Sozialstaat Deutschland und seine Bürger

  • Wer (regelmäßig) mehr arbeitet als er bezahlt bekommt ist aber selber Schuld?


    Ich habe mir damals meine WOhnung neu eingerichtet, mit Geldern des Amtes.


    So einfach ist das nicht, ich hab das mal nach einem Umzug beantragt, haben die gesagt ich hätte das vor dem Umzug beantragen müssen. Klar hätte ich dann vielleicht irgendwie einklagen können, aber ganz ehrlich auf den Stress hatte ich kein Bock. Und das ist halt genau deren Masche.

  • Doch so einfach ist das. Deren Masche finde ich erstmal sehr weit her geholt. Das ist von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter unterschiedlich. Ich will die nun keineswegs in Schutz nehmen. Die meisten von denen sind wahrscheinlich so wie Du sie hier schilderst. Aber Maschen sind keine Gesetze und die Gesetze besagen, dass dir dieses Geld zusteht. Da steht der Ansprechpartner nicht drüber. Nur weil ich gesagt habe, dass ich das damals gemacht habe, bedeutet es nicht, dass es einfach war. Klar hatte ich auch meine Rennerei. Aber das ist nunmal so. Die bekommen auch die Anweisung zu sparen wo sie können, also auch an Dir. Diesen Stress musst Du dir dann halt antun. Im übrigen ist das gar kein Stress. Da es im Gesetz steht, kannst Du es einklagen. Für 10 Euro bekommste beim Gericht als HartzIV Empfänger einen Anwalt. Schon hast Du keinen Stress mehr sondern der Ansprechpartner im Jobcenter.

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    Solange du dich bemühst, andere zu beeindrucken, bist Du von dir selbst nicht überzeugt. Solange Du danach strebst, besser als andere zu sein, zweifelst Du an deinem eigenen Wert. Solange Du versuchst, dich größer zu machen, indem du andere kleiner machst, hegst Du Zweifel an deiner eigenen Größe. Wer in sich ruht, braucht niemandem etwas beweisen. Wer um seinen Wert weiß, braucht keine Bestätigung. Wer seine Größe kennt, lässt anderen die ihre.
    -Verfasser unbekannt

  • Das Gericht hat geurteilt:


    - Sanktionen über 30% verstoßen gegen das Grundgesetz
    - Tritt durch eine Sanktion eine "außergewöhnliche Härte" für den Betroffenen auf, darf die Sanktion nicht verhängt werden
    - die starre Sanktionsdauer von drei Monaten ist aufgehoben, wirkt der Betroffene wieder aktiv mit, muss die Sanktion nach spätestens einem Monat beendet werden
    - bis der Gesetzgeber eine neue Regelung verabschiedet hat, muss sich an diese Vorgaben gehalten werden


    Fazit: Sanktionen sind nicht komplett vom Tisch, dennoch ein Schritt in die richtige Richtung! :thumbup:

  • Das ist doch wieder nur sone hinhalte Aktion. Zu vorher hat sich doch so gut wie nichts geändert.
    Sanktionen gegen unsere Teilnehmer in der Maßnahme habe ich seit Jahren keine mehr mitbekommen die über 30% hinaus gehen.
    Das mit der außergewöhnlichen Härte war auch schon da (Sind ja schliesslich kein Assozialstaat, sondern das Gegenteil).
    Hatte ich hier in unserem Betrieb ebenfalls schon gehabt.
    Das mit der starren Sanktionsdauer könnte neu sein, aber ich glaube, wenn nach einem Monat jemand mit außergewöhnlicher Härte
    ankam trat wieder Punkt 2 in Kraft.


    Ich spreche hier wie gesagt aus meinen Erfahrungen auf meiner Arbeit. Jedenfalls hat sich das soweit echt gut gespiegelt mit dem
    scheinbar Neuen was hier vorerst entschieden wurde.

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    Solange du dich bemühst, andere zu beeindrucken, bist Du von dir selbst nicht überzeugt. Solange Du danach strebst, besser als andere zu sein, zweifelst Du an deinem eigenen Wert. Solange Du versuchst, dich größer zu machen, indem du andere kleiner machst, hegst Du Zweifel an deiner eigenen Größe. Wer in sich ruht, braucht niemandem etwas beweisen. Wer um seinen Wert weiß, braucht keine Bestätigung. Wer seine Größe kennt, lässt anderen die ihre.
    -Verfasser unbekannt

  • Ich kam damals von der Uni ins frisch ausgedachte Hartz4-System. Man war ganz zu Anfang noch freundlich, konstruktiv und hilfsbereit. Sieben Jahre später machte ich dann eine andere Erfahrung. Mein Bildungshintergrund wurde und ist heute mit Hinblick auf den Arbeitsmarkt komplett entwertet. Wenn man mehrere Jahre im (N)Irgendwo arbeitet, wars das eben. Damit bin ich kein Einzelfall, sondern nur einer von Legionen. Ich habe Leute auf der Arbeit erlebt, die ihren Job verloren haben und in Tränen ausbrachen. Nicht, weil der Job so toll ist, sondern wegen dem was folgt und den Vorerfahrungen auf den Ämtern.


    Mir hat man damals gesagt, ich solle mich doch beim Job Center bewerben, da hätte ich gute Karten mit meinem Hintergrund. Das habe ich aber abgelehnt. Mein Gegenüber meinte, es würde ja auch vom Sachbearbeiter abhängen, wie er seinen Job macht und auslegt. Ich hatte damals aber schon zu viel Hintergrundwissen über die Abläufe und den Druck innerhalb der Center. Zumal ich die Sanktionen, außer vielleicht in zu begründenden Ausnahmefällen, für einen falschen Ansatz halte. Es gibt in Skandinavien andere Formen, wesentlich konstruktiver, den Menschen Sicherheit und Unterstützung gebend, sie quasi in einer je spezifischen Krise flankierend und motivierend.


