Demokratie in Deutschland und seine Parteien

  • Das Problem ist nicht die Politik, das Problem sind die Talk-Shows und ihre Kultur sowie die Erwartungshaltung, die sie erzeugen. Sie dienen zu sehr der Selbstdarstellung und sind prinzipiell so angelegt, dass es möglichst großen Zoff und Zwist gibt. Das verführt nicht wenige Politiker zu unangemessener Selbstdarstellung und verfälscht den Blick auf die eigentliche Politik, die aus Kompromissen, Verhandlungen und gegenseitigen Übereinkünften besteht und bestehen muss. Während also die Talkshows die Gegensätze hervorheben, ist es eigentliche Aufgabe der Politik, die möglichen Gemeinsamkeiten auszuloten, um zu breit mitgetragenen Beschlüssen zu finden. So etwas findet notwendigerweise meist nicht unter öffentlichen Bedingungen statt. Schlussendlich fördern die Talkshows so eine falsche Erwartungshaltung der Bürger an die Politik und wirken zu recht als „Labershows“, weil der Bürger spürt, dass die eigentlichen politischen Positionen (notwendigerweise) ganz anders und hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden.


    Die klassische Form der Politik kennt unsere Generation ja übrigens kaum noch. Eben weil wir die Talkshow-Generation sind. Die klassische Politik unter Adenauer, Erhardt, Kiesinger, Brandt, Schmidt und Kohl, veränderte sich ca. ab der zweiten Amtshälfte Kohls zu einer TV-Republik. Vorher gab es zwar auch schon Polit-Talkshows, aber längst nicht in dem wöchentlichen Ausmaß, wie wir das heute kennen. Damals gab es mal ne Sendung im Wahlkampf. Das war dann deshalb auch spannend und interessant. Heute hat man gleich mehrere Sendungen pro Woche. Das nutzt sich dann irgendwann auch inhaltlich ab. Früher wurden politische Standpunkte meist über das geschriebene Wort (Zeitung) oder die politische Rede verbreitet, was sehr viel mehr Möglichkeiten bietet, die eigenen Standpunkte vernünftig zu vertreten.


    Wer ernsthaft an Politik interessiert ist, findet heute dazu aber auch mehr Möglichkeiten denn je. Ich empfehle die Bundestagsdebatten live Mitschnitte auf Phoenix oder die schriftlichen Redeprotokolle des Bundestages oder der Ministerien und Ämter. Außerdem große Tageszeitungen wie FAZ und SZ oder Wochenzeitungen wie die Zeit. Und ich empfehle auch bspw. mal die Redeprotokolle des Bundespräsidenten. Steinmeier hält oft wirklich großartige Reden, von denen die Öffentlichkeit leider kaum mediale Notiz nimmt.


    Die Politik ist besser als ihr Ruf. Deutlich besser. Aber die Talkshow-Medien und die Sensationsgier der Massen verzerren den Blick auf die wirkliche Politik leider sehr. Wer meint er könne sich via Twitter, Facebook, Bild und TV über Politik informieren, der hat eigentlich nicht verstanden, wie Politik richtig funktioniert. Denn alle diese Medien verkürzen das gesprochene oder geschriebene Wort extrem auf ein paar Kernsätze. Mit dieser Telegramm-Sprache kann man Politik aber nicht angemessen beschreiben, erklären und erläutern. Sie eignet sich lediglich für Schlagwörter, Werbung und Propaganda. Also vielleicht zur Beeinflussung, aber wenig zur Erläuterung und Überzeugung.

  • Mag sein, die Kompromisse und eigentliche Politik hat Strauß nichts desto trotz (vielleicht mehr als andere) im Hinterzimmer ausgehandelt. Geheime Treffen mit Helmut Schmidt, Erich Honecker, Reise nach Moskau usw. usf..
    Zudem wusste Strauß, dass er in Bayern unangreifbar war. Und die Bierzelte waren in der Regel Wahlkämpfe, da ging es natürlich auch damals schon kräftig zu Sache. Wahlkämpfe sind immer schlagwortartige Propaganda.

  • Der Grund warum die Volksparteien immer kleiner werden, immer mehr Menschen am Rand wählen: Sie fühlen sich von der Politik nicht mehr ernst genommen.


