Diesen Schlachtbericht habe ich ebenfalls vor einiger Zeit im Historik-Forum gepostet. Da sowas hier ja offenbar ebenfalls gerne gelesen wird, setze ich die Reihe der Schlachtberichte hiermit fort.
Die Schlacht von Poitiers 732: Grenzmarke islamischer Expansion in Gallien.
Ausgangslage: Der Islam auf dem Vormarsch
Im 8. Jahrhundert nach Christus hatte die militärische Expanison des Islam einen ersten Höhepunkt erreicht. Die Armeen des Kalifats setzten sich im Nahen Osten durch. Das ehemals mächtige Reich der Sassaniden zerbrach. Die Ghazi, Soldaten des Heiligen Krieges, begannen ihren Ansturm auf das Byzantinische Reich, das, geschwächt durch vorangehende Konflikte mit den Sassaniden und stets unter dem Eindruck permanenter Bürgerkriegsgefahr, ein Koloss auf tönernen Füssen war. In Nordafrika traten die tief vom Geist des Islam beseelten arabischen Heere einen ungebremsten Siegeszug an. 711 setzte der muslimische Heerführer Tariq nach Spanien über. In der Folge brachten die Muslime das Westgotische Reich zu Fall und dehnten die Grenzen des Kalifats schrittweise bis zu den Pyrenäen aus.
Das Kalifat in der Krise
Im zweiten Viertel des 8. Jahrhunderts verlor die Islamische Expansion aber plötzlich an Schwung. Das umaijadische Kalifat von Damaskus schlitterte in eine ernsthafte Krise. Vielleicht war das arabische Reich zu gross geworden; vielleicht stiessen die Eroberer nun aber auch an ihre Grenzen, weil ihnen die ungewohnten Klimabedingungen der Gebiete, in die sie einfielen, zu schaffen machten. Unabhängig von den Gründen kann aber aus heutiger Sicht gesagt werden, dass die letzte Phase des umaijadischen Dschihad (724 bis 743) weitgehend erfolglos blieb. Das allmählich wegen seiner eigenen Grösse labil werdende arabische Riesenreich musste immer grössere Ressourcen an Menschen und Gold aufwenden, um seine Expansion aufrecht erhalten zu können. Militärische Siege blieben aus, weil die hauptsächlich arabischen Kräfte, welche die Umaijadendynastie auf einem immer grösser werdenden Kriegsschauplatz einsetzen konnten, begrenzt waren. Darüber hinaus stiessen die Eindringlinge in verschiedenen neu eroberten Territorien auf verstärkten Widerstand und erlitten Niederlagen. In Gallien konnten die islamischen Krieger 725 Carcassonne und Nimes erobern. 732 wurden sie jedoch in Poitiers besiegt. Die Bedeutung dieser Schlacht ist nicht hoch genug einzuschätzen, auch wenn sie nicht zum sofortigen Rückzug der Araber aus Gallien führte.
Ansturm über die Pyrenäen
Im Jahre 731 befahl der muslimische Gouverneur von Cordoba eine Grossoffensive gegen Aquitanien. Ohne dass der überforderte Herzog Eudo von Aquitanien etwas dagegen unternehmen konnte, fielen grosse arabische Verbände über Pamplona und die westlichen Pyrenäen nach Aquitanien ein. Das erklärte Hauptanliegen dieser Armee war das Plündern. Im Falle einer erfolgreichen Kampagne wäre jedoch eine dauerhafte Besetzung Galliens nicht ausgeschlossen gewesen. Abd al-Rahman al-Ghafiqi, Gouverneur von Cordoba und Kommandeur des arabischen Heeres, setzte die Vororte von Bordeaux in Brand, vernichtete die aquitanische Armee Eudos unweit des Zusammenflusses der Dordogne und der Gironde und zog weiter nach Norden. Unterwegs plünderten seine Truppen – ganz im Stil der Ghazwa – Abteien und Klöster, in welchen damals die meisten Reichtümer konzentriert waren. Die Beutegier der Araber hatte jedoch Folgen: Die zahlreichen Plünderungen und die Fortschaffung der daraus resultierenden Beute verlangsamten den Vormarsch. Dies ermöglichte es Herzog Eudo, Karl Martell zu Hilfe zu rufen. Karl Martell (übersetzt „Der Hammer“) beherrschte seit 714 in Ermangelung eines Königs als Hausmeier die fränkischen Teilreiche. Er reagierte promt auf den Hilferuf, obwohl Herzog Eudo ihn in den Jahren zuvor teils erbittert bekämpft hatte.