    Was das Urteil heute betrifft, wird die 30% Grenze wohl maßgeblich bleiben. Denn wieso sollten Gerichte bei Jugendlichen oder Nichtlangzeitarbeitslosen anders entscheiden, wenn bei den Langzeitarbeitslosen die 30% als Grenze der Minderung angesetzt wurden. Jeder kann sich wohl ausdenken, wie selbst 100 Euro weniger schmerzen. Ich hatte heute schlimmeres erwartet und bin froh, dass dieser Skandal nun auf der Bühne ist. Denn alle die dieses System verteidigt haben, haben das jenseits unserer Verfassung getan. Ich muss dabei auch an Inge Hannemann und Harald Thome denken, die diesen Kampf gegen Hartz4 mit hoher Intensität geführt haben.

  • Ja in der Praxis ist die "kleine" Sanktion von 10% die am häufigsten verhängte, die ist damit so gut wie gar nicht betroffen.


    Trotzdem halte ich das Urteil für ein Signal in die richtige Richtung oder hoffe zumindest es könnte das sein.


    Die Maßnahmen an sich bekommst du mit dem Grundgesetz vermutlich schwerer weg. Mit Lamas spazieren gehen, eine Murmelbahn basteln oder einfach nur rumzusitzen mag zwar langweilig oder sinnlos sein, verstößt halt aber nicht so direkt gegen die Menschenrechte. Wenn es danach geht, könnte man wahrscheinlich den schlechteren Teil der Schulen gleich mit dicht machen.


    Wichtiger Anhaltspunkt für die Richter war wohl, dass es keine wissenschaftlichen Beleg für die Wirkung von Sanktionen gibt. Hier könnte der Ansatz für die Maßnahmen sein, wissenschaftliche Belege für die Nicht-Wirkung der (meisten) Maßnahmen gibt es (siehe verlinkte Doku paar Beiträge weiter oben). Also zumindest der Vorstellung nach, Politik würde sich an wissenschaftlichen Grundsätzen orientieren (was natürlich völlige Utopie in Deutschland ist...) gäbe es die Chance für eine Abschaffung oder Verbesserung der Qualität von Maßnahmen.

  • Ist die Begründung schon öffentlich?


    Ich lese bislang überall nur die Agenturmeldung.


    Eine Besserung des Systems werden wir nur erleben, wenn es eine entsprechende progressive Regierung in Berlin gibt. Wenn die CDU mit den Grünen regieren wird das nichts, weil die Grünen ihren Schwerpunkt auf die Umweltpolitik setzen werden und eine progressive Sozialpolitik höchstens als Restgemenge die Verhandlungen überstehen wird. Und die GroKo haben wir ja erlebt, was die SPD da verspricht und umsetzt. Zumal die Sanktionen etwa von der Hälfte der Partei immer verteidigt wurden. Kühnert & Co machen heute nach einem Jahrzehnt der Austritte vielleicht noch ein Drittel der Mitglieder aus. Vielleicht entsteht am Ende ja noch eine progressive Koalition aus dem Nichts nachdem sich die Volksparteien gegenseitig kaputtregiert haben. Letzteres gibt ja zumindest den derzeitigen Trend.

  • Zitat von Joss

    Ich kam damals von der Uni ins frisch ausgedachte Hartz4-System. Man war ganz zu Anfang noch freundlich, konstruktiv und hilfsbereit. Sieben Jahre später machte ich dann eine andere Erfahrung. Mein Bildungshintergrund wurde und ist heute mit Hinblick auf den Arbeitsmarkt komplett entwertet. Wenn man mehrere Jahre im (N)Irgendwo arbeitet, wars das eben. Damit bin ich kein Einzelfall, sondern nur einer von Legionen. Ich habe Leute auf der Arbeit erlebt, die ihren Job verloren haben und in Tränen ausbrachen. Nicht, weil der Job so toll ist, sondern wegen dem was folgt und den Vorerfahrungen auf den Ämtern.

    Ein Leidensgenosse :) War nach meinem B.A (jaja, Haha, unfertiges Diplo alle Lachen :klopp: ) beim Arbeitsamt. Dort wurde ich zu einer Sachbearbeiterin gebracht, die angeblich auf "Akademiker spezialisiert war." Nach zwei Terminen erhielt ich die Aussage, dass mit meiner Kombi leider nichts zu machen sei. Glücklicherweise waren meine Frau und ich kurz vor dem Umzug, sodass sie mich schnell los war...


    Während des Studiums hab ich im Kino gearbeitet. Lange als Student und ziemlich exakt 11 Monate als Festangestellter. Einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte ich genau deshalb nicht. Wegen einem - pardon - verkackten Monat. Auf etwaige Hintergründe etc. wurde nicht eingegangen. Man empfahl mir dann HartzIV, was ich dankend ablehnte... Später beim Amt hätte man mich übrigens fast in die Gastronomie-Ecke einstufen wollen, weil ich über 12 Monate in diesem Bereich tätig war. Mit einem B.A. in Geschichte...


    Das System ist unflexibel und so schablonenhaft gehalten, dass sogar arbeitswillige Menschen irgendwie durchs Raster fallen können.

  • Ein Leidensgenosse :) War nach meinem B.A (jaja, Haha, unfertiges Diplo alle Lachen :klopp: ) beim Arbeitsamt. Dort wurde ich zu einer Sachbearbeiterin gebracht, die angeblich auf "Akademiker spezialisiert war." Nach zwei Terminen erhielt ich die Aussage, dass mit meiner Kombi leider nichts zu machen sei. Glücklicherweise waren meine Frau und ich kurz vor dem Umzug, sodass sie mich schnell los war...