    Wenn ich deinen Beitrag richtig lese John, soll die Politik sich noch viel mehr vom Menschen abkoppeln? Raus aus Twitter, raus aus den Talkshows. Wer nicht FAZ liest hat nicht informiert zu sein.

    Die klassische Form der Politik kennt unsere Generation ja übrigens kaum noch.


    Der Kalte Krieg ist vorbei, wird sind jetzt im 21. Jahrhundert! Bis auf die Politik haben das auch alle verstanden, das ist es ja was ich bemängele.


    Wenn Rechtspopulisten die Sozialen Medien mit irren Parolen und Fake News erobern, dann sollte man den Quatsch nicht in Bierzelten und Talkshows nachplappern. Dann sollte man auch in die Sozialen Medien gehen und dem Paroli bieten.


    Wenn jemand Angst vor Flüchtlingen hat, dann kann ich als linker Bürger sagen: Nazi. Als Politiker der Mitte muss man da besonnener vorgehen. Man könnte fragen warum er Angst hat.


    Man sollte nicht noch seine Ängste verstärken oder sagen lies halt FAZ du Nazi.

  • Ich habe in einem Landesparlament, dem Bundestag und dem Europäischen Parlament gerarbeitet - aktuell arbeite ich in einer obersten Bundesbehörde. Die politische Entscheidungsfindung ist in der Regel ein vorgelagerter Prozess zu den öffentlichen Debatten in den Sitzungssälen. (Bundestag, Ausschuss, Fraktionssitzung) Die Komplexität der heutigen Welt erfordert m.E. auch ein solches Vorgehen in einer parlamentarischen Demokratie, um Entscheidungswege zu beschleunigen und zeitnah reagieren zu können. Wenn man das Europäische Parlament beispielhaft betrachtet, müssen Bewertungen vor offiziellen Entscheidungen zwingend durch wenige Spezialisten getroffen werden, sonst droht ein Impact für die gesamte Ablauforganisation. Durch Vertrauen in die Expertise des Spezialisten wird das Abstimmungsverhalten weit vorher bestimmt und beinah einzig dadurch.


    Nach außen fehlt natürlich die Transparenz resp. eine ehrliche Sicht auf die Willensprozesse durch politische Talkshows. Persönlich mache ich dafür nicht die Politik verantwortlich, sie nutzt nur geschickt die Lethargie der Programmentwicklung der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten. Mein Interesse ist meist schon vor den Talkshows gesättigt und Positionen der Kontrahenten hinlänglich bekannt. Wie bereits von mir geschrieben, neue Formate wären wünschenswert. Hierzu kann man gern britische oder skandinavische Shows analysieren. (z.B. stärkere Einbindung des Publikum, um eine echte Interaktion zwischen Vertreter und Volk zu gewährleisten/gern mehr Debatten mit maximal zwei/drei Gästen/vielfältigere Auswahl an Debattenteilnehmern/Reduzierung der Talkshow-Formate - Schwerpunkt setzen)

  • Ich glaube was geredet wird ist gar nicht so wichtig. Auf die Taten kommt es an. Einfach mal in den politischen Entscheidungen an den Interessen und Sorgen der Bürger orientieren und sie nicht als dummes Wahlvolk abstempeln.


    Wenn man so eine Umfrage sieht:


    https://de.statista.com/statis…ste-sorgen-der-deutschen/


    Was sind die größten Sorgen in Deutschland:


    Armut und soziale Ungleichheit 48%
    Arbeitslosigkeit 34%
    Gesundheitsversorgung 32%
    Verbrechen und Gewalt 26%
    ...


    Was macht man das dann als Politiker? Punkt 1+3 ignorieren. Punkt 2 Statistken fälschen und hoffen es merkt keiner. Punkt 4 mit Transitzentren, Kopftuchverboten und Gestapo-Gesetzen bekämpfen.


    In der Schule würde man dafür die Note 6 bekommen :thumbdown:

  • Fairas es vergeht kaum ein Post, ohne dass du Behauptungen aufstellst, die ich für schlicht falsch halte. Nenn mir mal bitte einen Politiker, der seine Wähler als „dummes Wahlvolk“ abgestempelt hat. Ich kenne keinen. Woher nimmst du also solche pauschalen Urteile?