Poitiers: „Wie eine Wand“
Mit einer starken Armee stellte sich der fränkische Feldherr dem Vorstoss der Muslime in der Nähe von Poitiers entgegen. In Martells Heer fanden sich nebst Franken auch Langobarden, Sachsen und Friesen. Es zählte rund 15000 Mann – darunter grosse Kontingente gepanzerter Infanterie und Kavallerie. Ein Umstand, der sich im Verlauf der Schlacht noch als verheerend für die Araber herausstellen würde. Die islamischen Eindringlinge kämpften in der ihnen vertrauten Art und Weise, mit der sie zuvor meist erfolgreich gewesen waren: Leichte Kavallerie und Berittene Bogenschützen, ergänzt durch verhältnismässig schwache Infanterieverbände. Das Heer von Abd al-Rahman zählte rund 20000 Mann, war also etwas grösser als das fränkische. Über den exakten Verlauf der Schlacht ist wenig bekannt. Sie zog sich über mehrere Tage hin. Die entscheidende Konfrontation fand am 25. Oktober 732 nach mehreren Vorgeplänkeln an den Vortagen statt. Den arabischen Kriegern gelang es nicht, die Verteidigungskraft des gut organisierten fränkischen Heeres zu brechen. Nähere Schilderungen zum Schlachtverlauf finden sich in der Mozarabischen Chronik: „Ähnlich einer Kaltfront bleiben die Leute aus dem Norden wie eine Wand dicht nebeneinander und zermetzeln die Araber mit ihren Schwertern“. Offensichtlich wichen die Franken unter dem Eindruck der anstürmenden Araber nicht zurück. Vielmehr schlossen sich die Infanteristen zu einer dichten Phalanx zusammen. Dies war für die Araber neu, waren sie es doch gewohnt, dass sie ihre Feinde in der Regel durch geschickte Angriffs- und Rückzugsmanöver aus den Stellungen locken und niedermachen konnten. „Die Leute aus Austrien sind zahlreicher und eifriger mit ihren Schwertern. Als sie den König finden, töten sie ihn“, heisst es weiter in den Mozarabischen Chroniken. Dieses Zitat beschreibt den Tod von Abd al-Rahman. Die Niedermachung des islamischen Kommandeurs war der eigentliche Wendepunkt in der Schlacht. In den arabischen Quellen wird die Niederlage der Muslime unter der Bezeichnung „Balat al-Shuhada“ (Strasse der Märtyrer) erwähnt; dies, weil in Poitiers so viele Muslime den Tod fanden. Nach den lateinischen Quellen wurde die arabische Armee am 25. Oktober allerdings nicht völlig vernichtet. Als die Franken am nächsten Tag den nur durch Einbruch der Dunkelheit unterbrochenen Kampf wieder aufnehmen wollten, stellten sie fest, dass die Zelte des arabischen Lagers leer waren. Die durch den Tod ihres Befehlshabers desorientierten Muslime hatten die Nacht zum Rückzug genutzt!
Die Folgen der Schlacht
Das arabische Heer löste sich nach der Schlacht von Poitiers nicht auf. Die Araber blieben in Septimanien und drangen sogar zwei Jahre später in das Rhonetal vor. Dies wirft ein interessantes Licht auf die Beziehungen zwischen den Franken und der Bevölkerung Südgalliens. Nachdem die Schwäche der Merowingerdynastie die Autonomiebestrebungen in vielen Teilen ihres Reiches begünstigt hatte, versuchte Karl Martell die Autorität wieder herzustellen. Da Karl 733 nach der Unterwerfung der Burgunder und der Eroberung von Lyon weiter nach Süden vorstossen wollte, ging Patricius Maurontus, der politische Führer der Provence, ein Bündnis mit den Muslimen ein. So waren bald islamische Truppen in Avignon und anderen Städten des unteren Rhonetals stationiert. Da sich die provenzalischen Aristokraten und die Stadtbevölkerung den Franken nicht unterwerfen wollten, wurde der Einmarsch Karl Martells 737 zur regelrechten Invasion. Das Bündnis zwischen Provenzalen und Arabern stellte für die Franken eine ernsthafte Gefahr dar. Nach der Übernahme Avignons, der Plünderung der Stadt und der Ermordung der vor Ort angetroffenen Muslime zog Martell weiter nach Narbonne, der Hauptstadt Septimaniens. Deren Belagerung blieb jedoch erfolglos, obwohl die vom Gouverneur von Cordoba geschickte Verstärkungsarmee zuvor von den Franken geschlagen worden war.
Die geschilderten Ereignisse zeigen, dass die Schlacht von Poitiers nicht in erster Linie zum Ende der muslimischen Gefahr, sondern vielmehr zur systematischen Intervention der Franken führte. Nur sie waren imstande, die Bedrohung durch die Araber abzuwenden, wobei diese offensichtlich von den Provenzalen nicht unbedingt als solche empfunden wurde. Die Wiederherstellung der fränkischen Autorität in allen Regionen Galliens bedeutete die Zerstörung der Lokalgewalten.
Quellen:
Al-Andalus von Pierre Guichard
Der Niedergang des islamischen Christentums unter dem Islam von Bat Ye'or
Die Kultur des Krieges von John Keegan