    Fälle wie uns gibt es zigtausendfach, weil Akademiker in den weichen Geisteswissenschaften (Ausnahme teils Jura und BWL sowie das Lehramt) ganz andere Anläufe in den Arbeitsmarkt nehmen. Gewundene Berg- und Talfahrten, nicht selten sind Kontakte ausschlaggebend, die man aber erst einmal herstellen muss. Und was sagt das Amt dann zu unbezahlten Praktika, nö, wir bieten ihnen doch einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt an. Nicht anders wie in Ostdeutschland hat Hartz4 unzählige Berufsbiographien entwertet. In der Regel mit großem Leid für die Betroffenen. Eines, das null interessiert und in den Debatten unter der Stereotypenorgel kaputtgeschossen wird.


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    Ich war übrigens oben zu optimistisch. Urteil und Leitsätze sind bereits hier veröffentlicht.



    Anders liegt dies folglich, wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben, durch Aufnahme einer ihnen angebotenen zumutbaren Arbeit (§31Abs.1Satz1Nr.2SGBII) ihre menschenwürdige Existenz tatsächlich und unmittel-bar durch die Erzielung von Einkommen selbst zu sichern. Ihre Situation ist dann im Ausgangspunkt derjenigen vergleichbar, in der keine Bedürftigkeit vorliegt, weil Ein-kommen oder Vermögen aktuell verfügbar und zumutbar einsetzbar sind. Wird eine solche tatsächlich existenzsichernde und im Sinne des §10SGBII zumutbare Erwerbstätigkeit ohne wichtigen Grund im Sinne des §31 Abs.1 Satz2 SGBII willentlich verweigert, obwohl im Verfahren die Möglichkeit bestand, dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation vorzubringen, die einer Arbeitsaufnahme bei objektiver Betrachtung entgegenstehen könnten, ist daher ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen.

    Das bleibt eine weit geöffnete Tür für den vollständigen Entzug. Die FAZ hat auch schon allerliebst kommentiert, wie man das Urteil auslegen sollte. Wegen der Aufforderung zur Neuregelung bleibt nun aber zumindest eine Chance, wenn die nicht mehr in dieser Legislaturperiode beschlossen wird. Denn in der nächsten werden zumindest die Grünen mitbeschließen, was gegenüber der SPD schon ein Fortschritt ist. So liberal die Gründen auch geworden sind, ist ihr Menschenbild doch ein anderes.

  • Was ich hier, wie auch in einer ganzen Reihe von H4 Foren nicht nachvollziehen kann ist diese "Wir gegen Die" Mentalität.


    Ich war in Summe zwischen verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen (bzw. ein paar Monate nach Studium I und später II) jeweils arbeitslos - und das bei einem der schlimmsten Jobcenter die man sich nur "wünschen" kann - Marzahn-Hellersdorf in Berlin.


    Natürlich waren meine Erfahrungen nicht alle gut aber insgesamt kann ich mich der stillen Wut hier im Tread überhaupt nicht anschließen. Daher möchte ich skizzieren wie ich mit meinen H4 Zeiten umgegangen bin - im übrigen bei einem der "schlimmsten" Jobcenter der Republik, Marzahn-Hellersdorf:
    - Die Mitarbeiter des Jobcenters sind häufig ebenso in einer Wagenburgmentalität gefangen ("Wir gegen Die"). Wenn man mit der Faust in der Tasche und der Drohung auf den Lippen hingeht erreicht man nichts. Freundlichkeit, Pünktlichkeit und:
    - Initative. Ich habe mir vom Arbeitsamt in schlechten Zeiten Lehrgänge im Gesamtwert von mehreren x0.000 Euro finanzieren lassen, wieviel weiss ich selbst nicht genau. Weil ich jedes mal mit einem klaren Wunsch "der Lehrgang/ die Weiterbildung/ das Seminar" hingegangen bin, zusammen mit einer Jobmarktübersicht, also was damit nach dem Lehrgang möglich ist. Wenn man sich nicht bewegt darf man irgendwann im Akkord Bewerbungen schreiben, klar. Aber den Jobcentermitarbeitern ist letztlich egal ob sie einen H4ler für 6 Monate für 8.000 Euro in ein "Bewerberkamp" schicken, oder für 14.000 Euro für 3 Monate auf eine sinnvolle Weiterbildung. Am besten sind die Chancen immer Anfang/Mitte des Jahres, wenn es neue Töpfe gibt aus dennen das Geld fließt.
    - Kein Mitarbeiter eines Jobcenters sieht sich selbst als böse, überheblich etc. Wenn man aber mit "seinem" Mitarbeiter nicht zurecht kommt kann man (höfflich; "Ich glaube wir werden keine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung aufbauen können, ich möchte sie bitten ...") darum ersuchen den Ansprechpartner zu wechseln, das klappt im Normalfall problemlos.
    - Wenn man immer pünktlich, freundlich, sauber und motiviert ist sticht man aus der breiten Masse sofort heraus. Genau wie im restlichen Leben ist es wichtig das sich die für einen wichtigen Personen sich "meinen" Namen merken - und zwar immer positiv besetzt.
    - Immer Fragen mitbringen, "Wie beantrage ich X", "gibt es eine Möglichkeit Y". Wer fragt bleibt, das gilt nicht nur für die Schule/Uni, sondern gibt einem in solchen Terminen die Möglichkeit im besten Fall was für sich rauszuschlagen und sich gut zu verkaufen, im schlimmsten Fall die Zeit bis zum nächsten Kunden zu überbrücken.
    - Sich nicht einladen lassen sondern aktiv Termine erfagen (und Fragen oder Wünsche mitbringen). Am besten gleich beim aktuellen Termin, Sprechzeiten erfragen, spontan zu den Sprechzeiten gehen.
    - Akzeptieren das Jobcentermitarbeiter auch Zwängen ausgesetzt sind bzw. sie einen schlechten Tag haben können, es gibt viele schwierige Kunden und man weiss nie wer vorher einen Termin hatte.
    - Sich selbst informieren! Wenn man Glück hat weiss der/die Jobcentermitarbeiter/in was es für Förderungen gibt, besser man schaut selbst! Umzüge, Zweitwohnungen, Eingliederungsgeld, Wohnungsausstattung, alles drin.


