einen hohen Wissenschaftslevel hatte, dann kam man auch in Gesprächen manchmal an Optionen heran, die - sei es im Rahmen echter Wissenschaft oder eben "Sciene!" - eine gewisse Tiefe und Konsistenz hatten, so dass es glaubhaft war, dass man nicht einfach so auf soetwas kommt, sondern durchaus darauf skillen muss.
Z.b. in einem Dialog mit einem NPC zum Thema Laserwaffen und wieviel der Hauptcharakter davon versteht taucht ein kompletter Absatz über die Koherenzeigenschaften der Lichtstrahlen auf.
Bei Fallout 3 führt ein hoher Intelligenz- und Wissenschaftswert zu folgendem: "[WISSENSCHAFT] Ich sehe sie nutzen Standardversuchsverfahren." Und es reicht bereits um einen NPC von den fundierten wissenschaftlichen Kenntnissen des Spielers zu überzeugen. Und besser werden die Zusatzoptionen nicht, ist also auch nicht so, dass ich einfach nur das grottigste ausgesucht habe.
Die meisten Hintergrundinfos in Fallout 3 sind ebenso natürlich verteilt wie die Audiorekorder in Bioshock. Sie sind ein künstliches Storyelement das mehr schlecht als Recht getarnt ist. In Fallout 1/2 sind solche Dinge ein wenig seltener, weil der Fokus mehr auf einer glaubhaften und lebendigen Jetzt-Welt liegt. Fallout 3 hingegen versucht mit der rechten Hand krampfhaften und um jeden Preis ein Gefühl der Kontinuität zu erzeugen während die linke Hand ohne Unterlass dem Kanon widersprechende Elemente einbaut.
Anders gesagt, es wurden schlicht die falschen Kompromisse gemacht. Die alten Charaktere und Fraktionen wiederzuverwenden ist legitim, genauso ist es legitim das Setting einfach an die andere Küste zu verlagern. Nur beides gleichzeitig sorgt für hahnebüchenen Unsinn. Die Präsenz von BoS, Enklave, Deathclaws, Supermutanten am anderen Ende der Staaten bedürfen einer umfassenden Erklärung... welche ausbleibt. Die Mutanten sind anscheinend andere, weil offensichtlich in einem zivilen Bunker staatliche Experimente durchgeführt wurden welche denen in Mariprosa gleichen. Hmm. Die Deathclaws werden nicht erklärt, obwohl sie ein lokales Phänomen aus den ersten Teilen sind. Die Enklave ... nun, das ist das einzige was man in der Hauptstadt tatsächlich erwarten würde. Dass aber am Ende sogar Harold, der liebenswerte Ghoulmutant mit dem kleinen Bäumchen auf dem Kopf, quer durch die Staaten reist (und man bedenke, im mittleren Westen toben fürchterliche Stürme, Autos gibts nicht und besser sind die Lebensumstände im Osten auch nicht) um dann kurz vor Washington im wahrten Sinne des Wortes Wurzeln zu schlagen,... das zeigt einfach, dass es wirklich nur darum ging soviele Falloutelemente wie möglich auf den Spieler zu werfen, damit ihm auch ja nie entgeht wie das Spiel heißt. Was aber fehlt ist die wahre Kontinuität. Es wird nicht versucht die Hintergrundgeschichte entsprechend respektvoll zu beachten und daraus neue Szenarien zu entwickeln. Hier erkennt man klar und deutlich, dass das Ziel war alles an die Ostküste zu schaffen, komme was wolle.
Und das sind nur ein paar Beispiele. Ein letztes noch bevor ich diese Diskussion beende, da es offensichtlich ohnehin nicht um die Qualität, sondern nur die persönliche Meinung geht:
Fallout 1/2 boten dem Spieler insgesamt sehr viele Möglichkeiten sich zu entwickeln, jedoch nicht die Möglichkeit alles gleichzeitig zu sein. Superschlau, Supercharismatisch und Superstark, nein, das ging nicht. Genauso mit dem Skill system. Du musstest dich spezialisieren, oder dich mit sehr mageren allgemeinen Werten zufrieden geben. Selbst die aufgehobene Levellimitierung im zweiten Teil bot nicht die Möglichkeit in einer angemessenen Zeitspanne genug Erfahrung zu sammeln um alle Werte auf das maximum zu schrauben. Und Perks gabs maximal alle 3 Runden und waren entsprechend kostbar.
In Fallout 3 kannst du auch ohne Erweiterungspacks deinen Charakter auf maximale Werte bringen. Und perks gibts mit jedem level. also mindestens 20 Stück. Massenware.
Und das ist z.b. einfach nur billig und für etwas das sich "Rollenspiel" nennt vollkommen untragbar. Charakterentwicklung heißt nicht einfach nur, dass sich irgendwas entwickelt, sondern, dass die Fähigkeiten des Charakters deine Möglichkeiten bestimmen, also auch begrenzen. Die ist bei Fallout 3 nicht gegeben, weder im Skillsystem noch in den Dialogen. Du hast die Wahl der Waffen und du darfst dich langsam zum Meister in allem entwickeln. Aber Charakterentwicklung ist was anderes.
Ich weiß, gerade wenn man für etwas Geld bezahlt hat und irgendwie auch Spaß dran hatte, dann möchte man es auch verteidigen, es wegen seiner Schwächen in Schutz nehmen etc. Das sind vollkommen natürlich, aber eher unwillkürliche Reaktionen. Ich rate dir dich nochmal in Ruhe hinzusetzen, Fallout 1 oder 2 herauszunehmen, sie in Ruhe zu spielen, auf die Details in den Dialogen und Aufzeichnungen zu achten (allein der Vaultboy ), dir das Skillsystem genau anzuschauen. Versuch mal einen Alleskönner zu spielen. Oder schau was passiert, wenn du deinen Charakter besonders Intelligent aber schwach, oder besonders Stark aber total dumm (Yepp, es gibt extra gesprächsoptionen / verzweigungen für Intelligenz 1-3) machst. Schau mal, ob du die Diskrepanz ausgleichen kannst.
Dann mach das gleiche nochmal mit Fallout 3. Ignorier die 3D Grafik, und achte nur auf die Spielmechanik. Was passiert wann? Wie passiert es? Passiert es subtil oder springt es sofort ins Auge? Merke ich, welche Gefühle ein bestimmter Aspekt in mir auslösen soll? Sind die Charaktere glaubwürdig, undurchsichtig, oder benehmen sie sich überzogen, wirken überzeichnet?
Und ein ganz besonderes Schmankerl: Achte mal darauf, wie oft "Pipboy 3000" gesagt wird, statt z.B. einfach nur "Pipboy".
Mach das mal, nicht aus der Erinnerung, sondern probier es wirklich aus.
Nochmals, es geht mir nicht darum, dass es nicht Spaß machen kann oder dass es nicht erfolgreich ist, nur darum, dass es alles andere als ein würdiger Nachfolger ist.