Das Schweizer System unterscheidet sich tatsächlich sehr markant von jenem in Deutschland oder auch in den meisten anderen EU-Staaten.
Das Volk ist in der Schweiz der höchste Souverän. Allerdings äussert sich das anders als in Deutschland nicht "nur" in der sporadischen Wahl der Repräsentanten des Volkes (Landtags- und Bundestagswahlen).
Die Schweiz ist ein direktdemokratisches und – fast noch wichtiger – zutiefst föderalistisches Land. Was heisst das?: Die Schweiz ist im Prinzip von "unten nach oben" aufgebaut. Die "kleinste" demokratische Einheit ist der Gemeinde- oder Stadtrat. In vielen kleineren Gemeinden tagt zweimal im Jahr die Gemeindeversammlung, um über aktuelle Geschäfte der Gemeinde (Budget, Bauprojekte, Volksanliegen, etc.) abzustimmen. In grösseren Städten gibt es Stadtparlamente. Die Gemeinderäte oder Stadträte werden alle vier Jahre gewählt, genauso wie die Vertreter von wichtigen staatlichen Funktionen (Polizei, Geschäftsprüfungskommissionen, Schulräte, etc.).
Bereits die Gemeinden verfügen also über sehr grosse Autonomie was die Gestaltung des Wohn- und Lebensraumes ihrer Bürger angeht. So können sie ihre Steuersätze selber festlegen, über ihre Zonenordnungen bestimmen, etc. Bereits auf Gemeindeebene kommen zusätzlich die direktdemokratischen Mitspracherechte der Bevölkerung zum tragen. So können schon in diesen demokratischen "Kleinsteinheiten" Bürgerinitiativen, Bürgermotionen, etc. eingereicht werden, die – sofern sie Verfassungskonform sind und genügend Unterstützung erhalten – zu einer Volkswahl in der Gemeinde führen können. Wird eine Initiative angenommen ist sie verbindlich, das heisst sie muss von den Behörden umgesetzt werden.
Im Prinzip kann man das eben beschriebene System nun auf alle weiteren, übergeordneten Staatselemente in der Schweiz übertragen. Die Kantone (entspechen den deutschen Bundesländern) verfügen ebenfalls über eigene Regierungen, die vom Volk gewählt werden. Auch die Kantone sind sehr autonom. Sie verfügen über eigene Verfassungen, Richtpläne, etc. Das führt dazu, dass in der Schweiz Probleme, wie sie in zentralistisch organisierten Staaten vorkommen, praktisch unbekannt sind. Würde die Bundesregierung wegfallen, könnten sich die einzelnen Kantone im Prinzip selbstständig weiter verwalten – die dazu nötigen Infrastrukturen sind durchwegs vorhanden.
Das höchste politische Gremium ist schliesslich die eidgenössische Bundesversammlung. Sie besteht einerseits aus dem Nationalrat (gewählt alle vier Jahre => die Kantone sind mit Sitzen nach Einwohnerstärke darin vertreten). Daneben gibt es noch den Ständerat (Weniger Mitglieder). Der Ständerat ist – wie im Namen bereits klar wird – das Gremium, in dem die Stände, also die Kantone vertreten sind (einfach gesagt vertritt der Nationalrat das Volk und der Ständerat die Kantone). Der Ständerat erklärt sich aus der Schweizer Geschichte. Er wurde im Nachgang des Sonderbundskrieges 1847 ins Leben gerufen. Der Sonderbundskrieg war im Prinzip die Finale Konfrontation zwischen den bevölkerungsreichen, von Städten beeinflussten Kantonen des Mittellandes und den strukturschwächeren, eher ländlich geprägten Urkantonen. Im Ständerat spielt die Einwohnerzahl eines Kantons keine so grosse Rolle, wie im Nationalrat. So wird sicher gestellt, dass die kleineren, bevölkerungsärmeren Bergregionen ebenfalls Einfluss auf die Bundespolitik nehmen können.
Beide Räte haben das selbe Gewicht. Eine politische Vorlage muss also von beiden Räten abgesegnet werden, bevor sie in Kraft treten kann. Der aus sieben Mitgliedern bestehende Bundesrat bildet die eigentliche Regierung der Schweiz. Allerdings hat diese Regierung viel weniger Bestimmungsrechte, als bsp. die Deutsche Regierung. Eigentlich dürfen die Bundesräte keinen Mucks machen, ohne dass sie dafür vorher eine "Bewilligung" der Räte bekommen haben.
Das Schweizer Modell hat Vorteile und Nachteile:
Vorteile:
- die Bevölkerung kann durch die direktdemokratischen Elemente gezielt und direkt Einfluss auf die Politik nehmen.
- eine starke Machtkonzentration bei einer einzelnen Person oder einer einzelnen Partei ist unmöglich, weil sie früher oder später am System scheitert.
- Politiker und deren Entscheide können jederzeit "rückgängig" gemacht werden.
- das System führt dazu, dass politische Hau-Ruck-Entscheide (Schnellschüsse) unmöglich sind. Das System ist so weniger anfällig auf Fehler, weil Entscheide sehr lange und ausführlich diskutiert und debattiert werden.
- durch die direkte Demokratie sind überdurchschnittlich viele Bürger sehr politikkundige Leute und interessieren sich für die Belange des Landes.
Nachteile:
- schnelle Entscheidungen sind unmöglich (kann aber auch als Vorteil angesehen werden)
- Föderalismus kann dazu führen, dass es zu sich gegenseitig aufhebenden Entscheidungen kommt (Bund vs. Kantone) => Stillstand
- Steuerhoheit liegt bei den Kantonen => führt vereinzelt zu groteskem Steuerwettbewerb.
Ich für meinen Teil geniesse es, in diesem System daheim zu sein. Ich geniesse meine Mitspracherechte und die Art und Weise, wie die Demokratie hier gelebt wird.