    Und noch ein Punkt der nicht direkt das Jobcenter betrifft, bei dem ich aber die Augenbrauen hochziehen musste.
    Ja, ich hab auch ein paar Uniabschlüsse. Mitlerweile sind sie in ihrem jetzigen Feld sicher nicht mehr besonders viel wert. Würde ich mich jetzt als Volkswirt bewerben, sähen meine Jobaussichten mit einem Abschluss den ich vor 10 Jahren gemacht habe nicht gut aus. Aber ich habe mich den Realitäten am Arbeitsmarkt angepasst und arbeite schon lange am bzw. im IT-Berreich in verschiedenen Positionen, administrativ, als Entwickler, in letzter Zeit immer mehr als Vorgesetzter.
    Ein Abschluss gibt einem einen Befähigungsnachweis, keinen Zugehörigkeitsschein zu einer gehobenen Klasse.


    Ich arbeite IMO bei einer (recht großen) IT-Firma die auch Quereinsteigern gute Chancen gibt wenn klar wird das diese unbedingt wollen, Weiterbildung und genug Zeit zum Lernen inklusive: 1/3 der Stellen unbesetzt. Gegenwärtig bin ich in einem IT-Projekt bei einem Kunden der den postalischen Firstlevelsupport für ein großes Unternehmen macht - KEIN Callcenter, kein telefonieren, nur Schriftverkehr. Moderne Büros (maximal 4 Personen in einem großen Raum), höhenverstellbare Tische, modern(ste) IT, freie Getränke, flexible Arbeitszeiten. Knapp 50% unterbesetzt.
    Das ist nur ein kleiner Ausschnitt, mir fallen auf einen Schlag ein Dutzend Unternehmen ein die dringend Leute in verschiedensten Positionen brauchen.
    Es ist ein Trauerspiel.
    In diesem Licht wirken viele der Sprüche die ich ich von Arbeitslosen höre für mich scheinheilig, oft wollen sie sich einfach nicht verändern (keine Lehrgänge, kein Umzug, nicht zu früh aufstehen etc.) - und da ist das Fördern und Fordern das einzig richtige, Sanktionen inklusive.


    Beste Grüße


    TauPandur

  • Erfahrungen sind unterschiedlich.


    Ich würde nicht gar so schnell auf so etwas wie Scheinheiligkeit schließen. Ich habe z.B. auch konkrete fachspezifische Weiterbildungen angefragt, konkrete Kursangebote aus den vom Amt akzeptierten Börsen und sie nicht bekommen. Das hat eben durchaus etwas mit dem Studienfach, Alter, aktuellem Budget der Behörde zu tun. Und natürlich machen die Kosten einen Unterschied. Du unterstellst hier vorschnell, das würde quasi alles gleichviel kosten. Was aber nicht der Fall ist. Ein Platz im Bootcamp kostet vielleicht 1000-2000 Euro, keine 8000 Euro. Darum gibt es die ja auch überall und darum bekommt man sie auch als Akademiker verpasst. Es gibt hunderte im Netz nachlesbare Fälle von Leuten, die eine bildungsrelevante Weiterbildung nicht bekamen, dafür aber einen Platz im Boot Camp.


    Wenn Unternehmen keine Leute finden, dann hängt das in der Regel mit den Arbeitsbedingungen und Löhnen zusammen. So z.B. mein Arbeitgeber. Da arbeitet man derzeit mit halbierter Belegschaft, weil man den Leuten im umkämpften Rhein-Main-Gebiet kein besseres Angebot machen möchte. Da wird also eher mit der Gesundheit der Belegschaft gespielt als die Löhne an den Markt anzupassen.


    Mitarbeiter im Job Center wie auf dem Amt habe ich völlig unterschiedliche erlebt. Gewiss sind die Zwängen ausgesetzt, aber sie haben sich ja auch dafür entschieden und sind demnach gewillt z.B. sowas wie eine 100% Sanktion zu vollstrecken. Was für mich ein Grund war, so eine Tätigkeit nicht auszuüben. Wie nun auch der letzte wissen sollte, wurde hier über ein Jahrzehnt hinweg das Grundgesetz ignoriert. Hier wird durchaus, wie in allen Jobmilieus, auch eine bestimmte Klientel adressiert. Daher braucht man sich, ähnlich wie über Rechtsextreme bei Polizei und Bundeswehr, auch nicht wundern, wenn man der dann desöfteren auch als Sachbearbeiter begegnet.


    Schließlich unterstellst du auch mal eben, deine bzw. einige Mitforisten in diesem Thread wären anpassungunwillig. Solche Aussagen sind doch gewagt, wenn man deren Berufsbiographien gar nicht en Detail kennt. Völlig unabhängig von Anpassungsbereitschaft und sonstigen Sekundärtugenden geht es hier jedoch in meinen Augen um eine systemische Kritik, die lediglich hier und dort noch biographisch unterfüttert wurde. Hartz4 ist das Komplementärstück zum europaweit größten Niedriglohnsektor. Hier Zwang in schlechte Arbeit, dort die darauf abgestimmten Angebote schlechter Arbeit. Für dich mündet das in eine Aufforderung zur Anpassung, für andere eben in Widerstand und Alternativen. Ein gutes Buch zum Thema ist übrigens, vielleicht kennst du es bereits, "Die Abstiegsgesellschaft" von Oliver Nachtwey.

  • und da ist das Fördern und Fordern das einzig richtige, Sanktionen inklusive


    Da fehlt dann aber der Teil mit dem Fördern, du beschreibst es selber: Nur wer sich selber engagiert, wer nachfragt was es gibt, wer beantragt was er will, kann was erreichen. Förden wäre wenn der "schlechteste" Arbeitslose die besten Angebote bekommt. Weil er hat sie am dringendsten nötig. Jemand der super motiviert und gut informiert ist, kommt im Zweifel auch komplett ohne fremde Hilfe klar und schafft es aus eigener Hand wieder auf den ersten Arbeitsmarkt.


    nur Schriftverkehr


    Zugegeben etwas Off Topic, aber rein aus Interesse: Was ist daran jetzt modern? Der Rest der Stellenbeschreibung liest sich tatsächlich modern, aber der Teil mit dem Schriftverkehr hat mich stutzig gemacht.