    Und „Gestapo-Gesetze“... sollen wir jetzt auf solchem Stammtisch-Niveau diskutieren?

  • Die Behauptungen für falsch zu halten ist natürlich dein gutes Recht. Wie etwa die Arbeitslosenzahlen geschönt werden wurde bereits mehrfach ausführlich erläutert, auch von anderen Teilnehmern. Es gab auch Gegenmeinungen, mit entsprechenden Argumenten. Da kann sich jeder seine eigene Wahrheit selbst zusammenstellen.


    Auch über andere Punkte wurde im Forum bereits diskutiert, etwa die Zweiklassenmedizin oder den Pflegenotstand.


    Gestapo ist ein hartes Wort aber die Begrifflichkeit "härtestes Polizeigesetze seit 1945" ist nicht meine Erfindung, sondern eine Formulierung, die etwa auch der Focus in seine Überschrift packte:


    https://www.focus.de/politik/d…gt-gesetz_id_8712996.html


    Und du wirst natürlich kaum einen Politiker finden der den Bürger öffentlich als dummes Wahlvolk bezeichnet ;)

  • Also weil ein paar austicken, sollen die Gesetze für alle verschärft werden?


    Man könnte doch einfach mal die Stellen aufstocken oder die Ausrüstung verbessern.


    Die Polizei in Berlin verwendet 33 Jahre alte Fahrzeuge:


    https://www.bz-berlin.de/berli…u-32-jahre-alte-fahrzeuge


    Gut neuere Fahrzeuge helfen jetzt nicht bei der Bekämpfung krimineller Clans aber komische Gesetze wahrscheinlich auch nicht.


    Unsere Gesetze sind ganz solide. Nur Polizei, Justiz und Gerichte sind unterbesetzt, schlecht ausgestattet und mit sinnlosen Kleinigkeiten beschäftigt.


    -


    Gute Bildung, bezahlbarer Wohnraum, sichere Jobs, Legalisierung von Cannabis und ich bin mir sicher die Kriminalität geht zurück.

  • @ Fairas


    Im letzten Beitrag spricht sich John für eine allgemeine Veränderung der aktuellen Verhältnisse aus. Da verstehe ich deine Gegenfrage nicht, du stimmtst doch damit ein. Ich sehe ebenfalls die personelle als auch materielle Ausstattung der Landespolizei Berlin als großes Problem. Ein alter Klassenkamerad ist seit Jahr und Tag Kommissar bei der Bereitschaftspolizei Berlin - über 220 Überstunden, andauernde Verletzung des Arbeitzeitgesetzes, veraltete Technik, hochwertige Schutzkleidung nur privatfinanziert erhältlich, schlechter Ausbildungsstand neuer Anwärter und dafür bundesweit eine der schlechtesten Bezahlungen. Er hat dennoch seine Passion gefunden, aber wirklich verdächtig gute Jobs bieten deutlich attraktivere Rahmenbedingungen.

  • Ihr wollt wissen was Eure tollen Parteien mal anders machen könnten?


    Das hier z.B:


    https://www.tagesspiegel.de/po…ommerferien/22780270.html


    Tausende Lehrer mit befristete Arbeitsverträgen werden regelmäßig zu den Sommerferien entlassen (und danach wieder eingestellt) um Kosten zu sparen.


    :thumbdown:

  • Jup ist schon länger eine gängige Praxis in vielen Bundesländern, und nicht nur angesichts des Lehrermangels in vielen Bundesländern ein Armutszeugnis für unsere "Bildung ist das Wichtigste / unser Rohstoff" Politiker.
    Ich würde jedem Lehrer der jung und ledig ist und von dieser Praxis betroffen ist empfehlen in ein (angrenzendes) Bundesland abzuwandern wo es sowas nicht gibt. Aus Notwehr sozusagen.


    "Telling an atheist they're going to hell is as scary as a child telling an adult they're not getting any presents from Santa"

    -Ricky Gervais-


    "Arbeiten im Büro das ist wie Sex in der Ehe, am Anfang gibt man sich Mühe und hat Spaß und nach ein paar Jahren macht man immer das selbe und ist einfach nur froh wenn Feierabend ist"


    -Bernd Stromberg- :thumbsup:

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