  • Wenn Unternehmen keine Leute finden, dann hängt das in der Regel mit den Arbeitsbedingungen und Löhnen zusammen.

    Das ist zumindest in Deutschland das Hauptproblem am Fachkräftemangel. Das beste Beispiel ist doch der bundesweite Mangel an Grundschullehrkräften und der Überhang an Gymnasiallehrern. Würde man beide Berufsgruppen in die selbe Besoldungsstufe eingliedern, wäre der Lehrermangel in Deutschland von einem Tag auf den Anderen ohne große Mühen behoben.



    Völlig unabhängig von Anpassungsbereitschaft und sonstigen Sekundärtugenden geht es hier jedoch in meinen Augen um eine systemische Kritik, die lediglich hier und dort noch biographisch unterfüttert wurde. Hartz4 ist das Komplementärstück zum europaweit größten Niedriglohnsektor. Hier Zwang in schlechte Arbeit, dort die darauf abgestimmten Angebote schlechter Arbeit. Für dich mündet das in eine Aufforderung zur Anpassung, für andere eben in Widerstand und Alternativen.

    Vor allem finde ich es grotesk, dass gerade der Staat in den letzten Jahren immer weitere Anpassungen seiner Bürger am Arbeitsmarkt fordert, obwohl er selbst solche seit Jahrzehnten (!) verweigert. Von mir verlangte man alle 6 Monate umzuziehen und da kann ich jeden verstehen der sagt, sowas mache ich nicht mit.

  • Zugegeben etwas Off Topic, aber rein aus Interesse: Was ist daran jetzt modern? Der Rest der Stellenbeschreibung liest sich tatsächlich modern, aber der Teil mit dem Schriftverkehr hat mich stutzig gemacht.

    Viele Menschen hatten schon "das Vergnügen", in CallCentern zu arbeiten und wollen das auf keinen Fall wieder. Sicher ist auch mal ein böser Brief/eine böse Email dabei, das hat aber ein anderes Gewicht als sich im "Beschwerdemanagement", in einem CallCenter im Akkord anschreien zu lassen. Es ist also eher ein Bonus wenn man nicht telefonieren muss, zumindst wäre es das für mich.



    Da fehlt dann aber der Teil mit dem Fördern, du beschreibst es selber: Nur wer sich selber engagiert, wer nachfragt was es gibt, wer beantragt was er will, kann was erreichen. Förden wäre wenn der "schlechteste" Arbeitslose die besten Angebote bekommt. Weil er hat sie am dringendsten nötig. Jemand der super motiviert und gut informiert ist, kommt im Zweifel auch komplett ohne fremde Hilfe klar und schafft es aus eigener Hand wieder auf den ersten Arbeitsmarkt.

    Sachbearbeiter beim Amt haben je nach Abteilung zwischen 20 und 35 Fälle pro Woche zu einzuladen/bearbeiten und müssen "Quote" bringen. Es ist für diese genauso wenig möglich einem Arbeitslosen in den Kopf zu schauen, wie jedem anderen Menschen auch. Also wird die Schulung zugewiesen mit der man "nichts falsch macht".
    Wenn du schreibst das der "schlechteste" Arbeitslose die besten Angebote bekommt? Wo ist das den fair dem "besten" Arbeitslosen gegenüber? Sollen leistungsbereite Arbeitslose also keine Förderung bekommen während Arbeitslose die eigentlich nicht arbeiten wollen grundsätzlich die größte Förderung bekommen? Wie stellst du dir das vor?


    Arbeitslos zu sein ist genauso ein Job wie jeder andere auch, so hab ich es zumindest immer gesehen. Es ist kein unentrinnbarer Zustand. Wenn man 1-2 mal im Monat eingeladen wird, dann ist es meine Pflicht hinzugehen und tut es den wirklich weh von den noch vorhandenen 28 Tagen die ich zuhause sitze mal 1-2 Tage zu opfern um den Weiterbildungskatalog nach brauchbaren Schulungen zu durchsuchen? Sich mal Gedanken zu machen wie es weiter gehen soll?
    Selbst wenn ein Arbeitsloser das selbst nicht realisieren kann, solange die Mitarbeiter dort merken das er/sie alleine nicht auf die Füße kommt, gibt es z.B. die Möglichkeit des Einzelcoachings, also keine große Gruppe die im Akkord sinnlose Bewerbungen schreibt sondern eine Person die sich um die andere kümmert. Übrigens nicht billig für die Ämter (32 Arbeitsstunden kosten das Amt da zwischen 1.300 und 1.700 Euro). Funktioniert aber.


    Hier spielt auch wieder die Freundlichkeit, Zuverlässigkeit und Motivation mit rein. Bei einer Überweisung an ein "Boot-Camp", wie Joss es formulierte, macht ein AA Mitarbeiter nichts falsch. Aber für einen Lehrgang der z.B. 20.000 Euro kostet und in die Binsen geht weil der Arbeitslose nicht das macht was er oder sie versprochen hat muss sich der AA Mitarbeiter rechtfertigen - da auch viele AAMs befristet sind, kann das über DEREN Job entscheiden. Hand hoch, wer legt gern sein eigenes Schicksal in die Hände eines Anderen?
    Was da vor allem zählt ist den AAM davon zu überzeugen das er/sie es auf keinen Fall bereuen wird das man den teuren Kurs bekommt. Im Gegenteil, man verschwindet wieder sehr schnell in einen guten Job und der AAM hat einen Fall erfolgreich und nachhaltig gelöst - gut für seine Statistik.



    Du unterstellst hier vorschnell[...]

    Schließlich unterstellst du auch mal eben,[...]

    Warum unterstellst du mir das ich irgendwem hier etwas unterstelle? Den einzigen Bezug den ich auf eine direkte Aussage eines Mitforisten herstelle ist die Behandlung als "Akademiker", bzw. das fehlen dieser. Der Standesdünkel von Leuten die studiert haben geht mir allerdings schon seit jeher auf die Nerven, hier ist er mir nur vor die Füße gefallen.



    Das ist zumindest in Deutschland das Hauptproblem am Fachkräftemangel. Das beste Beispiel ist doch der bundesweite Mangel an Grundschullehrkräften und der Überhang an Gymnasiallehrern. Würde man beide Berufsgruppen in die selbe Besoldungsstufe eingliedern, wäre der Lehrermangel in Deutschland von einem Tag auf den Anderen ohne große Mühen behoben.

    Oder man senkt die Anforderungen für Grundschullehrkräfte. Um einem Viertklässler die Grundrechenarten bis 100 beigebracht zu haben, braucht man kein Mathestudium auf Lehramt. Vielleicht würde da auch ein B.A. in Pädagogik reichen?


    Bzgl. der Anpassungswilligkeit Joss; ich habe, auch unter "jungen Akademikern" der Geisteswissenschaften immer wieder dafür geworben "Wenns in Geschichte/Germanistik/Politikwissenschaften nicht so läuft, hey, wenn du bereit bist programmieren zu lernen, ich kenne 2-3 Firmen die wirklich gut sind und die Trainee- und Juniorstellen haben (Brutto Start bei 2500-3000, wird ziemlich schnell deutlich mehr wenn man für die Firma nützlich wird), du hast einen Uniabschluss, gut, bewirb dich da und los gehts.", bis auf ein einziges Mal wurde da immer abgewunken. Lieber rettet man sich von befristeter Stelle zu Gelegenheitsjob zu befristeter Stelle. Bloss nicht irgendwas mit Mathe, Informatik oder Technik, könnte ja Mühe machen.
    Dann brauch sich aber auch niemand aufregen das mit dem Diplom in vergleichenden Literaturwissenschaften kein Geld zu machen ist.


    Immer wenn ich zu einem Termin bei einem "Berater" geladen wurde, bin ich früher hingegangen, einfach um immer pünktlich zu sein, so saß ich da oft 15 bis 30 Minuten rum, aber es war nicht sinnlos. Dauernd kammen irgendwelche Mitarbeiter des Jobcenters raus, "Herr XY?", "Frau ZA?"; Auf Nachfrage wurde mir gesagt das 1/3 der angeschriebenen Personen nicht zu Terminen erscheinen!
    Ist es zuviel verlangt da hinzugehen? Bei mir hält sich das Mitleid der Leistungskürzung bei solchen Arbeitslosen in argen Grenzen. Ich muss ca. 23 Mal im Monat 6 Uhr aufstehen. Da kann ich es doch erwarten das es möglich ist das 1 Termin im Monat ab 8 Uhr mal eingehalten wird.


    Beste Grüße


    TauPandur

  • . Dauernd kammen irgendwelche Mitarbeiter des Jobcenters raus, "Herr XY?", "Frau ZA?"; Auf Nachfrage wurde mir gesagt das 1/3 der angeschriebenen Personen nicht zu Terminen erscheinen!Ist es zuviel verlangt da hinzugehen? Bei mir hält sich das Mitleid der Leistungskürzung bei solchen Arbeitslosen in argen Grenzen. Ich muss ca. 23 Mal im Monat 6 Uhr aufstehen. Da kann ich es doch erwarten das es möglich ist das 1 Termin im Monat ab 8 Uhr mal eingehalten wird.


    Beste Grüße


    TauPandur

    Das unterschreibe ich Dir, wenn Du möchtest sogar mehrmals. Genau das war es was auch ich kennengelernt habe, seinerzeit als ich Arbeitsuchend war. Ich habe es ebenfalls so gemacht wie Du und bin immer zu früh vor Ort gewesen. Habe mich damals laut meinem Ansprechpartner sehr abgehoben von den restlichen Leuten. Gemocht hat er mich deshalb dennoch nicht wirklich. Aber das ist ein anderes Kapitel... ich sage mal wir hatten damals nicht den allerbesten Start. Fakt ist, dass man zu erscheinen hat, wenn ein Termin angesetzt ist. Wer diesen nicht wahrnimmt, sollte einen Grund haben. Verpennen gilt dabei nicht als Begründung. Als Arbeitnehmer steht man schliesslich auch auf und kommt pünktlich zur Arbeit. Das Argument: Selbst schuld wenn Du das für das bissi Geld machst zählt hier nicht.

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    Solange du dich bemühst, andere zu beeindrucken, bist Du von dir selbst nicht überzeugt. Solange Du danach strebst, besser als andere zu sein, zweifelst Du an deinem eigenen Wert. Solange Du versuchst, dich größer zu machen, indem du andere kleiner machst, hegst Du Zweifel an deiner eigenen Größe. Wer in sich ruht, braucht niemandem etwas beweisen. Wer um seinen Wert weiß, braucht keine Bestätigung. Wer seine Größe kennt, lässt anderen die ihre.
    -Verfasser unbekannt

  • @TauPandur Das habe ich geschrieben, weil der Zusammenhang sich aufdrängte. Mit dem Standesdünkel machst Du doch nur weiter. Dass man sein erworbenes Wissen auch in Berufspraxis umsetzen möchte und es verteidigt, ist kein Dünkel, sondern das was wohl jeder hier anstrebt. Dünkel wäre eine unterstellte Vorzugsbehandlung. Hier geht es aber um eine systemische Entwertung jedweden Wissens, auch dass des Klempners. Wo wäre da also der Hochmut? Der Klempner will auch klempnern und keine Statistiken auswerten wie der Soziologe. Vielleicht hast Du andere Beispiele vor Augen, kann sein. Ich finde es eher engstirnig, den Menschen vorzuwerfen, dass sie ihr Wissen auch in der Praxis umsetzen wollen. Systemisch ist dieser Druck zum konformistischen Charakter natürlich ein erwünschter Nebeneffekt von Hartz4. Das reicht von der Jobsuche bis zum Hausbesuch. Mit ein Grund, warum die Menschen heute so neid- und hasszerfressen sind und keiner mehr dem anderen etwas gönnt. Du machst Dich zur Messlatte für Andere, anstatt die Differenzen in den Lebenswegen und -wünschen als solche anzuerkennen und zu unterstützen. Dein "Ich muss..." (doch auch) spricht das offen aus. Ich halte Empowerment für den zielführenderen Weg.


    Ich hätte bei Deinem Jobangebot übrigens auch abgewunken. Ich habe ein Helfersyndrom und muss das im Beruf oder Job ausleben. Darum habe ich nach der Uni versucht in die Sozialarbeit hineinzukommen. Ich habe in den letzten 20 Jahren sieben nah am Studium gearbeitet sowie einige Jahre während dem Studium an der Universität und angegliederten Instituten. Wenn es nach Deinem Zwang zur Anpassung gegangen wäre, hätte ich diese Stelle nach dem Studium nicht ausgeübt. Denn nur weil Hartz4 seinerzeit noch frisch und flexibel, kein Gehäuse stahlharter Hörigkeit war, konnte ich mir trotz Arbeitslosigkeit diese Gelegenheit schaffen. Meine damalige Betreuerin war übrigens nicht lange beim Job Center. Das wundert mich auch nicht, denn die verfolgte eine andere Agenda als die der Agenda 2010. Heute arbeite in einem Kompromissjob mit dem ich gut leben kann. Anders als Du setze ich mich aber dafür ein, dass über Hartz4 weder sanktioniert wird noch die Leute in schlechte Arbeit genötigt werden. Das ergibt mich sich für mich schon allein aus dem Wissen, welche Folgen das System für Menschen hat, denen ihr Wissen entwertet wird und die im Niedriglohnsektor verhaftet bleiben. Das ist ja eine Rolltreppe nach unten (Abstiegsgesellschaft). Erst wird es immer schwerer überhaupt Schritt zu halten, dann geht es trotz gleichem Tempo immer weiter nach unten. Darum ist der Kampf für einen Mindestlohn von 12 Euro das passende Gegenstück zur Reform der Agenturen und ihres Zwangssystems.


    Deine Erfahrungen auf dem Job Center kann ich übrigens nicht bestätigen. Ich habe während meiner Wartezeiten keinen einen Fall erlebt, wo jemand aufgerufen oder gesucht wurde. Warum die Leute nicht zu Terminen erscheinen, kann wiederum viele Ursachen haben. Richtig wäre es, wenn man auf dem Arbeitsamt konstruktiv und auf Augenhöhe mit den Menschen zusammenarbeiten würde. Die statistische Arbeitslosigkeit wäre dann auch nicht höher oder niedriger, aber es gäbe keine Fakestatistiken und weniger Folgeschäden. Und dabei wird es gewiss auch Fälle geben, wo man noch einmal neu anfängt. Aber genau das braucht, damit es gelingt, eben Unterstützung und keinen Zwang.

  • Arbeitslos zu sein ist genauso ein Job wie jeder andere auch


    Sorry, ich glaube da haben wir völlig unterschiedliche Weltanschauungen und werden nicht zusammen kommen.


    Wäre es ein Job müsste man Mindestlohn bekommen, das alleine reicht mir als Ausschlusskriterium und es gibt noch viele weitere.



    Um einem Viertklässler die Grundrechenarten bis 100 beigebracht zu haben, braucht man kein Mathestudium auf Lehramt. Vielleicht würde da auch ein B.A. in Pädagogik reichen?


    Danke unserem glorreichen Bildungssystem beherrschen selbst viele Erwachsene die Grundrechenarten nicht. Und das schließt Leute mit Abi und Studium ausdrücklich ein, habe ich selbst so erlebt. Also ohne fachliche Qualifikation Lehrer werden ist eher nicht realistisch.

  • Wenn man Arbeitslosigkeit als einen Job bezeichnet, blendet man die Wahrnehmung dritter Subjekte aus. Denn es ist ja kein Geheimnis, dass die Betroffenen mit wenigen Ausnahmen Arbeitslosigkeit als Lebenskrise erfahren. Da die Mitarbeiter der Center dafür aber im Regelfall kein Handling haben, landen nicht wenige der Kunden am Ende beim Therapeuten. Dort wird dann auch nicht lange gefackelt, sondern krankgeschrieben. Eben weil man dort das Handling für die Krise hat. Im System selbst ist das aber ein Effizienzmangel, denn die Betroffenen sind nach der Therapie nicht leichter vermittelbar als ohne Eskalation der Krise.


    Es ist kein Zufall, dass die skandinavischen Staaten das in ihren Systemen immer schon als festen Bezugspunkt implementiert hatten, wogegen Hartz4 sich dadurch auszeichnete, dass es am Reißbrett von Ökonomen mit klaren Zielvorgaben entworfen wurde: Weniger Arbeitslosigkeit durch Entwertung von Bildung und Ansprüchen als Zwang in schlechte Beschäftigung. Je älter die Betroffenen in dieser Abwärtsspirale werden, desto häufiger alternieren Jobwechsel mit längeren Krankschreibungen. Und zumindest die Versicherer freuen sich daran, dass die Betroffenen keine Berufsunfähigkeitsversicherung haben, weil sie sich die mit ihren Niedriglöhnen nicht leisten können. Am Ende kommt dann der Steuerzahler in Milliardenhöhe dafür auf, diese Effizienzmängel im Nachhinein durch Mindestsicherung in Form von Sozialhilfe/Grundsicherung zu kitten.

  • Ich hätte bei Deinem Jobangebot übrigens auch abgewunken. Ich habe ein Helfersyndrom und muss das im Beruf oder Job ausleben. Darum habe ich nach der Uni versucht in die Sozialarbeit hineinzukommen. Ich habe in den letzten 20 Jahren sieben nah am Studium gearbeitet sowie einige Jahre während dem Studium an der Universität und angegliederten Instituten. Wenn es nach Deinem Zwang zur Anpassung gegangen wäre, hätte ich diese Stelle nach dem Studium nicht ausgeübt.

    Ich wäre gern Rockstar geworden. Wegen dem Geld, den Frauen und den Drogen. Ok, auf die Drogen hätte ich verzichten können. Aber Geld und Frauen hätte ich trotzdem gern. Nur leider war keine Stelle frei.
    Wenn z.B. an Universitäten jedes Jahr 20.000 Soziologen (rein aus der Luft gegriffene Zahl) die Uni verlassen, der Arbeitsmarkt aber nur für 1.000 eine Stelle in dem Bereich zur Verfügung stellt, dann müssen sich 19.000 umorientieren. In der Pflege sind eine Menge Stellen frei...


    Die Universitäten produzieren Abgänger einfach am Bedarf vorbei. Hier wäre es besser es wie bei Med.Studis zu machen und die Abzahl verfügbarer Studienplätze einzuschränken und eine zentrale Auswahlstelle einzuführen.
    Wir leben nunmal in der (sozialen) Marktwirtschaft, Bildung ist für einen Arbeitgeber nur was wert wenn sie im Job auch nutzt, man wird für den Job bezahlt den man macht, wenn die Wissenshürden für den Job hoch sind, wird man tendenziell besser bezahlt.
    Im Sozialismus wie in der DDR oder der Sov. wärst du übrigens nicht in der Arbeitslosigkeit gelandet, man hätte dir eine Arbeit zugewiesen und zwar nach Bedarf - ggf. wäre es der Erntehelfer geworden.



    Deine Erfahrungen auf dem Job Center kann ich übrigens nicht bestätigen. Ich habe während meiner Wartezeiten keinen einen Fall erlebt, wo jemand aufgerufen oder gesucht wurde.

    Glückwunsch dazu, das du am einzigen Job Center Deutschlands gemeldet warst/bist an dem nur Vollpfosten arbeiten und nur Heilige Unterstützung suchen.



    Das ergibt mich sich für mich schon allein aus dem Wissen, welche Folgen das System für Menschen hat, denen ihr Wissen entwertet wird und die im Niedriglohnsektor verhaftet bleiben. Das ist ja eine Rolltreppe nach unten (Abstiegsgesellschaft). Erst wird es immer schwerer überhaupt Schritt zu halten, dann geht es trotz gleichem Tempo immer weiter nach unten. Darum ist der Kampf für einen Mindestlohn von 12 Euro das passende Gegenstück zur Reform der Agenturen und ihres Zwangssystems.

    Wie schon geschrieben, Wissen muss auch gebraucht werden, damit es vergütet wird. Wenn man also nicht zumindest im Seitenspiegel den aktuellen Arbeitsmarkt im Blick hat und sich überlegt wo man in 5 Jahren stehen will, der wählt die Rolltreppe selbst. Ich schreibe hier mitlerweile nur noch recht selten, lese aber nun schon seit 8 Jahren mit - und man sieht am Rande den Lebensweg anderer Forenuser. Es freut mich immer wieder wenn da einer eine Ausbildung fertig hat und in einen guten Job einsteigt etc. Das was ich hier beschreibe ist nicht die Ausnahme, es ist die Norm.



    Sorry, ich glaube da haben wir völlig unterschiedliche Weltanschauungen und werden nicht zusammen kommen.


    Wäre es ein Job müsste man Mindestlohn bekommen, das alleine reicht mir als Ausschlusskriterium und es gibt noch viele weitere.

    Wie sollte man die Arbeitslosigkeit sonst sehen? Als Abstellgleis ins Nichts? Es ist Arbeit von der Arbeitslosigkeit wieder in eine Anstellung/Selbstständigkeit zu wechseln, ggf. harte Arbeit. Weiterbildungen, Bewerbungen, Gespräche. In der Arbeitslosigkeit wird man häufig mit sich selbst, den eigenen Erfolgen und Misserfolgen konfrontiert, man muss sich die Frage stellen (bzw. gefallen lassen) was man bisher in seinem leben geschafft hat - und sich am Ende im Spiegel anschauen können. Das ist Arbeit.
    Aber es ist eine Zwischenstation. Mehr auch nicht. Andere Menschen die täglich zur Arbeit gehen - häufig Jobs machen die sie nicht mögen und/oder unter der Steuerlast stöhnen die dafür sorgt das andere in der Arbeitslosigkeit eben nicht das Dach über dem Kopf verlieren oder hungern müssen, bezahlen das alles. DAS sollte man nie vergessen.



    Danke unserem glorreichen Bildungssystem beherrschen selbst viele Erwachsene die Grundrechenarten nicht. Und das schließt Leute mit Abi und Studium ausdrücklich ein, habe ich selbst so erlebt. Also ohne fachliche Qualifikation Lehrer werden ist eher nicht realistisch.


    Also lt. dir reicht ein Bachelor of Arts Pädagogik nicht aus um kleinen Kindern fachgerecht die Grundrechenarten zu vermitteln - weil ein Teil der Absolventen nach einem Studium zu doof dafür ist? Also mindestens Master für Grundrechenarten? Oder wird ein Dr. oder Prof. gebraucht?
    Sorry, aber ich kann dir nicht mehr folgen.


    Ich finde es ein wenig betrüblich wenn es letztlich heißt: "Die AA Mitarbeiter sind schuld.", "Das System ist Schuld", "Das System muss mir Angebote machen", "Der Arbeitsmarkt ist Schuld", nur eine Partei hat nie Schuld - man selbst.


    Beste Grüße


    TauPandur

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